laut.de-Biographie
Joss Stone
Die Schattenseiten des Ruhmes lernt Jocelyn Eve Stoker im Juni 2011 beinahe hautnah kennen. In unmittelbarer Nähe ihres Zuhauses in Cullompton in der englischen Grafschaft Devon greift die Polizei zwei Männer auf. In ihrem Auto finden die Beamten neben Luftaufnahmen und Plänen des Hauses von Joss Stone auch Waffen, Seile und einen Leichensack. Die 24-Jährige entgeht offenbar nur knapp einem Raubüberfall oder gar einem Mord.
Zu diesem Zeitpunkt ist die Sängerin schon etliche Jahren im Geschäft und der Everybody's Darling der Musikszene. Nach dem seelischen wie körperlichen Absturz der anderen großen Diva der Insel, Amy Winehouse, bildet Joss Stone die Speerspitze des britischen Souls. Noch vor ihrem Debüt "The Soul Sessions", das sie als 16-Jährige veröffentlicht, vergleicht sie die Presse mit Größen wie Aretha Franklin und Janis Joplin.
Aus gutem Grund, denn die Leichtigkeit, mit der das Naturtalent die Stimme beherrscht, mit ihr spielt und kokettiert, ist selten und in dieser Form nicht erlernbar. Kein Wunder, dass die schillernden Namen des Geschäfts bei ihr Schlange stehen. Mit James Brown, Gladys Knight, Tom Jones, Rod Stewart und Erykah Badu teilt sie sich die Bühne.
Im Studio begrüßt sie Questlove, Angie Stone, Portishead-Sängerin Beth Gibbons, Raphael Saadiq sowie Lauryn Hill und Common. Gemeinsam mit Desmond Child (Aerosmith, Bon Jovi, Ricky Martin, Alice Cooper), Lamont Dozier (The Supremes) und Eurythmics-Mitbegründer David Stewart schreibt sie Texte – um nur einige Namen zu nennen, die Liste ließe sich endlos fortführen. 2011 lädt Mick Jagger sie in seine Supergroup SuperHeavy ein, bestehend aus ihm, Dave Stewart, A. R. Rahman und Damien Marley.
Doch nicht nur ihr Gesangstalent macht die Britin so populär. Abseits der Bühne und des Studios engagiert sich Joss Stone für Gleichberechtigung und Freiheit. Regelmäßige Auftritte auf Charity-Veranstaltungen wie Live 8, Band Aid oder Live Earth sind Ehrensache für die Blondine, die von sich selbst behauptet, aus einer "Art Hippie-Familie" zu stammen. Eventuell ist es diese politische Richtung, die sie später in ihrer Karriere zu einer Anhängerin des File-Sharings macht: "Mich interessiert nicht, wie du meine Musik hörst, sondern dass du sie hörst."
"Mein Vater erzog mich schon ziemlich früh zum individualistischen Denken und Handeln", blickt Joss auf ihre Kindheit zurück. Nicht zuletzt deshalb erscheint ihre erste Platte mit zehn Coverversionen relativ unbekannter Soulstücke in einer Zeit, in der ihre Altersgenossen und -genossinnen Britney Spears oder Nelly feiern. "Die Leute wollten einfach nicht aufhören, dieses Album zu kaufen", kommentiert Joss schmunzelnd den überraschenden Erfolg der "Soul Sessions".
Mehr Stolz verspürt die Britin jedoch für "Mind, Body And Soul", das größtenteils aus eigenen Songs besteht. "Zwar habe ich an allen außer zwei Songs des Albums mitgeschrieben und betrachte es deshalb als mein eigentliches Debüt, aber ich bin längst noch nicht da angekommen, wo ich hin will", verspürt die Perfektionistin dennoch keine Zufriedenheit. Ganz im Gegensatz zur Musikindustrie, die Joss Stone mit Preisen wie dem Grammy oder dem BRIT Award förmlich überhäuft.
Dieser Drang nach Perfektion und Individualismus zwingt Joss Stone nach "Colour Me Free!" förmlich, mit dem Major-Label EMI zu brechen. Nach etlichen Querelen mit der Plattenschmiede, gründet sie kurzerhand ihr eigenes Labes Stone'd Records. "Es gibt niemanden auf der Welt, der mir sagen kann, wie ich Musik machen soll, wie ich ich selbst sein soll", schimpft die sonst so ausgeglichene Diva und kümmert sich fortan um das passend zur neuen Freiheit "LP1" betitelte fünfte Studioalbum.
2011 produziert Joss zudem gemeinsam mit Eurythmics-Kopf Dave Stewart oder auch Mick Jagger am Album der Supergroup SuperHeavy mit. 2012 ist dann wieder Zeit für ein Soloprodukt.
Im Monat vor der "LP1"-Veröffentlichung erscheint in der Sunday Times eine Liste der wohlhabendsten Briten und Iren. Joss belegt mit einem geschätzten Vermögen von mehr als neun Millionen Pfund den fünften Platz in der Kategorie der unter 30-Jährigen. Möglicherweise ist ihr Reichtum ein Motiv der beiden Männer, die offenbar einen Einbruch bzw. ihre Entführung planten, aber im Vorfeld verhaftet werden konnten. Momente wie dieser zeigen aber, wie unwichtig Geld doch eigentlich ist.
Nach "The Soul Sessions Vol. 2" entdeckt Stone 2015 mit "Water For Your Soul" den Reggae für sich. 2017 bildet sie gemeinsam mit Nitin Sawhney (Gitarre), Jonathan Joseph (Schlagzeug), Étienne M'Bappe und Jonathan Shorten (Keyboards) das Project Mama Earth, das Rockvibe mit afrikanischen Rhythmen verbindet und Ende November '17 die EP "Mama Earth" veröffentlicht.
Mit "Mama Earth" reist Joss in diverse versteckten Winkel der Welt und lässt sich rund um den Erdball von Musikerkolleginnen zeigen, was deren regionale Musik ist. Auf die Horizonterweiterung folgt eine Babypause. 2022 biegt Joss in eine opulente Produktion ein, die stilistisch an Londons Northern Soul-Vorläufer, den Orchestersound damaliger Unterhaltungsmusik anknüpft (man denke an P.P. Arnolds "Angel Of The Morning"). Gemeinsam mit Dave Stewart entrollt Stone einen Sound, den man von ihr nicht erwartet hätte.
Stewart erklärt das Vorgehen: "Wenn du diese einfachen Handy-Aufnahmen hören würdest, singen und schreien wir bereits Bläsersätze und Streicherarrangements dazu und jeder, der zuhört, würde uns für verrückt halten. Wir haben eine geheime Musiksprache (...) Ich denke, dass wir in dieser Sammlung von Songs, die mit erstaunlichen Musikern und Orchesterarrangements aufgenommen wurden (...), echte Magie eingefangen haben." Zu diesen "erstaunlichen Musikern" zählt Chad Cromwell, lange Zeit Drummer für Neil Young, Peter Frampton, Mark Knopfler und Lady Antebellum. Mit dem zugehörigen Album "Never Forget My Love" rüstet sich Joss für eine Tournee, in der sie sich Shows mit Candy Dulfer und Corinne Bailey Rae teilt.
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