28. Oktober 2019

"Bei Metalheads schlägt noch das Sammlerherz"

Interview geführt von

Die Fünfer-Crew Lacuna Coil hat sich trotz italienischer Songs schon bis zum kanadischen Publikum vorgespielt. Im November und Dezember tourt die Gruppe zusammen mit den Schweizer Folk-Metallern Eluveitie und der moldawischen Gruppe Infected Rain. 13 Gigs im deutschsprachigen Raum stehen zwischen Hamburg, Zürich und Dornbirn auf dem Plan.

Die musikalische Rezeptur des Quintetts, dessen Name übersetzt 'leere Spirale' bedeutet, speist sich aus Crossover und Nu Metal, Gothic Rock, Symphonic Metal, Doom und Death Metal und lässt sich unter dem Schlagwort Alternative Metal grob einsortieren.

Die Gitarristen wechselten in den letzten Jahren. Marco Coti Zelati, Bassist, Keyboarder und Komponist der Gruppe, übernimmt im Studio die Lead Guitar häufiger wieder selbst. Kennzeichnend für Lacuna Coil ist der Doppel-Lead-Gesang von Frau und Mann, Cristina Scabbia und Andrea Ferro. 20 Jahre nach ihrem Debüt und anlässlich ihres elften Albums "Black Anima" telefonieren wir mit den beiden zum Thema Geschlechterverteilung im Musikbusiness.

Ihr habt schon einen langen Tag hinter euch. Wie geht's euch, wo in Berlin 'treffe' ich euch gerade an?

Cristina: Es ist ein wunderschöner, sehr schöner Tag, und wir sind in einem Studio innerhalb des Hotels in Berlin. Schöne Aussicht, alles toll.

Andrea: Wir sind hier genau in der Mitte zwischen "Ost" und "West". Genau dort, wo die Trennung war.

"Black Anima" erscheint zwischen dem 'Tag der deutschen Einheit' am 3. Oktober und dem 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November, zwei historische Daten. Was mich zur Single "Layers Of Time" bringt: Was bedeutet 'Time' für euch?

Cristina: Der Song selbst spricht über den Fakt, dass Leben sich in Kapitel unterteilt, daher "Layers", denn jeder Abschnitt deines Lebens zeichnet sich durch verschiedene prägende Erfahrungen aus. Und diese verändern dich. Und das fügt eine neue "Linie" hinzu - oder: eine neue Schicht, wie einen Jahresring bei einem Baumstamm.

Im Allgemeinen ist Zeit für uns etwas Wertvolles. Wir sind an dem Punkt, dass wir für geraume Zeit, ziemlich lange, im Musikbusiness sind. Wir sind keine 20 mehr, weißt du. Naja, wir haben "gute" und auch viele "schlechte" Momente, die dem "Wachsen" als Persönlichkeiten geschuldet sind. Wir nehmen wahr, dass wir aus jeder Sekunde das Beste herausholen müssen und uns vor allem nicht auf die Vergangenheit fokussieren brauchen. Was geschehen ist, kann nicht re-analysiert werden, denn es gibt keine Möglichkeit, die Zeit zurückzuholen. Wenn man also irgendwas bedauert, ist es an der Zeit, solche Gedanken wegzuwerfen und nicht mehr darüber zu grübeln, denn: Du musst die Gegenwart erleben und auf die Zukunft schauen!

"Je ne regrette rien", Edith Piaf?

Cristina: Ja, es gibt keinen Punkt, an dem man sinnvoll ansetzen kann, die Vergangenheit zu analysieren. Denn diese wird sowieso nicht mehr verschwinden. Und wir werden nichts mehr daran tun können. Wir ändern nichts am Geschehenen.

Andrea: Als wir den Song schrieben, mochten wir sehr den Umstand, dass er verschiedene verfügbare Stile porträtierte, einen Querschnitt zeichnete. Wir wählten den Song als erste Single aus, weil er unseren neuen 'Vibe' repräsentierte und die Schwere des Sounds, aber auch epischere Parts enthält, die sich nach dem zweiten Refrain von Cristina ausbreiten. Es war also eine Kombination daraus, Lyrics zu schreiben, die zu den Themen passen, aber zugleich auch die Songs zu finden, die der Platte ihren 'Vibe' des 'Loslegens' geben.

