laut.de-Biographie
Iglooghost
Iglooghost hat nicht den Anspruch, sich als maschineller Dämon zu inszenieren wie sein offensichtliches Vorbild Aphex Twin. Er lässt sich ablichten, er lässt sich interviewen und wirkt dabei einfach nur wie ein recht normaler englischer Lad, der zufällig ein absolut intensives Nischeninteresse an digitaler Musikproduktion mitbringt. Und seine Antworten sind so verkopft und absurd, dass er hinter seiner Normalität doch wieder wie der letzte Sonderling rüberkommt.
Aber man muss wahrlich keine Interviews lesen, um auf den Trichter zu kommen, dass sich hinter dieser Musik ein absoluter Sonderling befindet. Das würde jeder spüren, der 2014 die Limited Edition seines Debütalbums "Treetunnels" hört. Der Junge hat einen Esprit und einen Stil, der zwar definitiv Referenzen zu anderen coolen komplexen Electro-Artists wachrüttelt, aber sich doch auch mit niemandem vergleichen lässt.
Das findet auch Electro-Jazz-Legende Flying Lotus, der ihn nach dieser ersten Kostprobe direkt auf sein Brainfeeder-Label neben Artist wie Thundercat oder Mr. Oizo signt: Hohe Ansprüche für einen Typen, den quasi keiner kennt. Seine erste EP "Chinese Nü Yr" liefert, und sein Album "Neo Wax Bloom" wird so etwas wie ein sofortiger Internetklassiker. Vielleicht ist es das süß-absurde Cover, wahrscheinlicher ist es aber auch einfach die quicklebendige, absurde, grotesk detailverliebte Musik, die ihn sofort von der Masse abhebt.
Hier muss man einlenken und den Stil ein bisschen genauer beschreiben. Wenn nämlich ein Wort aus seiner Selbstzuschreibung hängen bleibt, dann seine Idee, dass er ein Weltenarchitekt mit seiner Musik ist. Jedes Jahr fixiert er sich auf eine andere Stimmung, hat so etwas wie die Fantasy-Karte eines neuen Romans im Hinterkopf und sammelt digitale Zeichnungen, Entwürfe und Soundskizzen, die auf diese Karte passen könnten. "Neo Wax Bloom" muss dann gar keinen Romanplot mehr erzählen: Es macht, was jeder Sci-Fi- oder Fantasy-Fan sich schon immer gewünscht hätte und erlaubt, dass man sich affektiv einfach für eine ganze Stunde nur in einer implizierten Landkarte aufhalten kann.
Die Kollabo mit Flying Lotus ist ein paar Eps später tatsächlich schon zu Ende, Iglooghost will sein eigenes Ding machen, komische Kollabos mit Kinderchören starten, digitale Schnitzeljagden organisieren oder eine komplett verstrahlte Website programmieren. Ja, er spielt Gigs, ja, er bringt weiter Eps und Projekte heraus. Mit Kai Whiston und Babii gibt es die Kollabo "XYZ", 2021 kommt das Album "Lei Line Eon" über sein eigenes Album Gloo heraus.
Aber so richtig großflächige Aufmerksamkeit gibt es erst nach der Pandemie wieder, als die ganze Welt ein bisschen Leben und ein bisschen Dancefloor-Oddity brauchen kann. Und wo die Welt einen Iglooghost am dringendsten braucht, da ... erscheint er mit leichter Verzögerung. 2024 kommt "Tidal Memory Exo" und erfindet seinen Sound und seine Stimmung noch einmal ganz neu. Auch Iglooghost hat eine ganze Menge Apokalypse getankt. Was kommt heraus? Die gleiche Wuseligkeit, nur mit einem Hauch von Naturgewalt. Die Intensität, das handwerkliche Können und die Stimmung machen aber klar: Die Electronica-Welt wird weiter hinhören, welche Karten dieser Lad noch so zeichnen wird.
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