laut.de-Biographie
Bif Naked
Beth Torbert, bzw. nach ihrer Heirat Hopkins, wie Bif Naked mit bürgerlichem Namen heißt, ist ein Paradiesvogel im Musikzirkus. Von Kopf bis Fuß tätowiert und mit einem Look ausgestattet, der an eine Reinkarnation der jungen Bettie Page erinnert, treibt sie als Solokünstlerin seit Mitte der Neunziger, vor allem in ihrer Heimat Kanada, sehr erfolgreich ihr Unwesen.
Dass es überhaupt so weit kommt, ist an ihrem Geburtstag, dem 15. Juni 1971, alles andere als klar: Das Licht der Welt erblickt sie im indischen Neu Delhi als Tochter zweier Teenager, die in ihrem Hormonrausch nicht bedenken, dass aus Sex ab und an auch Kinder hervor gehen. Ihre leibliche Mutter bringt die kleine Beth zur Welt und gibt sie daraufhin sofort zur Adoption frei.
Ein Missionarsehepaar nimmt sich ihrer an und versucht, die Elternschaft zu übernehmen, was sich als schwerer als gedacht erweist, denn eine Geburtsurkunde oder dergleichen existiert nicht. So beginnt ein zweijähriger K(r)ampf mit den Behörden, ehe sie (von indischen Offiziellen als Baby G. bezeichnet) endlich mit ihren neuen Eltern das Land in Richtung USA verlassen darf. Dort wird der gesamte Trillefix mit Urkunden offiziell bestätigt. Mit den Adoptiveltern zieht so von South Dakota über Minneapolis, Kentucky bis nach Winnipeg in Kanada, wo sie auch das College besucht und an der Universität Theaterwissenschaft studiert.
Dort ist Bif sehr fleißig. Nicht unbedingt in ihrem Studienfach - denn an der Uni lässt sie sich nicht allzu oft blicken - sondern als Frontröhre der Band Jungle Milk (eigentlich der Name eines Drinks). Ihre ersten Schritte auf der Bühne macht sie jedoch nicht als Sängerin, sondern als Standup Comedian. Mit Brett Hopkins, dem Schlagzeuger von Jungle Milk, teilt sie bald mehr als nur die Bühne: Als Bif 18 ist, heiraten die beiden.
Zusammen siedeln sie zur Punk-Formation Gorilla Gorilla über, nachdem deren Sänger kurz vor einem Gig seinen Hut nimmt. Im Glauben, dass das Tourleben ihre Bestimmung sei, macht sie sich den ausschweifenden Lebensstil der Band zu eigen und fängt sich auf ihrer ersten Tour gleich viermal eine Alkoholvergiftung ein.
Nach einiger Zeit verlässt sie sowohl Gorilla Gorilla, als auch den Göttergatten, und schließt sich Chrome Dog an, wo sie sich persönlich jedoch kaum entfalten kann. Die Band ignoriert ihre feminine Seite und bügelt alle Versuch ab, spezifische Frauenthemen in die Lyrics zu integrieren. Ein weiterer Versuch bei der Formation Dying To Be Violent ist ebenfalls nur von kurzer Dauer.
So besinnt sich Bif auf sich selbst und veröffentlicht 1994 die Solo-EP "Four Songs And A Poem" auf ihrem eigenen Label Her Royal Majesty's Records. Der Poem heißt witziger Weise "Eine Tasse Tee" und erzählt eine Geschichte über ihren Hund Nikolas. Die EP sichert ihr Aufmerksamkeit und letzten Endes einen Deal mit Concrete Records, die ihr erstes Album, schlicht "Bif Naked" betitelt, noch im selben Jahr veröffentlichen.
Kurz darauf geht das Label pleite, aber Bif sichert sich die Rechte an den Mastertapes. Im neuen Mix erscheint die Scheibe auf Aquarius Records 1996 nochmals, wo sie fast zeitgleich auch ihre Spoken Words-Platte "Okenspay Ordway" heraus bringt. Hier darf sie sich endlich auch thematisch austoben und behandelt persönliche Erfahrungen wie Abtreibung oder Vergewaltigung ("Tell On You"). Musikalisch gibt sie sich jedoch weniger aggressiv als noch in ihrer Vergangenheit und lässt sogar poppige Klänge in ihren Sound einfließen.
Die Kombination dieser beiden Felder, feminine Lyrics und Rock'n'Roll, machen sie in Kanada zu einem Role Model der weiblichen Jugend. Dass Eltern darauf nicht begeistert reagieren, ist klar: Vom Cover ihres Debüt-Albums schaut sie den Betrachter über einen vollen Aschenbecher hin an, mit einem Blick, der versoffener kaum sein könnte. Und das alles, obwohl sie kaum Alkohol verträgt und nach einem Glas Bier schon gefährlich nah am Absturz balanciert.
Dass Alkohol eigentlich gar nicht ihr Ding ist, bemerkt sie selbst und schlägt von nun an ins komplette Gegenteil: Straight Edge. Bif entsagt dem Alkohol, rührt keine Kippe mehr an und stürzt sich in sportliche Aktivitäten, dass es nur so kracht. Nur einem Straight Edge-Dogma verweigert sie sich: Dem Verzicht auf Sex. Nebenher engagiert sie sich für die Kampagne "Stop The Violence/Face The Music" gegen Gewalt von und unter Jugendlichen, für die sie 1997 durch 18 kanadische Städte tourt, um Geld zu sammeln. Praktische Erfahrung in dieser Hinsicht besitzt sie jedenfalls genug, ist sie in ihrer Highschool-Zeit doch des öfteren von Klassenkameradinnen zusammen geschlagen worden.