Repräsentiert der Song wirklich das doch ziemlich vielfältige Album? Es entwickelt sich sehr unterschiedlich in Bezug auf den Sound und die Masterings.

Andrea: Naja, nein, du hast Recht, wir mussten einen Kompromiss finden. "Reckless" ist dann sehr andersartig zu "Layers Of Time". Aber es war etwas, das heavy klingt und zugleich etwas von der Atmosphäre der Vergangenheit einschließt.

Cristina: Ja, es war ein Weg, einen angenehmen Zugang zu der Platte zu finden, weil ... Ich erinnere mich, dass wir mit einem Song, "House Of Shame" (Anm.: auf "Delirium") herauskamen, der sehr überraschend war, sich sehr von unserem Stil abhob. Und dieses Mal entschieden wir uns zu sagen: Wir bringen eine Platte raus, auf der jeder Song stilistisch eigen ist. Also starten wir jetzt mit einem Song, den man als vertraut empfindet, oder der dem näher kommt, was als Idee von 'Lacuna Coil' in den Köpfen steckt. Danach werden wir euch dann schocken, mit was anderem, aber erst später.

Es ist immer schwierig, die erste Auskopplung zu machen. Wir fokussieren uns auch nicht auf Singles. Wir vertreten den altmodischen Standpunkt, dass wir eine Platte als Ganzes herausbringen wollen, die man sich dann als Einheit reinzieht.

Die Leute kaufen ja viel weniger Alben. Oder erst, nachdem sie im Internet waren. Es wird viel mehr gestreamt.

Andrea: Natürlich hängt das vom Genre ab und haben wir im Metal das Glück, dass es eines der wenigen Genres ist, in dem man Platten wirklich noch verkauft. Special Versions, Vinyl, das funktioniert, weil es das Publikum in den physischen Formaten supportet. Verglichen mit anderen Genres.

Aber auch da ist es wichtig, dass wir etwas 'Besonderes' anbieten, etwas Einzigartiges. Dass es das Sammlerherz anspricht, diesen Vibe hat. Und wir sind sehr froh, dass Metalheads in diesem Stile denken – weil wir auch mit Langspielplatten aufwuchsen.

Somit ist das etwas, das wir bis heute lieben und wertschätzen, wir hören das über Vinyl und nicht irgendwie als Einzelsongs, im Sinne von hier und da mal einen Song pro Woche. Sondern wir hören Alben als Gesamtheit an.

Spürt ihr das auch bei euren Fans, dass sie das physische Vinyl mögen und am Merch-Stand die CD signiert haben wollen?

Cristina: Absolut, ja. Und viele sind auch aufgeregt, weil wir eine Special Edition rausbringen. Das mögen wir auch, wir mögen die Regular Version, und dann kannst du im Unterschied dazu mit einer Limited Special Edition etwas bringen, was einmalig und "für immer" ist, was einen Zusatzwert darstellt.

Was sehr cool ist: Es gibt dazu ein kleines Fotobuch, mit einer Hülle, die wir selbst gestaltet haben. Mit der Hilfe eines amerikanischen Künstlers, Mikah Ulrich. Der auch zum Artwork, zum Booklet beigetragen hat. Das ist sehr künstlerisch. Schreibt sich wie Lars Ulrich, der Drummer von Metallica.

Der ist Grafikdesigner?

Cristina: Er macht fantastische Zeichnungen, und ich denke, dass er in der Vergangenheit etwas klassischer gearbeitet hat – denn hier ist es nun so, da sind Tarotkarten mit Namen drin, zu jedem Song eine, und jeder Song ist verknüpft mit einem anderen, und so spiegelt sich das auch visuell im Verhältnis zwischen den Spielkarten.

