Porträt

laut.de-Biographie

Billy F Gibbons

Billy F Gibbons kurbelt die deutsche Wirtschaft an. Ein Münsteraner Gitarrenhersteller verweist stolz darauf: Der ZZ Top-Rocker benutzt seit seinen Soloplatten das Modell Trapezoid, made in Nordrhein-Westfalen. Auch die Duesenberg Senior, eine Sechssaitige aus Hannover, hat es Gibbons angetan.

Billy F Gibbons - Hardware
Billy F Gibbons Hardware
Der ZZ Top-Frontmann zieht das Tempo an.
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Statt deutsches Bier kommt einem bei "Perfectamundo", der ersten Solo-Scheibe 2015, eher kubanischer Rum in den Sinn. Was er jedoch mit den Són-Bestandteilen aus der Karibik vorhatte, bleibt offen: Die verschwimmen in den Arrangements. Hilflos oder besonders geschickt? Der Fusion-Versuch ruft geteilte Kritiken von vernichtend bis himmelhoch jauchzend hervor, das Schweizer Publikum kauft die Platte bis auf Platz zwölf der Album-Charts hoch, und Gibbons, der Solo-Act, ist geboren.

Ein später Karriereabschnitt im Rentenalter, eine neue Künstler-Identität mit 66, why not? Gibbons produziert sich selbst, greift in die Klavier- und Hammond-Orgel-Tasten. The BFG's, seine neuen Mitstreiter, komponieren die lateinamerikanisch angehauchten Stücke mit ihm gemeinsam. Darunter der Texaner Alx Garzza, auch genannt 'Guitarzza', und Billys 'neuer' Bassist, Gary 'G. L.' Moon. Gary ist ein Toningenieur, der ab 1986 mit ZZ auf Tour war und sich in seinen Erinnerungen tief beeindruckt von Billys Arbeitsweise und der ansteckenden Bühnenenergie zeigt. 

"Ich hab' Billy mal gefragt: 'Brauchst du das wirklich, La Grange' noch zu proben?', und er meinte, 'Nein, nicht wirklich, aber ich genieße es echt, so herumzuspielen, und besonders an dem Stück.' (...) Seine Proben beeindrucken mich immer noch, die weltweiten Reisen und die Road Shows sind der Hammer. (...) Wenn die drei Jungs ihren Groove kochen, Nacht für Nacht, Show für Show, Stadt für Stadt und das Publikum diese Bugs unter der Haut bekommt, (...) dann ist unvermeidlich jemand in der dritten Reihe mit einem Banner, auf dem sowas steht wie 'Mom Loves ZZ Top', und dann sind da Drei-Generationen-Grüppchen in der Hinterreihe, Mädchen, bei denen die Schminke im Gesicht verläuft, während sie vor ihren Jungs stehen, die Metallica- und Lynyrd Skynyrd-T-Shirts tragen, und dann siehst du diese Mädchen den Boogie machen, wie sie das selbst noch nie erlebt haben, und, Mann, in solchen Nächten weiß ich, dass meine Arbeit heilig ist."

Was der Tontechniker hier in Gibbons' Autobiographie "Rock + Roll Gearhead" zum Besten gibt, umrahmt das Phänomen Billy F. Gibbons ganz gut. Jeder Song dient natürlich als Aufhänger, eine tolle Stimmung mit den erdigen Sounds zu schaffen. Niemand hat je behauptet, auch Billy selbst nicht, dass er ein großartiger Sänger sei. Aber er ist einer, der sich selbst den Spaß im harten Musikbusiness nie nehmen ließ und immer aufs Essenzielle des Rock'n'Roll zurückkommt: den Leuten ein sensuelles, fleischliches Erlebnis zu bieten, bei dem jeder schwitzt, bei dem jeder sich dem Nebenmann im Konzert nahe fühlt, bei dem das geniale, energetische Gitarrenspiel dieses bärtigen Menschen alle Mitmusiker und jeden im Auditorium ganz klar führt. Nicht umsonst verleiht der Rolling Stone Gibbons die Platzierung als zweiunddreißigst-bester Rock-Gitarrist der Welt.

Die Grundcharakteristika seiner Mucke wirken denkbar simpel. Man nehme stompende, rotzige, imposante Riffs, bluesig grundierte Rock'n'Roll-Vibes und dieses unbestimmbare Südstaaten-Flair, ein Lebensgefühl zwischen lässig und kämpferisch, freiheitlich und doch der Härten des Lebens bewusst, in dem sich am Ende doch oft alles um Geld dreht. Einprägsam, viele Bauteile sowohl in der Musik als auch in den Texten, wiederholen sich im Laufe des langen Musikschaffens.

"'Keep it simple' - das ist mein Mantra", sagt er später gegenüber UDiscover. "Die Idee dahinter ist ja, Musik in einem bewährten Tempo zu spielen (...) Warum ist das so wichtig? Weil Menschen von Dingen angesprochen werden, die vorhersehbar sind, denn wenn es vorhersehbar ist, dann kann man der Sache vertrauen. Und wir alle mögen Dinge, denen wir trauen können und auf die man sich verlassen kann", führt Gibbons im Gespräch mit Gitarre&Bass aus. "Du gehst auf die Tanzfläche, du bist zwar kein guter Tänzer, willst deiner Freundin aber dennoch imponieren, und da ist es absolut hilfreich, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert."

