laut.de-Kritik
Zwischen Rockerbande und Hippiekommune.
Review von Yan TemminghoffWie Danko Jones etablierte sich Ricky Warwick in der Nachfolge von Thin Lizzy, Motörhead und AC/DC als Rock'n'Roll-Generation jüngeren Datums. Mittlerweile gehört Warwick ebenfalls zum alten Eisen und legt als Solo-Künsrler sowie als Bandleader eine Arbeitermentalität an den Tag, als hätte er ein Haus abzubezahlen, drei Kinder zu ernähren sowie die Alten zu pflegen.
Warwick gibt immer alles, ob als Nostalgie-Export der alten Lizzy-Klassiker im Rahmen der Rock meets Classic-Konzertreihe oder mit seiner Stammformation. Der ehemalige Thin Lizzy-Frontmann etablierte in den vergangenen zehn Jahren die Black Star Riders.
Das prominente und von reichlich Rock-Erfahrung gezeichnete Gesicht von Scott Gorham ist mittlerweile von den Bandfotos gewichen. Auch Warwicks Six String-Sidekick Christian Martucci, neben den Riders noch bei Stone Sour aktiv, entschied sich gänzlich für Corey Taylor und quittierte seinen Dienst. Dadurch dass der 56-jährige Warwick einen Großteil der Songwriting-Last schultert und nicht nur für den Sound, sondern die Außendarstellung geradesteht, ändert sich an der musikalischen Marschroute aber erstaunlich wenig.
Gorhams Geist, der besonders aus den Gitarrenharmonien spricht, und Lynotts Segen hieven auch "Wrong Side Of Paradise" auf den Sockel eines guten Hardrock-Albums in der Machart der späten Siebziger. Sonnenbebrillt und bärbeißig steigt das Quartett mit dem Titelstück in die Songkollektion ein. Der Nordire Warwick, dessen Kindheit aufgrund des Bürgerkriegs konfliktgeprägt gewesen ist, prangert heutige Missstände an wie die Diskrepanz zwischen arm und reich, kriegerische Konflikte und die Folgen des Klimawandels.
Der Mensch als politisches Wesen, das fähig ist, Perspektiven zu entwickeln und Entscheidungen folgen zu lassen, erstarrt viel zu oft in gewohnten Prägungen und macht damit der Bezeichnung als Gewohnheitstier alle Ehre. Hierzu passt der Titel des Closers: "This Life Will Be The Death Of Me". In der Folge präsentiert Warwick seine Vision einer besseren Welt, die irgendwo zwischen Rockerbande und Hippiekommune anzusiedeln ist. Das beschwingte "Hustle" verzückt mit verhuschten weiblichen Backings sowie Harp-Einwürfen und "Better Than Saturday Night" kommt mit reichlich Schwips daher.
In "Riding Out The Storm" schwört der transzendierte Trinker dem Teufel Alkohol ab. Nach dem starken Quartett zu Beginn flacht die Party nicht ab. Four On The Floor heißt es bei "Pay Dirt", einem Track, der in den Achtzigern die Kassen zum Klingen gebracht hätte. In eine ähnlich Kerbe schlagen der Singalong "Catch Yourself On" und die Hymne "Don't Let The World".
Das im Midtempo gehaltene "Crazy Horses" trabt gemütlich ins Ziel und verzückt mit Morello-mäßigem Gewieher. "Burning Rome" ist mit den Worten Britpop und Feuerzeug hinreichend beschrieben. "Green And Troubled Land" ist hingegen kein Song über die Politik von Robert Habeck und Annalena Baerbock, sondern eine Hommage an das Stehaufmännchen. Die Produktion ist modern und rotzig zugleich. Man könnte auch sagen: Slime On You Crazy Diamond.
Wie Klaus "stabile Seitenlage" singen würde: Das ist tausend mal gehört, aber auch besser als das Gros der Genre-Kollegen. Unterm Strich steht ein Album voller Fleißpunkte, das gekonnt die gesellschafltichen Turbulenzen auf die Schienen des Good Ol' Rock'n'Roll-Train aufgleist und zudem in Vinyl-Spielzeit gehalten ist.
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