laut.de-Kritik
Noiserock zwischen Industrie und Zen.
Review von Kilian SteinhartCandelilla beherrschen die Kunst, intensive Bilder hervorzurufen: Auf dem dritten Album der Münchener rauchen Kamine, flimmern schwarz–weiß-Aufnahmen und tauchen Roboter mit abgehackten Bewegungen vor dem inneren Auge auf.
"Camping" passt perfekt in die Zeit der Post-Industrialisierung: Einer Welt aus Terra-Bytes und Clouds stellen sie mit ihrem Post-Punk-Entwurf Musik entgegen, die den Mensch in einer digitalen Welt thematisiert.
Dafür reiben sich im Video zu "Intimität" Körper wild aneinander, der enervierende Groove verstärkt die Intensität noch. Beim Opener "Augen" überfällt einen innere Unruhe. Eine Gitarre schreit, die Luft scheint zu flirren. Ein Beginn, der wahrlich keine Stimme braucht!
Die Songs der Platte provozieren, etwa im Zweiteiler "Ruhig Draußen" und "Atmen". Mit minimalen textlichen Mitteln geht Sängerin Mira Mann vor: "Ich mag deinen Körper." Um gleich zu relativieren: "Er hat eine schöne Oberfläche". Die musikalische Reduktion öffnet dabei erst Räume, nur um danach gegen eine imaginäre Wand zu knallen.
Das zerrt an den Nerven. Plötzlich zucken die Muskeln, panische Angst macht sich breit ("Hand"). "33 Muskeln, 27 Sehnen". Mira beschreibt lapidar die menschliche Anatomie und macht den eigenen Körper erfahrbar - in dem wir übriges, wie es Ja, Panik Sänger Andreas Spechtl im Begleittext zur Platte ausdrückt, "campen".
In der Vorabsingle "Intimität" rotzt die Band die Lyrics in bester Cut-Up-Manier und wie zufällig vor den Latz: auch eine Version von Spoken-Word. "Wüste" kriecht langsam dahin und zieht am Ende in einen düsteren Strudel hinab.
Candelilla reißen mit kühlem Ton tiefe Wunden. Die Münchner malen traurige, dunkle Bilder, die den Verlust des Körperlichen anprangern. Ihre Musik schwebt dabei irgendwo zwischen Industrie und Zen. Selten klang deutscher Noise-Rock lässiger und sperriger zugleich.
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