Seine Freundin Ende der 60er übrigens, der musste er nicht imponieren, sondern ihr sein Auto überschreiben. Hartes Geschäft: Er wollte unbedingt eine '59er Gibson Les Paul-Gitarre, war aber nicht liquide. Zu dieser Zeit hatte er schon eine Sammlung an Instrumenten, darunter von Jimi Hendrix, der ihm welche schenkte. Die Les Paul aber war immer die Unvergleichliche. Um sie zu finanzieren, war er dennoch nicht bereit, sich von irgendeinem anderen Modell zu trennen.

Gibbons wächst mit Blues auf, daher die vielen Slide-Momente in seiner Spieltechnik. Als er am 16. Dezember 1949 unter dem Namen Billy Frederick (daher das 'F') in Texas zur Welt kommt, ist Elvis gerade 14. Die Geburtsstunde des Rock'n'Roll erlebt der damals noch bartfreie Steppke im Vorschulalter. Eigene Gitarren lassen den Funken überspringen, die erste war ein Weihnachtsgeschenk. Das Instrument bestimmt fortan sein Leben.

Neben seinen weiteren Talenten an anderen Gerätschaften und in seiner Gesangsrolle bleibt Gibbons immer, wenn er nicht gerade mit ZZ Top fünf Jahrzehnte lang dauertourt, ein gefragter Studiogitarrist für einen Haufen Leute. Oder er tritt im Fernsehen auf, entweder zusammen mit ZZ Top in Cameo-Auftritten, oder alleine in sporadischen Nebenrollen. So zeigt er sich ab 2005, Staffel sieben, Episode fünf, in "Bones - Die Knochenjägerin". Gibbons mimt in der Krimiserie über Morde, Leichen und Knochenfunde den Vater einer Ermittlerin.

Die gigantischen Dollar-Massen, die Gibbons alleine schon mit der Firma ZZ Top verdient, fließen großenteils in seinen Fuhrpark. Knallrotes Lamborghini-Cabrio, schwarzer Cadillac Coupé-Oldtimer, ein getuneter Ford von 1932, ein orangemetallic-farbener italienischer Sportwagen, designt von Versace, passend zu den mitunter orangefarbenen Brillengläsern. Auch hier, in den Sounds der alten Karren, findet der Rock-Löwe Inspiration für den Amplifier-triefenden Widerhall seiner Songs. "", demonstriert der Musiker der Autozeitung am Beispiel seines Cadillacs Baujahr 1961 "(...) der Motor hat rund 600 PS.

Frisches Geld spült die breite Palette an Merch-Artikeln sicher und zuverlässig rein: Bierflaschenkühler, zugehöriger Flaschenöffner aus Edelstahl, limitiertes Vinyl in ausgefallenen Farben ... komisch, dass Hut und Sonnenbrille mit Gibbons-Schriftzug noch nicht erhältlich sind.

Damit dem Gitarrero nicht langweilig wird, dehnt er die Südstaaten 2015 geographisch auf Kuba aus. 2018 reist er dann auf der Zeitachse historisch zu solch altem Blues, wie Muddy Waters ihn spielte. Dass beide Platten doch irgendwie nach ZZ Top klingen und dass die zitierten Musikeinflüsse etwas unentschlossen und verwaschen aus den für Gibbons Stimme zu langsamen Songs herausblitzen, ändert nichts an ihrer Relevanz: Das Publikum nimmt beide Longplayer dankend an, und es  regnet viel Kritiker-Lob für Gibbons' Emanzipation vom ZZ Top-Kosmos. Seine Soloplatten erinnern ein bisschen an Bill Wyman's Rhythm Kings oder Clapton mit JJ Cale, Cooders Kollabos, eben daran, Rockmusik auf Mainstream-Level tiefer an die Ursprünge heranzuführen.

2020 zieht es Billy F in ein Aufnahmestudio mitten in der Wüste, die Escape Studios, "ein surrealer, überwältigender Ort mitten im Nirgendwo", wie er gegenüber dem Blog seiner neuen Plattenfirma Universal sagt. "Die Wüste verändert dich und du kannst nichts dagegen tun. Du kannst natürlich Bücher über die Wüste lesen oder dir Fotos ansehen, ehe du sie betrittst, aber das kommt der Realität nicht einmal ansatzweise nahe. Diesen mystischen Ort zu betreten, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Wenn du von nichts umgeben bist, kannst du leicht etwas Neues beginnen (...) Jeder neue Tag begann mit einem leeren Blatt Papier und einem Stift. Die Wüste (...) machte jeden Aufnahmetag zu etwas Magischem." Mit dabei: Matt Sorum, der schon für Guns'n'Roses trommelte. Heraus kommt das stimmungsvolle und straighte Album "Hardware".

Alben

Billy F Gibbons - Hardware: Album-Cover
  • Leserwertung: 5 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2021 Hardware

Kritik von Philipp Kause

Der ZZ Top-Frontmann zieht das Tempo an. (0 Kommentare)

ZZ Top - Goin' 50: Album-Cover
  • Leserwertung: 5 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2019 Goin' 50

Kritik von Ulf Kubanke

Superbe Werkschau vom Blues zum Smash-Hit und zurück. (0 Kommentare)

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