16. Dezember 2016

"Spaghetti-Western ist so räudig wie Punk"

Interview geführt von

Bevor sein neues Soloalbum erscheint, vertont Bela B im Studio und auf der Konzertbühne einen Spaghetti-Western. Wir trafen den Musiker in Berlin.

Wer Bela Bs letztes Album "Bye" kennt, eine Art vertonter Americana-Roadmovie, dürfte vom neuesten Projekt des Film-Afficionados und Popkultur-Kenners kaum verwundert sein. Mit "Sartana – noch warm und schon Sand drauf" hat er einen alten Spaghetti-Western als Hörspiel vertont, den er auch live auf die Bühne bringt. Warum der Begriff Hörspiel in diesem Fall zu kurz greift, erklärt uns der Die Ärzte-Schlagzeuger im Interview, das im Berliner Ramones-Museum stattfindet. Mit dabei: Die beiden bekannten Synchronsprecher und Schauspieler Oliver Rohrbeck und Stefan Kaminski, die sowohl auf der eben erschienenen Hörspiel-Doppel-CD zugegen sind, als auch bei der Live-Umsetzung.

Meine Herren, lasst uns doch gleich mal über das Genre Spaghetti-Western sprechen – und wie es zur Vertonung von "Sartana – noch warm und schon Sand drauf" kam.

Bela B: Die Idee, einen Spaghetti-Western zu vertonen, entstand bei einem Treffen mit dem Regisseur Leo Koppelmann. Eigentlich wollte er mit mir einen Gruselklassiker machen – was bei Bela B ja auf der Hand liegt. Im Laufe des Gesprächs haben wir aber festgestellt, dass wir beide nicht unbedingt Freunde von zu offensichtlichen Sachen sind. Leo ist ein großer Spaghetti-Western-Fan, und fragte mich, ob ich mir das vorstellen könnte. Nun, Spaghetti-Western ist quasi mein zweiter Vorname. Am Tag vor dem Treffen hatte ich mir "Sartana – noch warm und schon Sand drauf" zum ersten Mal angeschaut. Alleine wegen dem irrsinnigen Titel, der wiederum aus der Synchronfassung von Rainer Brandt stammt. Ursprünglich hatten wir vor, etwas Bekannteres wie "Für eine Handvoll Dollar" zu nehmen. Wir sind aber relativ schnell drauf gekommen, dass man für die wirklichen Perlen des Genres Spaghetti-Western etwas aus der zweiten Reihe nehmen muss.

Oliver und Stefan, welchen Bezug hattet ihr zu dem Genre?

Oliver Rohrbeck: Ich bin Western-Fan und habe daher natürlich auch immer Spaghetti-Western geguckt. Wenn sie noch dazu von Rainer Brandt getextet waren, wusste man, dass der Spaß garantiert ist – selbst wenn die Handlung mal ein wenig dröge oder das Budget nicht ganz vorhanden war, was Opulentes auf die Leinwand zu schmieren. Als ich 2003 mit der "Lauscher Lounge" mein eigenes Label gegründet habe, war mein erstes Projekt ein Western: "Der Trek nach Westen", den hatte ich selbst geschrieben. Zwar nicht mit Rainers Texten, aber wir haben versucht, das Genre ein wenig auf die Schippe zu nehmen. Ich liebe Western – und wer will nicht in seinem Leben mal auf der Bühne stehen und sagen (imitiert Western-Stimme - Anm. d. Red.): "Lasst mich zurück, dann kommt ihr schneller voran" oder "Trink das, dann wird's dir besser gehen". Also Klassiker, die in jedem Western auftauchen müssen.

Stefan Kaminski: Ich betrete hier Neuland, muss ich sagen. Natürlich habe ich gerne Western geguckt, aber ich bin jetzt nicht der Hardcore-Western-Fan. Das unterscheidet mich von den beiden hier. Was schön für mich ist: ich kann das jetzt nachholen. Ich habe mir jetzt einige Western besorgt, auch die "Sartana"-Dinger. Was mich hier her führt, ist die Live-Hörspiel-Arbeit – und da ist jedes Genre für mich interessant, ob es Katastrophenfilme sind, Western, Opernstoff oder sogar Pornos (lacht). Mich reizt die Arbeit mit Geräuschen, verschiedenen Stimmen, die Zusammenarbeit mit den beiden. Das wird auf jeden Fall ein Fest. Schon die Studioarbeit hat großen Spaß gemacht, und ich denke, das können wir live hundertprozentig toppen. Weil es frischer und spontaner ist.

Bela B: Es kommen bei den Konzerten ja noch ganz andere Aspekte dazu. Stefan Kaminski macht live die Geräusche und wird uns allen die Show stehlen. Dann ist da noch die Band Smokestack Lightnin', die auf der Bühne steht — mit Peta Devlin natürlich, die beim Hörspiel die weibliche Hauptrolle spricht. Mit Peta gemeinsam werde ich Songs zum Besten geben, die kommentierend zum Hörspiel geschrieben wurden. Und dann gibt es da auch noch die Bildebene: Der Comic-Zeichner Robert Schlunze hat wundervolle Bilder dazu gemacht, bei denen die Leute noch besser in die Western-Erzählung eintauchen können. Außerdem ist Rainer Brandt als Erzähler auf Konserve dabei. Da bleibt kein Auge trocken.