Und ihr habt auch drei Bonus Tracks: "Black Feather", "Through The Flames", "Black Dried Apart". Was könnt ihr darüber sagen?

Andrea: Diese Songs bringen mehr die Doomy, Gothic-artige Seite unseres Metal wieder hervor, die wir früher verfolgt haben. "Through The Flames" ist ein sehr langsamer, atmosphärischer Song, sehr intensiv. Mit Lyrics, die fast davon sprechen, dass jemand so wie bei einer Hexenverbrennung verbrennt. Wir bezogen unsere Inspiration da aus der Vorstellung, dass jemand in eine verbale Konfrontation mit jemand anders gerät. Da gibt es eine Parallele zwischen der Beziehungsebene und dem Umstand, dass die Person dich versucht zu 'verbrennen', auszubrennen auf eine Art. Die anderen beiden, "Black Feather" und "Black Dried Apart" sind eher mittelschnelle Stücke, die mehr entlang der 'Adern' des restlichen Albums fließen.

Cristina: "Black Feathers" stellt eine Parallele her zu Federn, die im Wind fliegen. Du siehst sie reisen, und du weißt nicht, wo die Federn niederfallen. Da ist eine Parallele zwischen der Bewegung und den Entscheidungen, die Menschen treffen, wobei du nie weißt, wohin dich eine getroffene Wahl oder Entscheidung führen wird. Wie eine Art Metapher: Wir wollten Federn als Objekt sehen. "Black Dried Apart" ...

Andrea: ... startet mit einem Chorgesang, geht dann über in einen heavy Part. Der Refrain wiederum hat was von Besessenheit in der Art der Melodieführung. Der Song ist mittelschnell, kein superschwerer Song, aber mit einem finsteren 'Vibe'.

Wir hatten sehr zu kämpfen mit der Auswahl, welche Songs wir wo platzieren und welche wir nicht aufs reguläre Album packen, denn natürlich haben wir die Songs alle in einem Rutsch, als Einheit, für die Veröffentlichung geschrieben.

Dann war es sehr hart, wir hatten die Qual der Wahl. Einige Songs sind natürlich interessanter, weil sie frischer und anders sind als das, was wir in der Vergangenheit produziert haben. Und wir haben uns dann so entschieden, dass wir die Bonus Tracks so in dem Stile zusammenstellen, wie man uns kennt und wie sie 'früher schon einmal gehört' klingen. Für uns war es 'tough', sich da festzulegen und diese drei Titel aus der Standard-Platte auszuklammern. Denn wir waren sehr stolz auf diese Songs.

Cristina: Ja, wir waren auch glücklich, dass all die Bonus Tracks eben nicht den Charakter von Ausschussware haben. Weil sie mit der Qualität der restlichen Songs auf einer Linie liegen. Manchmal nimmt man ja solche Lieder als Bonus Tracks, die nicht so überzeugend sind oder die du selbst nicht so magst. Aber wie Andrea sagt, war es auch für mich wirklich hart; es war schwer zu entscheiden.

Würdest du sie als ziemlich melancholisch empfinden?

Nein, nicht melancholisch! Sicher, "Through The Flames" ist wirklich, wirklich traurig. Es bringt dir die Atmosphäre von, sagen wir, den langsamsten Type-O-Negative- oder den langsamsten Paradise Lost-Songs nahe.

"Du kannst Frauen nicht zwingen, in Bands einzutreten"

Gibt es eine zweite Bedeutung von "Time" im Sinne der Dramaturgie, wie ihr das Album über seine Spielzeit aufgebaut habt? Kann man das als "Reise" bezeichnen, zumal ihr vorab gesagt habt, jede Platte sei zugleich "ein Film"?

Cristina: Ja, ich sehe jede neue Platte sogar wie "ein Buch" oder allgemein etwas Künstlerisches mit eigener Bedeutung, so wie ein Buch oder ein Film das beinhalten könnten. Wir behandeln deshalb jede Platte so, dass wir sie von Null auf neu konzipieren und nicht zurückschauen und mit einer vorherigen vergleichen.