Die gelöstere persönliche Situation macht sich auch auf ihrem Zweitling "I Bifficus" bemerkbar, der zwar songschreiberisch reifer wirkt, alte Fans jedoch aufgrund gestiegenen Pop-Appeals zum Teil vergrault. Kommerziell gerät die Platte in ihrer Heimat jedoch zum großen Erfolg, nicht zuletzt dank eines Remixes des Songs "Spaceman", der zum Stammrepertoire in Clubs avanciert. In den Staaten und in Europa kann sie sie sich von ihrem Status als Underground-Künstlerin jedoch nicht befreien und gilt dort nach wie vor als Geheimtipp. Dennoch tritt sie 1998 bei Rock Am Ring/Park auf. 1999 ist Bif in einem kleinen Gastauftritt bei "Buffy - Im Bann Der Dämonen" zu sehen. Zum Soundtrack der Serie steuert sie den Song "Lucky" bei. Einen weiteren Auftritt het sie im Film "Lunch With Charles", in dem sie sogar für einen Wimpernschlag lang in der Rolle der Natasha nackt zu sehen ist.
2000 erscheint speziell für den US-Markt eine Neuauflage von "Four Songs And A Poem" unter dem Titel "Another Five Songs And A Poem", auf der auch eine Coverversion des Twisted Sister-Hits "We're Not Gonna Take It" vertreten ist. Mit Dee Sniders Combo verbindet sie eine intensive, wenn auch nicht ganz geschmackvolle Anekdote. 1984 gastieren Iron Maiden und der Opener Twisted Sister in Kanada. Im Publikum: Die kleine Bif samt jüngerer Schwester. Beim Rumposen am Bühnenrand rotzt Dee ausgiebig ins Publikum und trifft die beiden Mädels. Bif hierzu: "Er hat auf mich und meine kleine Schwester gespuckt. Er hat uns getauft, Mann! Ich bin total ausgeflippt und habe mein Gesicht vier Wochen nicht gewaschen".
Ihr Straight Edge Lifestyle hat jedoch auch handfeste gesundheitliche Gründe. Ärzte diagnostizieren eine Herzerweiterung, so dass sie streng auf ihre Ernährung achten muss. Sie steigert sich in einen Gesundheitswahn hinein, der dazu führt, dass sie auf Bildern zu ihrem dritten Album "Purge" aussieht, als habe sie Essstörungen, was sich leider bestätigt. Bei diesem Album arbeitet sie mit zwei der arriviertesten Songschreiber Amerikas zusammen: Eric Bazilian (Joan Osborne, Cindy Lauper) sowie Desmond Child (Bon Jovi, Aerosmith, Alice Cooper, Iggy Pop, Cher).
Die Scheibe erscheint lediglich auf dem amerikanischen Kontinent, in Europa verhindern rechtliche Streitigkeiten, dass sie aus ihrem Vertrag mit Sony heraus kann. Weil die Platte in hiesigen Breiten nicht erscheint, gerät Bif ein wenig in Vergessenheit, fehlende Live-Aktivitäten tun ihr Übriges. Anders sieht es südlich ihrer Heimat aus. Langsam, aber sicher bekommt sie in den USA einen Fuß in die Tür, inklusive eines Guest-Spots in Jay Lenos Show, was einem PR-Ritterschlag gleich kommt. In barer Münze schlägt sich das jedoch nicht nieder, zu unorthodox kommt Bif in den Medien rüber und scheint für die große Masse nicht kompatibel genug. Das gelingt dann einer anderen Kanadierin im Handstreich. Avril Lavigne kommt wie eine bravere Kopie Bifs rüber, ohne Tattoos, mit einem ähnlichen musikalischen Stil und mit einem um ein Vielfaches höherem Marketingbudget gesegnet, streicht sie das ein, wofür Bif vergeblich streitet.
Für den Film "Josie And The Pussycats", einer von Tom Hanks inszenierten Jubelarie auf das gemeine One Hit Wonder, bestreitet sie einen weiteren Gastauftritt und ist auch auf dem dazu gehörigen Soundtrack zu hören. Im Anschluss an "Purge" stehen wieder ausgiebige Touren auf dem Programm, aber bis zu einem neuen Studio-Output dauert es noch ganze vier Jahre. Zwischendrin erscheint 2003 die Doppel-Best Of "The Essential Bif Naked", ehe sie sich dem Songwriting zu ihrem vierten Album widmet.
2005 kommt "Superbeautifulmonster" in Kanada heraus. Europa ist ein halbes Jahr später dran. Alle rechtlichen Strittigkeiten sind beseitigt, so dass die Hübsche endlich auch wieder in unseren Breiten zu sehen ist. Den Anfang machen die Harley Days 2006 in Hamburg, ehe sie Ende September/Anfang Oktober endlich wieder einmal eine komplette Tour durchzieht.
Am 29. September läuten jedoch erst einmal die Hochzeitsglocken. Bif heiratet den Sportjournalisten Ian Walker in einer Kirche im heimischen Vancouver. Das Glück des jungvermählten Paares erhält jedoch bereits kurz darauf einen furchtbaren Dämpfer. Am 6. Januar 2008 lässt sie in einer Radiosendung verlauten, dass bei ihr Brustkrebs diagnostiziert wurde. Bif gibt sich jedoch kämpferisch, nimmt den Kampf auf und stellt sich der Krankheit.
Schon während der Chemotherapie steht sie wieder im Studio und feilt an Songs, die unter dem Namen "The Promise" 2009 erscheinen.
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