laut.de-Kritik
Vom Provinzhaufen zum talentierten und schlecht gekleideten Global Player.
Review von Giuliano BenassiIn der ersten Hälfte der 80er Jahre gab es unter Heranwachsenden in Italien zwei Fraktionen: Duran Duran-Liebhaber und jene, meist männliche Zeitgenossen, die Duran Duran hassten. Zumindest offiziell. Denn die meisten Verschmäher, die Iron Maiden, Motörhead und die noch als Geheimtipp geltenden Metallica hörten, verarschten zwar die Frisuren und die ollen Klamotten der Jungs aus Birmingham, fanden die Musik im großen Ganzen aber ganz okay.
Kein Wunder: Mit "Save A Prayer" ließ sich so gut wie jedes Mädel rumkriegen, während "Girls On Film" und "The Chauffeur" vorzügliche Videos boten. Und spätestens mit "Wild Boys" war auch so etwas wie ein Mitgröllied vorhanden. Das war 1984.
Zwei Jahre zuvor erschien das Album "Rio", das Duran Duran von einem talentierten, schlecht gekleideten Haufen aus der Provinz zu einem talentierten, schlecht gekleideten Global Player machte. Ihr Zweitling hielt sich satte 129 Wochen in den US-Top 100 und verschaffte ihnen ungeheure Popularität. Auch in Italien, wo sich mehrere Jahre lang alles nur noch um die Band drehte. "Ich werde Simon Le Bon heiraten", lautete der Titel eines erfolgreichen Kinofilms.
Gründe genug, die Platte in die Reihe "Classic Recordings" aufzunehmen. In gewohnter Manier kommen die wichtigsten Beteiligten zu Wort und versuchen, die Besonderheiten hervorzuheben bzw. den Erfolg des Albums zu erklären. In diesem Fall sind es Simon Le Bon (Gesang), Nick Rhodes (Keyboards), John Taylor (Bass) und Roger Taylor (Schlagzeug). Gitarrist Andy Taylor ist nach seinem zweiten und wohl definitiven Abgang leider nicht mit von der Partie.
Die erste Erkenntnis: Die ehemaligen Teeniestars haben sich erstaunlich gut gehalten. Was auch am schummrigen Studiolicht liegen mag. Le Bon trägt wie gewohnt Anzug und Rhodes blondierte Haare, während sich die Taylors eher als Rocker zu geben versuchen. Grundbrechend Neues bringen sie nicht zu Protokoll, aber die ein oder andere nette Anekdote ist dabei.
Beispielsweise, dass der Text zu "The Chaffeur" in Israel und der Beginn von "Save A Prayer" beim Rumfrickeln an einem neuen Synthie entstanden. Oder dass Dandy Rhodes eines Tages in voller Ledermontur in der Hitze Sri Lankas landete und erwartete, dass ihn eine Limousine in sein Luxushotel fahren würde. Es folgten fünf Stunden in einem Pick up-Truck über staubige Pisten.
Neben den Bandmitgliedern kommen auch Bob Geldof und der damalige Chef von MTV zu Wort. Beide heben die Wichtigkeit eines Mediums hervor, das damals noch in den Kinderschuhen steckte: Das Musikvideo. Mit drei Clips, in nur sieben Tagen in tropischer Hitze entstanden, eröffneten Duran Duran ein neues Zeitalter.
"Der Dreh hat soviel gekostet, wie J.Lo in einem Jahr für ihren Friseur ausgibt", stellt Rhodes in einem Zusatzinterview süffisant fest. Sicher ist, dass die Band dem Musikfernsehen auf die Sprünge geholfen hat – und umgekehrt.
Doch auch ohne visuelle Begleitung sind einige Stücke des Albums noch hörenswert. "Save A Prayer" zieht nach wie vor in seinen Bann, und auch die morbide Stimmung von "The Chauffeur" bleibt für eine Popband, die auf die Charts schielte, ungewöhnlich. Schade nur, dass die fünf "Live Songs from Boston" nicht aus den 80er Jahren stammen, sondern während der Aufnahme zur Dokumentation entstanden sind, zudem in einem Studio ohne Publikum.
20 Jahre später lässt sich diplomatisch feststellen: Duran Duran sind eine ordentlichen Band, und "Rio" ist eine ordentliche Platte. Oder, wie Geldof feststellt: "It's a fucking killer second album". Aber rocken wie Iron Maiden, Motörhead und die mittlerweile sehr bekannten Metallica – das gelingt ihnen noch immer nicht.
2 Kommentare
"The Chauffeur" ist großes Kino!
Ich stand mal total auf Duran Duran. Doch dann kam Rage.