laut.de-Biographie
Yassin
"Company Flow treffen Westberlin Maskulin, dreckiger Boom Bap auf sperrige Kunstrap-Gebilde." Die Selbstbeschreibung des Untergrund-Rap-Gespanns Audio88 & Yassin legt durchaus Fährten in die richtige Richtung.
Das Berliner Duo, das seit 2009 viel Kraft und Zeit in Mixtapes wider einen Rapkonsens investiert, handelt auf jeden Fall aus Überzeugung. Die misanthropischen Verse behandeln Themen vom äußeren Rand der Gesellschaft: Alkoholismus, Hartz IV, oberflächliche Zwischenmenschlichkeiten und natürlich die leidliche Rapkonkurrenz bekommen in teils bitterbösen Zeilen ihr Fett weg.
Yassin versteht sich aber nicht nur mit seinem gebürtigen Cottbusser Weggefährten Audio88 auf scharfzüngige Außenseiterhymnen und schiefe Versmaße. 2012 veröffentlicht der 1985er-Jahrgang sein Solodebüt "Altlasten" als MP3-Download.
Die Schlagrichtung geben schon wie Tracktitel wie "Abgrundwear" und "Alles Ist Scheiße" vor. Mal hektische, fast immer aggressive Zeitgeist- und Kulturkritik verbindet Yassin mit Anticon-Boom Bap und dissonanten Trapelementen. 2014 veröffentlicht er via Bandcamp ein noch düstereres Kollabo-Mixtape mit Soda. "Wo fang' ich an, wenn ich nicht weiß, wo ich hinwill?", lautet eine zentrale Frage.
Die beständige Veröffentlichungspolitik sowie Yassins Umzug von Darmstadt nach Berlin zahlen sich letztlich aus. Huss & Hodn und Suff Daddy liefern Remixe, Zugezogen Maskulin senden stilistische Blumen, und in der Gruppe Die Bestesten agiert der Wortkünstler gemeinsam mit Audio88, Morlockk Dilemma und Hiob.
"Ich schreibe einfach bessere Texte, wenn ich was getrunken habe", erklärt Yassin. "Wenn ich nüchtern einen Text schreibe, dann ist das relativ mühsam. Ich überdenke jede Zeile noch mal, was ich nicht mache, wenn ich schon drei Bier getrunken habe."
Nachdem Yassin und Audio88 in ihren frühen Tagen teils von linken Zirkeln politisch vereinnahmt werden, gehen die beiden zu allzu ausformulierten programmatischen Ansätzen auf Distanz.
Jahre später sagt Yassin anlässlich einer Bundestagswahl im Interview: "Am liebsten würde ich Ideen wählen, und keine Parteien." Nach wie vor gilt wohl das Leitmotiv: "Deine Sprache sprech' ich nicht und weigere mich, sie zu lernen."
Mit seinem Album "Ypsilon" schwimmt er sich 2019 endgültig als Solo-Künstler frei. Und auch wenn von zwölf Songs nur zwei "politisch" sind, wie Yassin selber sagt, bleibt er doch ein politisch klar denkender Mensch. So sagt er etwa im laut.de-Interview über die Flüchtlingskrise:
"Alter, willst du da an diesem scheiß Stacheldrahtzaun stehen? Glaubst du, die sind gierig? Nein, du bist gierig, wenn du willst, dass die hinterm Stacheldrahtzaun stehen. Und wenn du das nicht so siehst, ist da ein logischer Bruch, den du selbst herbeiführen musst. Den musst du durch deine Meinung, deine Sozialisation aufrecht erhalten, den musst du mit Falschinformationen füttern. Das ist ein missgünstiger, menschenfeindlicher Blick auf die Welt. Der kommt nicht von alleine. Der wird dir beigebracht, oder den erfindest du dir, aus Bequemlichkeit oder was auch immer. Aber das macht dich halt definitiv zu einem unguten bis schlechten Menschen."
Danach erscheinen mit "Todesliste" (2021) und "Back Im Game Vol. 1" wieder zwei gemeinsam mit Audio88 aufgenommene Alben. 2023 folgt Yassins drittes Soloalbum "Für Immer".
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