"Es gibt Spaghettiwestern, in denen kein Pferd vorkommt"

Wie kam es zur Zusammenarbeit? Kennt ihr euch schon länger?

Bela B: Oli Rohrbeck und ich kennen uns seit über dreißig Jahren – noch aus Punkzeiten in Berlin. Ich wusste damals gar nicht, dass er Hörspiel– und Synchronsprecher ist. Stefan habe ich erst vor kurzem kennengelernt – und bereue, dass ich ihn nicht schon seit seiner Geburt kenne (lacht). Mit Peta und Smokestack Lightnin' arbeite ich ja sowieso schon länger zusammen, wir haben bereits eine Platte zusammen veröffentlicht. Nächstes Jahr kommen die acht Songs aus dem Hörspiel plus ein paar Bonustracks als Solo-Album in voller Länge raus. Diese Verbindung aus Hörspiel, Konzert, Comics und Film-Einspielern sowie Improvisation, das wird großartig.

Lasst mich mal kurz auf ein Zitat aus der Hörspiel-Promo-Info zu sprechen kommen: "Frauen versauen jeden Western".

(alle lachen)

Stefan Kaminkski: Ich habe diesen Satz nicht geschrieben, muss ihn aber sprechen. Es ist so, ich trete in der Meta-Ebene zwar als Stefan in Erscheinung, aber als Scharnier-Punkt, um die Diskussion in eine bestimmte Richtung zu feuern. Das ist auch okay so: Ein Alter Ego von mir, das auf der Bühne steht, aber nicht unbedingt die Meinung wiedergibt, die ich als Privatperson habe. Das wäre auch denkbar unspannend auf der Bühne. Es wird so geschrieben, dass dort eine heiße Diskussion entsteht. Mein Part ist es zu sagen: "Ey Leute, nervt mich jetzt nicht mit Liebesgeschichten, raschelnden Kleidern." Ich will selbst die Geschichte erzählen, ich will voran, ich will ins Material eingreifen, Geräusche machen, ich möchte mit euch zusammen eine Atmosphäre erzeugen. Und dann gibt es diese Stopps, die durch andere entstehen, was mich total aufregt – oder durch mich, weil ich sage, dass Frauen überhaupt nichts im Western zu suchen haben.

Bela B: Das Frauenbild im Spaghetti-Western ist völlig anders als das Frauenbild im regulären Western. In vielen Western gibt es das Heimchen am Herd, manchmal noch die intrigante Bardame. "Johnny Guitar" ist natürlich kein Italowestern, aber wahrscheinlich der herausragendste Hollywood-Western, in dem das Frauenbild mal aufgebrochen und verändert wurde. Aber davon gibt es keine Fortsetzung und nichts Vergleichbares. Der Spaghetti-Western behandelt die weiblichen Protagonisten auf Augenhöhe mit den männlichen Helden – wobei es Helden ja nicht wirklich gibt. Die Frauen sind genau so durchtrieben. Selbst die schönsten und prominentesten wie Claudia Cardinale in "Spiel mir das Lied vom Tod" – auch ein Spaghetti-Western, allerdings der Teuerste seiner Zeit – sind fähig, über Leichen zu gehen und verstecken Schusswaffen in ihren Kleidern.

Der Spaghetti-Western ist tatsächlich sehr von japanischer Filmphilosophie beeinflusst. "Für eine Handvoll Dollar", was ja als eine Art Initialzündung für den Italowestern gilt, ist abgekupfert von einem japanischen Samurai-Film von Akira Kurosawa. Diese Idee, dass ein Held durchaus auch sterben kann oder Untiefen hat, die auch im Film dargestellt werden, und nicht nur blütenweiß rumläuft und heldenhaft das arme Frauchen und eine ganze Stadt verteidigt: Diese Idee kommt aus dem japanischen Kino. Das haben die Italiener dann eben garniert mit 5-Tage-Bärten und jeder Menge Dreck. Deswegen stehe ich auch auf die billigeren Filme: Je billiger, desto mehr mussten sie in der Handlung überraschen. Es gibt Italo-Western, in denen kein Pferd vorkommt – das sind Dinge, die mich sehr erfreuen.

Oliver Rohrbeck: Also wie die Nigerianer jetzt Kampffilme drehen, in der Art wie die Italo-Western damals entstanden sind (lacht).

„Opa erzählt vom Krieg, liebe Kinder“

Dieses Low-Budget-Ding steht wieder im Kontext zu Punk: In der Presseinfo zum Stück heißt es ja, der Spaghetti-Western sei der Punk der Filmgenres. Oder wie es Peta im Hörspiel sagt, Spaghetti-Western ist genau so tot wie Punk.

Bela B: Ach, es wird immer soviel rumgepunkt in den Erklärungen – Business-Punk, Golf-Punk, keine Ahnung. Aber Spaghetti-Western ist so räudig, wie Punkrock meinem Verständnis nach eben sein sollte. Hört, hört, das sagt der Richtige, haha. Opa erzählt vom Krieg, liebe Kinder.

