laut.de-Biographie
Evelyn Künneke
Evelyn Künneke sah sich gern als "heißeste Oma Deutschlands." Zusammen mit den ebenfalls in die Jahre gekommenen Diven Helen Vita und Brigitte Mira sang und tanzte sie bis zu ihrem Tod im Jahre 2001 in der ständig ausverkauften Berliner Revue "Drei Alte Schachteln". Die letzten Überlebenden der Lili Marleen-Generation warben für sich selbst mit dem Spruch: "Was wollt ihr mit drei knödelnden Tenören, hier habt ihr drei echte Berliner Gören".
Am 15. Dezember 1921 kommt Eva Susanne Künneke in Berlin zur Welt. Als Tochter des berühmten Operettenkomponisten Eduard Künneke (1885-1953) kämpft sie annähernd ihr ganzes Leben gegen die künstlerische Übermacht ihres Vaters. Bereits in den 30er Jahren avanciert Evelyn Künneke zum Star der Berliner Cabaret- und Varieté-Szene. Unter ihrem Pseudonym Evelyn King ist sie der Stepptanz-Star im Berliner Scala. In dieser Rolle gefällt sie bis Ende der 30er Jahre sogar Adolf Hitler. Danach erscheint ihre Kunst als zu international. Aus der gefeierten Stepptänzerin Evelyn King wird dank des verhängten Berufsverbots 1939 wieder Evelyn Künneke.
1941 wird sie als Sängerin entdeckt, als ihre Version des Lili Marleen-Songs "Sing, Nachtigall, Sing" zum Traum aller Landser gedeiht. Deshalb gebührt ihr die zweifelhafte Ehre, zur Stärkung der Moral in den Frontgebieten die deutschen Truppen bei Laune zu halten. Wegen undeutscher Äußerungen zur Kriegslage wird sie 1942 jedoch in die Todeszelle des Berliner Gefängnisses Tegel verfrachtet.
"My Guy's Come Back" von Ella Fitzgeraldbefreit sie schließlich kurz vor Kriegsende aus den Klauen der Gestapo. Ihr swingender Gesangsstil gilt plötzlich als kriegswichtig, da die Wehrmachtssender für ihre Feindbild-Propaganda händeringend nach anti-amerikanischen Hits fahnden. Zusammen mit dem geheimen Propaganda-Orchester "Charlie & His Orchestra" soll sie entsprechend anti-amerikanisierte Swing-Titel einspielen. Dazu kommt es aber aufgrund des Zusammenbruchs des NS-Regimes nicht mehr.
Bereits 19 Tage nach Kriegsende beginnt sie in Berlin 'echte' Swing-Musik zu spielen. Als fester Bestandteil der musikalischen Nachkriegsära führt ihre Kunst sie zunächst nach Hamburg, später auch nach Frankfurt, Wien und Paris, wo sie Frank Sinatra kennen und lieben lernt. Bis in die frühen 50er bewegt sie sich frei zwischen den Metropolen, ihr Herz schlägt allerdings für Wien, wo sie mit den Jazzern des Hot Club Vienna und Hans Koller viele Aufnahmen macht.
In den 50ern gewinnt der typische Wirtschaftswunder-Schlager in ihrem Repertoire die Oberhand. Ihr Hit "Allerdings sprach die Sphinx" erhält aufgrund textlicher Zweideutigkeiten Sendeverbot, was schon damals die Verkaufszahlen ankurbelt und massenhaften Erfolg garantiert. Die Frage nach dem "Dings" (das sich auf Sphinx reimt) ist bis heute nicht eindeutig geklärt!
In den 60ern wird es stiller um Evelyn Künneke. Ein erfolgreiches Comeback schafft sie erst in den 70ern, als sie Anschluss an die Filmemacherszene um Rainer Werner Fassbinder und Rosa von Praunheim findet. Die große Zeit ihrer Karriere liegt aber definitiv in den 30er, 40er und 50er Jahren mit Hits wie "Winke, Winke", "Mein altes Koffergrammophon", "Barbara, Barbara, komm mit mir nach Afrika" und "Sing, Nachtigall, sing ein Lied aus alten Zeiten".
Trotzdem wird Evelyn Künneke nicht müde, sich zeitlebens ihrer s(w)ingenden Leidenschaft zu widmen. Als 'der Zirkusgaul, der trabt und trottet, bis er umfällt' spielt sie in der deutschen Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts eine herausragende Rolle. Am 28. April 2001 stirbt Evelyn Künneke im Alter von 79 Jahren an einem Krebsleiden in ihrer Heimatstadt Berlin. Bis zu ihrem Tod erfreut die 'tolle Tante aus der Tingeltangelschau' alle Lili Marleen-begeisterten Generationen.
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