Dabei schauen wir uns jeden Bestandteil von der Musik über die Texte bis zu unseren Bühnenkostümen an. Auf die Grafik geben wir Acht. Wir mögen es, Sturm in alles, was wir da im Kontext der Musik machen, hineinzublasen. Die Songtexte sind dabei so wichtig für uns, wie überhaupt nur irgendetwas sein kann. Gerade weil wir so viele Konzerte spielen. Wir wollen ebenso auch einen coolen visuellen Aspekt hinzufügen, zusätzlich zur Musik, die wir schreiben.

Im Song "Reckless" erinnert mich dein Gesang etwas an Grunge – der von Andrea an Death Metal. Der ganze Song hat ein Grunge-Feeling. Hat diese Szene für euch heute eine Bedeutung?

Cristina: Nein, um ehrlich zu sein, war mir das auch nicht bewusst und hat damit nichts zu tun. Ich habe einfach angefangen, den Song zu singen. Der Groove der Musik legte mir automatisch nahe, so und nicht anders zu singen. Was kurios ist: Wir haben auch andere Interviews gegeben, in denen Journalisten meinten, das Lied erinnere sie an Tori Amos. Das ist also bemerkenswert, dass dieser Song Erinnerungen aufrufen kann, die von Tori Amos bis zu Grunge reichen. Und ich liebe das, denn jeder kann seinen eigenen Standpunkt zu dem Song einnehmen. Aber das sagt mir auch, dass sich meine Stimme von vergangenen Aufnahmen früherer Platten unterscheidet. Cool!

Andrea: Ich weiß, was du meinst, und das kommt wohl nicht vom Klang der Stimme. Sondern das überspannende Feeling in den Strophen hat diesen Vibe, den du beschreibst.

Anderes Thema: In Europa treten nur sehr wenige Frauen oder Frauen-Bands auf Festivals auf ...

Cristina: Das liegt auch am Genre. Ich glaube, dass das Metal-Genre für Frauen nicht sehr einladend ist. Das verhält sich ja spiegelverkehrt zur Popmusik, wo viel mehr Frauen unterwegs sind. Deswegen glaube ich nicht, dass das Absicht ist, Frauen von den Bühnen fernzuhalten.

Ich sprach von Durchschnittswerten der Jahre 2012 bis 2017 für alle möglichen Genres - sei es im Electropop, Hip Hop, Metal, Alternative Rock, Blues, Reggae oder in der 'World Music'. Selbst wenn man rein weibliche Bands und gemischtgeschlechtliche Acts zusammenzählt kommt am da nur auf 18 und 24 Prozent.

Cristina: Bei unseren Gigs sind im Publikum, wenn nicht 50 dann wenigstens 40 Prozent Frauen. In unserem Genre sind Frauen durchaus willkommen. Für mich ist das so: Ich pushe nicht, ich setze mich nicht dafür ein mehr Frauen in Bands zu haben. Ich weiß auch nicht, was die Gründe sind – vielleicht bevorzugen Frauen es, etwas komplett anderes auszuüben ... (lange Gedankenpause) ... aber ich sehe es auch nicht als Problem an. Ich meine, das Problem wäre, wenn es eine Menge Bands mit weiblichem Mitglied gäbe und diese Gruppen aber nicht akzeptiert würden - in der Plattenindustrie, im Musikbusiness oder eben auf den Festivals. Das würde ein Problem darstellen. Aber es gibt eben kaum Bands mit weiblichem Element. Du kannst Frauen nicht vorwärts pushen und sagen, geht in Bands rein, wenn sie daran keinen Gefallen finden ...

Darf ich dich unterbrechen: Ihr hattet zu dem Album heute einige Interviews. Wie viele? der Interviewer waren Frauen?

Cristina: Heute ... zwei ... Oder?

Andrea: Ja, zwei.

Cristina: Aber gestern waren es mehrere Frauen.

