Porträt

laut.de-Biographie

Bacapon

Hinter den schicken, sauberen Fassaden besitzt auch Hamburg seine dreckigen Hinterhöfe, von denen allerdings selbst in der blühenden Rap-Szene der Hansestadt kaum jemand berichten mag. Bacapon kennt die Gosse, über die er spricht - und er nimmt kein Blatt vor den Mund.

Bacapon - Raubtiermuzik Aktuelles Album
Bacapon Raubtiermuzik
Atmosphärischer Reibeisenrap ohne technische Finessen.

Er kommt 1979 unter dem wohlklingenden Namen Deniz Türksönemz als Sohn einer Gastarbeiterfamilie im Süden Hamburgs zur Welt. Doch schon in den 80er Jahren weht nicht-deutschstämmigen Mitbürgern ein kalter Wind ins Gesicht. Als sich fremdenfeindliche Übergriffe mehren, überwiegt bei Vater Türksönmez die Sorge um seine Familie. Nach 20 Jahren packt er Koffer, Frau, Kind und Kegel und kehrt nach Anatolien zurück. Deniz ist zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt.

Die lange Zeit fern der Heimat hat Spuren hinterlassen: Auch in der Türkei fühlt sich die Familie fremd. Deniz' Mutter hält es nicht lange aus und siedelt schon bald wieder nach Deutschland über. Deniz bleibt bei seinem Vater, der hier allerdings auch kaum Perspektiven für seinen Sohn sieht. Nach Abschluss der Grundschule wird Deniz 1990 deswegen, obwohl er kaum Deutsch spricht, zu seiner Mutter zurück verfrachtet.

Wieder in Hamburg angekommen, haust er mit dieser und seinen drei Geschwistern auf engstem Raum in verschiedenen Hochhaus-Siedlungen in Hamburg-Süd. Als Asylbewerber verfügt die Familie kaum über nennenswerte finanzielle Mittel. Die Sehnsucht nach dem schnellen Geld verleitet auch Deniz zu der einen oder anderen nicht ganz legalen Aktion. "Ein richtiger Gangster war ich nie, große Reichtümer hat mir das alles nicht eingebracht", erinnert er sich. "Aber ein ordentliches Taschengeld war auf diese Weise schon drin."

Sein Onkel steckt Deniz die ersten Hip Hop-Tapes zu. Zwar versteht er die englischen Texte nicht, fühlt aber den Vibe: Hier rappen sich Menschen, die sich in einer nicht viel besseren Lage als er selbst befinden, ihren Frust von der Seele. Hip Hop wird für Deniz zum Ventil für die eigenen Sorgen.

Er beginnt, im örtlichen Jugendzentrum zu breaken und färbt nachts die Wände in der Umgebung. Sein Vater, der gerne Gedichte verfasste, scheint ihm sein lyrisches Talent vererbt zu haben: Bald drückt sich auch Deniz in Reimform aus und packt in Rap-Texte, was ihn tagtäglich beschäftigt. Er schafft den Sprung auf ein Aufbau-Gymnasium.

An ausgetüftelten Wortspielereien oder fröhlicher Partymusik hat man in Deniz' Nachbarschaft allerdings kein Interesse. Hier geht es hart zur Sache. Seine zornigen Raps erschüttern seit 1992 das Viertel. Deniz legt sich den Alias Bacapon zu. In seiner Musik geben arabische Einflüsse und immense Melancholie den Ton an. Bacapons düstere Texte tragen ihm den Spitznamen "Henker aus dem 11. Stock" ein, der Jahre später als Titel sein Debüt-Mixtape zieren soll.

Mit seinem Freund Obet, besser als Black Cesa bekannt, schließt er sich zu den Wahren Bossen zusammen, die es sogar zu einem Plattenvertrag bringen: Sie kommen bei einem Sublabel von Universal unter und veröffentlichen 1998 die auf einem Sample von Stevie Wonder basierende Single "An Jenem Tag".

Obwohl der Clip auf MTV und VIVA rauf und runter rotiert, wird der Deal mit den Wahren Bossen wenig später aufgelöst. "Man hatte eben doch keinen Bock auf die Kanaken", konstatiert Bacapon bitter. Er zieht sich zurück und konzentriert sich ganz auf seine Musik. Partner Obet trifft es weniger gut: Er landet für vier Jahre hinter Gittern.

Wie sein Vorbild, Schwergewichts-Champion Mohammed Ali, gibt sich auch Bacapon nicht geschlagen. 2007 schlägt seine Stunde erneut. Mittlerweile haben sich zahlreiche Tracks angesammelt. Aus den Massen von Material wählt er 22 aus und präsentiert im März in Zusammenarbeit mit Sleepwalker endlich ein Mixtape.

"Der Henker Aus Dem Elften Stock" stellt gleichzeitig die erste Veröffentlichung auf Doppel H Records dar. Neben Sleepwalker, der unter anderem bereits für Samy Deluxe ("Weck Mich Auf") und die Hamburg City Allstars ("Vorsprechtermin") tätig war, kümmern sich Newcomer DarkoBeats, King David und Kader um die Produktion. Neben Freedom und Dissput aus Berlin begrüßt Bacapon Illy Idol, sowie Mister Malik, Kader und Black Cesa von der Doppel H Gang als Gäste am Mikrofon.

Bacapon transportiert, das zeigt auch sein 2009 erscheinendes Debütalbum, was ihm täglich begegnet, und bringt es als Stimme der Straßenkinder so zu größtmöglicher Authentizität. Daneben möchte er seiner Hörerschaft seine politische Einstellung vermitteln. Rassismus, so seine felsenfeste Überzeugung, wurzelt hauptsächlich in Unwissenheit, gegen die angegangen werden kann und muss. Das Ergebnis: in jeder Hinsicht "Raubtiermuzik".

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