laut.de-Biographie
Tuxedomoon
"Es gab ein fliegendes Fragezeichen des Nachts in meinem Traum. Es sprach zu mir und erklärte, die Lösung für alles liege im Wort Tuxedomoon. Da sagte ich zu dem Fragezeichen: Ok, dann werde ich mal loslegen", so Blaine L. Reininger. Also gründet der kalifornische Multiinstrumentalist mit seinem Kumpel Stephen Brown im Jahre 1977 die gleichnamige Band.
Tuxedomoon sollte nicht nur irgendeine weitere Combo aus dem musikalisch fruchtbaren Schmelztiegel San Francisco werden. Neben Killing Joke, Joy Division und ein paar anderen gehört die Band zu den Gründervätern des Postpunk und New Wave. Mit ihrem legendär angezickten "No Tears" gelingt ihnen 1978 ein Genreklassiker, der sie auf ewig zur Wave-Ikone macht.
Auf solche Szenehits lassen sie sich zum Glück nicht reduzieren. Mit den weiteren Kernmitgliedern Peter Principle und Sänger Winston Tong entwerfen sie im Laufe der nächsten Jahrzehnte einen musikalischen Cocktail, der neben den geliebten Synthies vor allem Elemente von Klassik, Jazz und rockiger Avantgarde nutzt. Der Ruf von Tuxedomoons künstlerischer Unberechenbarkeit eilt ihnen stets voraus. Keine Platte klingt auch nur im Ansatz wie die andere.
Die konstante Qualität ihres Outputs ist um so erstaunlicher, bedenkt man die Rotation im Tuxedomoonschen Personalkarussell. Der ausgebildete Violinist Reininger verlässt die Band im Jahr 1983 vorerst und startet eine imposante Solokarriere. Eine Besonderheit bei Fans und der Band selbst ist die einbindende Wahrnehmung dieser Werke. Reiningers eigene Alben etwa gelten als Teil des bandeigenen Universums und genießen dieselbe Verehrung. Sogar die Webpräsentation verwischt bewusst alle Grenzen und trennt nicht stringent zwischen Reiningers Katalog und jenem von Tuxedomoon.
In dieser Ära der separat eingeschlagenen Pfade stechen ein paar Veröffentlichungen deutlich heraus. 1985 bringt die Band ohne Blaine ihr kommerziell erfolgreichstes Album heraus ("Holy Wars"). Vor allem das darauf enthaltene "In a Manner of Speaking" schlägt ein wie eine Underground-Rakete. Martin Gore, Nouvelle Vague, und Amanda Palmer sind nur ein paar der nachhaltig zum Covern Inspirierten. Tong verlässt die Combo nach der Platte.
Reininger trumpft parallel ebenso auf. Großer Darkpop wie "Mystery And Confusion" ("Night Air" 1983) oder "Invisible In The City" ("The More I Learn the Less I Know" 1999) geben einander gern die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Mit dem hoch eleganten "Caddillac Nights" und der folgenden LP "Kingdom of Dreams" (Kollaborationen mit den Falling Infinities) gelingt ihm Mitte der 90er ein großer Erfolg in der Darkwave- und Elektro-Szene.
Von der Mutterband hört man in den 90ern wenig. Doch ist es kein Zufall, dass Tuxedomoon sich nie offiziell auflösen. 2003 kommt Reininger wieder an Bord. Sogar Tong hat inzwischen wieder das eine oder andere Konzert mit ihnen absolviert. Eben diese Gigs und die zugehörigen Platten sind eine ganz und gar eigene Liga.
Besonders das zwischen Anmut, Schwermut und Dekonstruktion angelegte "Pink Narcissus" (2014) bietet einen herausragend nocturnalen Soundtrack zu blauen Stunden. Als man sie nach dem Geheimnis ihrer rätselhaften Musik fragt, erklärt Reininger trocken: "Wir können musikalisch Emotion und Intellekt nicht voneinander entkoppeln. Das Lustige daran ist: Jedes Mal, wenn ich die rationale Methode wähle kommt Pop heraus und umgekehrt."
40 Jahre Synthie-Pop, Underground, Jazz und Experimental-Sound feiern Tuxedomoon 2015 auf zehn LPs im Wiederveröffentlichungspaket "The Box". Das exklusive Release ist auf 300 Exemplare weltweit limitiert und auch für diejenigen interessant, die noch ein paar Lücken in ihrer Tuxedomoon-Sammlung haben. Im selben Jahr schreiben sie mit Cult With No Name die Musik zu "Blue Velvet Revisted" von Peter Baatz aka Harry Rag (S.Y.P.H.).
Im Sommer 2017 wollten Tuxedomoon mit ausgewählten Konzerten, darunter vier in Deutschland, ihre Karriere noch einmal hochleben lassen, doch daraus wird leider nichts. Am 17. Juli stirbt Bassist Peter Principle im Alter von 63 Jahren. Blaine L. Reininger informierte die Fans via Facebook. Die Band sei geschockt. Alle angesetzten Konzerttermine wurden daraufhin gestrichen.
Noch keine Kommentare