(lange Pause)

Seht ihr irgendwelche strukturellen Ursachen dafür, dass Frauen da in der Unterzahl sind? Auch als DJanes zum Beispiel?

Cristina: Vielleicht ist es einfach eine Frage des Geschmacks! Wenn du in die Make-Up-Welt hineingehst, gibt es wohl mehr Frauen dort; denn vielleicht fühlen sie sich angezogen von dem ... dem ... Aber ich würde mir nicht zu viele Sorgen machen. Ich meine, so lange wer auch immer in einer Band spielt, daran Spaß hat, wo ist denn das Problem? Niemals würde ich jemanden zwingen, Teil dieser Welt im Musikgeschäft zu sein, so lange jemand das nicht möchte.

Andrea: Darf ich dich fragen, was denn deiner Meinung nach die Ursache ist? Siehst du einen Grund? Oder denkst du, es liegt an den Mädchen? Oder an den männlichen Akteuren?

Eine ganze Reihe von Gründen. Einer ist: Female Artists sind verfügbar, werden aber nicht gebucht.

Cristina: Welche Festivals meinst du?

Alle. Auch wenn nur wenige weibliche Acts im Line-Up stehen, bin ich mir doch sehr, sehr sicher, dass die passenden Künstlerinnen existieren. Das Aussortieren passiert im Booking. Und das Tolle ist: Wenn du Festivalveranstalter fragst, dann versprechen sie, im Folgejahr alles zu verbessern.

Cristina: Aber ich denke nicht, dass das Kriterium weiblich dafür ausschlaggebend ist, denn Veranstalter versuchen doch immer nach einer Band zu suchen, die gute Zahlen bringt. Sie suchen also immer nach größeren Bands, beliebteren Bands oder neuen Bands, die mit einem Hype gehen. Also ich denke, die Frage stellt sich doch gar nicht: 'Oh, wir wollen eine Band oder Bands mit mehr Frauen darin.' Wenn sie eine Band zur Wahl hätten, die gehypet wird, würden sie doch überhaupt nicht aufs Geschlecht achten.

Einfaches Beispiel: Eine mit uns befreundete Band, Ginger, die sind wirklich gut, die Sängerin ist sehr talentiert. Und jetzt bekommen sie eine Menge Aufmerksamkeit, weil sie mit einem Video angefangen haben, in dem sie auf dem Boden kriecht, und sie singt in einer so klaren Art ... sehr gut! Deswegen haben die eine Menge Aufmerksamkeit erhalten und waren auf jedem Festival dieses Jahr, weil natürlich jedes Festival sie unbedingt wollte, aufgrund dieser Aufmerksamkeit, die sie schon hatten, und sicher war, dass sie Zahlen bringen würden. Es ist daher nicht von Bedeutung, ob du ein Junge oder ein Mädchen bist, so lange der Hype dich trägt und so lange du für gute Zahlen sorgst.

Denn du lockst ja deine eigene Fanbase zu den Shows. Jeder wird dann willens sein, dich da zu buchen. Aber es ist eine Business-Sache. Es gibt doch kein 'Oh, diese Band ist beliebt, aber wir wollen die nicht anrufen, weil sie eine Frau in der Besetzung haben und unser Festival aus Männern besteht.' - Ich denke nicht, dass es eine sexistische Sache ist. Und dann ist die ganz schlichte Wahrheit auch, dass es mehr Bands mit Jungs als mit Mädchen gibt.

"Im Italienischen klingen die dummen Wörter am besten"

Ok, dann zur Abwechslung eine einfache Frage. Viele Leute erwarten, dass ihr auf Italienisch singt, wenn ihr aus Italien kommt. Nun hast du mit Tarja Turunen ein Stück aufgenommen, die dieses Mal auf ihrem Album fast komplett auf Finnisch verzichtet hat. Bei euch ist das nun auch so: Das Album ist nur in Englisch. Aber viele Leute finden es doch spannend, andere Sprachen zu hören.

