laut.de-Biographie
Blood Brothers
Wer beim Musikhören einen saftigen Schuss Eingängigkeit braucht, kann diesen fünf Blutsbrüdern aus Seattle sofort den Rücken zukehren. Wirr und konfus brettern sie atemberaubend durch eine Hardcore-Attacke nach der nächsten und lassen dabei keinen Stein auf dem anderen. Ohne leidige Bier- und Haudruff-Attitüde schieben sie sich in eine fast schon künstlerische Nische und rocken trotzdem heftig.
Fast alle Brüder kennen sich aus der High School in Seattle. Zusammen besuchen sie Punk-Konzerte und gründen 1997 noch zu Schultagen die Blood Brothers. Der Sound steht schnell fest: hart, schnell und vor allem aggressiv soll er sein. Einen besonderen Grund dafür, so wütend zu sein, gibt es nicht. Es geht nur darum, Aggressionen herauszulassen. Mehr als Lust auf hastige Musik braucht es dazu nicht.
Johnny Whitney versucht sich damals noch an der zweiten Gitarre, mangels Talent verbannt man ihn jedoch an das zweite Mikro. Mit den beiden Sängern Jordan Blilie und Whitney, dem Gitarristen Cody Votalato, Basser Morgan Henderson und Drummer Mark Gajadhar ist die perfekte Wutausbruch-Kombination gefunden, die bis heute hält. Drei Jahre - durch Schule und Job im Proben eingeschränkt - brauchen die Jungspunde, bis 2000 ihre erste Platte "This Adultery Is Ripe" erscheint.
Ein Jahr später veröffentlichen sie den Nachfolger "March On Electric Children", der sich in Sachen Rohheit und völlig durchgeknalltem Sound nicht vor dem Debüt verstecken muss. Allerdings nimmt die Bedeutung der Texte mehr und mehr zu. Das Zweitwerk versteht sich als Konzept-Album, auf dem die Geschichten mehrerer Charaktere, deren Leben einzig und allein aus Oberflächlichkeiten und materiellen Wünschen besteht, chronologisch abgehandelt werden.
Top-Produzent Ross Robinson wird auf die Band aufmerksam. Nach ersten Berührungsängsten auf Grund seiner vorherigen Machenschaften (Limp Bizkit, Korn oder Slipknot) unterschreiben die Jungs aus Seattle dann doch bei seinem Label I Am Recordings. Der gute Ross hat ja auch das Vermächtnis einer Band namens At The Drive-In produziert, mit dem sich die Blood Brothers ihrem Sound nach zu urteilen wohl mehr als anfreunden können.
Dank Robinsons Unterstützung kann sich die Band das erste Mal nur auf ihre Musik konzentrieren und feilt mehrere Monate an "Burn Piano Island, Burn". Es entsteht ein Killer, der auf Feinheiten im Krach-Getümmel achtet und sich geschickt einer ohne Zweifel vorhanden Catchyness verweigert. So bleibt der Sound selbst nach Dutzenden Hördurchläufen interessant. Dies ist wohl nicht zuletzt der dicken Produktion zu verdanken.
Mit ihrem dritten Album gelingt den Blood Brothers dann ein kleiner Durchbruch und sie werden schnell zu den Erben von Refused oder At The Drive-In erkoren. Nach einer Tour mit den Labelmates Glassjaw geht es mit den großartigen Pretty Girls Make Graves aus ihrer Heimatstadt auf Europa-Tournee.
Im Januar 2005 erscheint das mittlerweile vierte Album "Crimes" mit unerwartet poppigen Zügen. Unter den Fittichen von Producer John Goodmanson (der u.a. mit Sleater Kinney und Blonde Redhead zusammengearbeitet hat) bleibt im Blood Brothers-Kosmos natürlich noch immer genug Raum, um dem Wahnsinn freien Lauf zu lassen. Im Frühjahr geht die Band - auch in Deutschland - auf Tour. "Young Machetes" setzt den Kreuzzug in Popgefilde im Folgejahr konsequent fort - ohne die Emphase in den brachialeren Momenten außen vor zu lassen.
2007 steht hingegen unter keinem allzu guten Stern in Blood Brothers-Dingen: Erst wird der US-Arm ihres Labels V2 fast komplett weggekürzt, so dass Whitney, Blilie und Co. plötzlich ohne Plattenvertrag dastehen. Nach Monaten verdächtiger Ruhe sorgt dann im Oktober ein Satz im Forum des Labels ThreeOneG für Verzagen bei den Fans. Justin Pearson, seines Zeichens Mitglied bei den Trash-Core-Combos The Locust, Some Girls und Head Wound City (wo wiederum Cody Votolato und Jordan Blilie mitmischen), verkündigt da ganz lapidar: "The Blood Bros broke up."
Einige Tage darauf äußert sich das US-Management der Band zur Auflöse-Meldung. "Sie nehmen derzeit eine Auszeit bis zum Ende des Jahres und werden erst nächstes Jahr endgültige Entscheidungen treffen oder Ankündigungen machen." Keine guten Nachrichten für das Nervenkostüm der Anhänger - aber immerhin eine Vorwarnung. Denn der offizielle Schlussstrich folgt.
Das Statement: "After ten years of making music as The Blood Brothers, we have made the collective decision that our time together has come to an end. We feel extremely fortunate to have spent such a deeply memorable and amazing part of our lives with each other. At this point, however, we feel it's best that our futures move forward on separate paths." Wie heißt es noch? Man soll gehen, wenn's am schönsten ist.
Sieben Jahre später stehen die Blood Brothers für eine handvoll Livegigs plötzlich wieder auf der Bühne - nicht mehr als ein Strohfeuer. Erst 2024, zehn Jahre später, rauft man sich für eine größere Live-Reunion zusammen. Zudem legt man das vierte Album "Crimes" neu auf. More to come?
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