Bela, erzähl doch mal von deinem neuen Soloalbum "Bastard", das an einem speziellen Datum erscheint.

Das Album kommt am 17.2.2017. Wir dachten, Zahlenmystiker sind die kaufstärkste Gruppe von Plattensammlern da draußen – und für die haben wir das organisiert. Vielleicht irre ich mich auch. Meine ursprüngliche Idee war ein Soundtrack für das Hörspiel, also Songs zu schreiben, die als Interludes beim Hörspiel funktionieren und das Ganze in eine Konzertebene heben. Mir hat es irrsinnigen Spaß gemacht, in diesem Korsett zu arbeiten. Leo und ich haben uns Themen überlegt, die aufgegriffen und vertont werden sollten – und das gab mir Wände, innerhalb derer ich songmäßig agiere musste. "Der Dreck von Indian Creek" war der erste Song, den ich für das Projekt geschrieben habe. Wie ich da die ganzen Reinigungsmittel im Laufe des Songs erwähne, das hat mit Western nicht mehr viel zu tun. Das Stück ist auch eher 60s-Garage orientiert, aber typische Western-Elemente kommen auch nicht zu kurz. Das geht mit Smokestack Lightnin' eben blind.

Ein Song sollte über Chinesen sein, da hat mir der Co-Autor Christian Kessler per Mail dringend davon abgeraten: "Bela, wenn das missverstanden wird und man dir da rassistische Motive unterstellt. dass du dich über Chinesen lustig machst". Das hat mich erst recht angespornt. Ich habe hin und her überlegt, bis ich dann dachte: Okay, es gibt noch eine andere Ebene, über Chinesen im Wilden Westen nachzudenken. Wieso brachten sie nicht ihre tolle, üppige, einfallsreiche Küche ins Land, sondern kochten auch nur Bohnen mit Speck. Was zumindest im Western ja fast immer so ist. Recht schnell hatten wir genügend Songs zusammen. So abstrus das mit diesen verschiedenen Thematiken und der Musik auch ist: Wir haben es in sechs Tagen live in einem Studio in Bremen aufgenommen und in Hamburg gemischt. Wir sind total begeistert. Wir wissen nicht, wie es bei den Leuten ankommen wird, aber das interessiert mich auch erstmal nur peripher. Das ist ein Album, auf das ich lange gewartet habe und jetzt bin ich sogar selbst dran beteiligt.

Wirst du die Platte auch regulär betouren?

Ich habe auf alle Fälle vor, nächstes Jahr mit Peta Devlin und Smokestack Lightnin' auf Tour zu gehen und dieses Album live zu spielen, zusammen mit den Songs, die ich mit dieser Band habe und alten Bela B-Sachen.

Und zum Schluss: Wie steht es um Die Ärzte?

Ich kann nur soviel sagen: Es wird demnächst mal wieder ein Treffen der Band geben. Ausgemacht haben wir das, als wir gemeinsam in Jamel waren – in dem Dorf, in dem die Nazis die Majorität stellen und das Ehepaar Lohmeyer das "Jamel rockt den Förster"-Festival organisiert haben. Ich bin dort aufgetreten und Jan, Rod und ich hatten uns für dort verabredet, um "Schrei nach Liebe" zu spielen. Es ist dieser Tage eine Biographie über Die Ärzte erschienen, geschrieben von Stefan Üblacker, dem langjährigen Fanclubleiter und Intimus der Band. Wir haben da alle drei mitgearbeitet und deswegen sehr, sehr viel über Die Ärzte und die letzten Jahre reflektieren müssen. Wir befinden uns in einer kreativen Pause, von der wir nicht wissen, wie lange und kreativ sie sein wird.

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7 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    hähä geil

    dann setz ich die reihe mal ford:

    1. ich steh nicht so auf kommunismus
    2. ich weiß nicht warum punker immer so nerven
    3. wo ist der link zu deim kanal?
    4. dä.. was soll man da noch sagen? sit ich nur noch spotify stream hör ich keine ärzte mehr!! ich kauf keine einzige platte mehr bin doch ned dooof hör für lau die mucke und hau add block rein!! is legal und ich spar mein geld für grünes ;)

  • Vor 7 Jahren

    1....am liebsten blau
    2....solange es Jonny Thun... Ähm moment... achwasweissich
    3....ja aber echt ey... Wo isch der Link?
    4....bela b.ist tatsächlich der coolste der dreien aber DÄ sind tot (@jerome:brauchschwas?)

  • Vor 7 Jahren

    1. Jerome K ist ein Hurensohn.
    2. Jerome K benutzt das Wort "Punker", sagt also wahrscheinlich auch "Dönersandwich" und "Blue Jeans" und ist demzufolge ein Hurensohn.
    3. Jerome K versucht, cool und witzig zu sein, macht sich dabei aber jedes Mal nur zum Hurensohn des Monats.
    4. Jerome K ist trotzdem ein Hurensohn.