Cristina: Wir mögen das auch. Wenn es spontan aus uns herauskommt, und wenn es sich im Sound gut anhört. Für eine Menge Songs haben wir das ja auch schon gemacht, entweder komplett auf Italienisch oder je zur Hälfte in Englisch und Italienisch. In den englischen Parts haben wir auch versucht, sie Italienisch zu singen. Dabei haben wir aber nicht den Sound erzielt, den wir haben wollten.

Das Problem mit Italienisch ist, dass es so eine melodische Sprache ist. Zugleich sind aber die am besten klingenden Wörter die ganz dummen, einfachen Wörter. Und wir wollen aber diese Wörter nicht mit unserer Musik kombinieren. Aus dem Grund ist Englisch die bessere Sprache für uns, um uns im Kontext auszudrücken und den Sound zu erzeugen, den wir erreichen wollen. Es ist nicht so, dass wir was gegen Italienisch haben oder internationaler sein oder von mehr Menschen verstanden werden wollen. Denn übers Internet lässt sich ja das meiste schnell übersetzen, und auch durch den Sound erfährt man etwas, und durch ihn erklären sich Wörter.

"The End Is All I Can See" ist ein Highlight für mich auf dem Album, und da gibt's einige Zeilen übers Beten. Betet denn von euch jemand, und wie religiös seid ihr selbst?

Cristina: Nein, wir sind überhaupt nicht religiös. Ich meine, wir wurden katholisch erzogen. Klar, wir kommen aus Italien, was insgesamt ein religiöses Territorium ist. Aber wir glauben in einem 'größeren' Maßstab. Wir glauben nicht an irgendeinen 'organisierten' Glauben, der von Menschen gemacht wurde. Wir haben unsere eigene Idee von Energie und Spiritualität. Jeder von uns in der Band hat das auf etwas eigene, verschiedene Art. Wir reden nicht einmal darüber.

Ich persönlich glaube an Energie, weil, weißt du, ich vertraue meinen Gottheiten, wenn ich eine neue Person treffe und spüre unmittelbar, ob ich diese Person mag oder nicht, vom allerersten Moment an. Wenn das keine höhere Energie ist, dann weiß ich nicht, was es geben kann, das mit dir kommuniziert und dich etwas wissen lässt. Aber wir mögen, sagen wir, die bildliche Darstellung von Religion. Wir mögen die Malereien, die Ikonographie, das Visuelle. Obwohl wir nicht hinter den Ideen stehen.

Beschreibe uns mal bitte, was in dem Cover-Artwork zu "Black Anima" verarbeitet und zu sehen ist.

Cristina: Das ist ein Symbol, kreiert von unserem Bassspieler Marco. Das stellt einen Drachen dar, der einen Engel verspeist, der versucht, um sein Leben zu kämpfen. Und es gibt zwei Spiralen um unser Logo herum, das Lacuna Coil-Logo.

Drei Schlangen, die sich gegenseitig in ihre Schwänze beißen, plus die zwei Initialien von "Black Anima", das "B" und das "A" in der Form von Runen-Schrift. (lacht) Einer Art von Runen-Schrift ... Das war inspiriert vom Emblem der Stadt Mailand. Dieses Wahrzeichen enthält ursprünglich die Schlange mit einem Kind im Maul.

Meine letzte Frage: Feuer, Wasser, Erde und Luft – welches dieser vier Elemente beeinflusst euch am meisten in eurem Leben und eurer Musik?

Cristina: Ich würde sagen, Feuer, aufgrund der Leidenschaft, die uns antreibt, und da spreche ich wohl für alle Mitglieder bei uns. Aber es kommt drauf an. Ich denke auch, alle Elemente sind wichtig. Ihre Balance ist erforderlich. Deswegen würde ich gar nicht eines auswählen.

Andrea: Also ich denke, Erde ist eine gute Wahl. Denn sie drückt ja die Balance aus, dass man verwurzelt ist, mit den Füßen auf dem Boden bleibt. Erde repräsentiert mich, glaube ich, sehr stark.

Vielen Dank! Ganz wunderbar!

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