laut.de-Kritik
So gut "Superwolf" war - "Superwolves" ist besser.
Review von Giuliano BenassiAuf den Pressefotos zu diesem Album ist Will Oldham alias Bonnie 'Prince' Billy kaum wiederzuerkennen. Vorbei die Zeiten, in denen er aussah wie ein Waldschrat mit blassem Teint. Durchtrainiert, mit Baseballkappe und lässigem Schnauzer kommt er fast schon daher wie der CEO eines coolen Start-Ups.
Ehe und Vaterschaft haben ihm offenbar gut getan. Ein perfekter Zeitpunkt also, um die Partnerschaft mit dem Gitarristen Matt Sweeney wiederzubeleben. 2005 hatten sie gemeinsam das Album "Superwolf" aufgenommen. Ein Werk, das einen gewissen Kultstatus erreicht hat und mit dem sie auch auf Tour gingen.
Oldham hatte damals schon den Status einer Underground-Legende, Sweeney hat sich seitdem als Produzent und Session-Gitarrist einen Namen gemacht, etwa für Adele. 2016 begleitete er Josh Homme und Iggy Pop auf dessen Album "Post Pop Depression".
Die Arbeitsteilung war dieselbe wie 2005: Oldham steuerte Texte und Stimme bei, Sweeney Melodien und Gitarrenarbeit. Beide haben sich hörbar weiterentwickelt. Oldhams klingt zuversichtlicher, sein dünnes Organ voller. Sweeneys Stil ist nach wie vor minimalistisch, aber erstaunlich vielfältig. Eine Kombination, die für ein abwechslungsreiches Album sorgt.
"Ich liebe die Herausforderung, Melodien für Will zu schreiben. Es ist auch ein Kampf - zu wissen, dass Wills Stimme die Melodie zu etwas Erhabenem macht, treibt mich zu neuen Höhen und lässt mich tiefer nach der Melodie graben. Meine Gitarre versucht, seine Stimme zu halten wie ein Kelch den Wein (oder das Blut, oder was auch immer man braucht, um das beste Leben zu leben). Ich liebe es auch, seine einzigartige Stimme mit Harmonien zu begleiten", fasst Sweeney zusammen.
Das mutet harmonisch an. Wie gewohnt liefert Oldham aber keine Gewissheiten. Seine Texte sind gespickt mit Wendungen, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen. In "God Is Waiting" etwa reist eine Frau an die Grenzen (der Zivilisation? Ihres Fassungsvermögens?), um Gott zu erleben. Sie wartet und wartet. Vergeblich. "God can fuck herself, and it does — hardcore" lautet die letzte Zeile des ansonsten lieblichen Stücks.
Auch "Good To My Girls" hat wenig damit zu tun, was der Titel zu versprechen scheint. Liebe zu seiner Familie? Ja, aber. "Ich befürchte, dass auf das Leben die absolute Leere folgt. Wir haben nur einen kleinen Anteil am Leben, also bin ich gut zu meinen Mädchen", so die nicht ganz logische Begründung.
Während Oldhams Texte wie gewohnt Rätsel aufgeben, untermalt Sweeney sie meistens zart, manchmal bedrohlich, aber selten laut. Zwar scheint immer wieder mal ein Klanggewitter auszubrechen, schließlich verziehen sich die Wolken jedoch und es bleibt das wohlige Gefühl eines Gewitters in der Luft, das keinen großen Schaden angerichtet hat. Wie bei Grateful Dead, an die dieses Album immer wieder erinnert.
Die Stücke entstanden über einen Zeitraum von fünf Jahren an getrennten Orten (Sweeney in New York, Oldham in Nashville), die Aufnahmen fanden aber erst 2020 statt. Dabei stellte Sweeney eine Begleitband zusammen, der auch die Malischen Gitarristen Ahmoudou Madassane und Mdou Moctar angehören, die besonders "Hall Of Death" prägen. Zum Einsatz kamen auch David Ferguson (Kontrabass), Mike Coltun (E-Bass), Souleyman Ibrahim, Ryan Sawyer und Peter Townsend (alle Schlagzeug) und Mike Rojas (Keyboards).
In vielen Stücken bestreitet Sweeney die Begleitung aber alleine. Etwa in "There Must Be Someone", das das Zeug zum Country-Klassiker hat. Ein perfektes Stück für Dolly Parton. "I Am A Youth Inclined To Ramble" klingt dagegen wie ein britisches oder irisches Folk-Stück, mit dem klassischen Themas des Heimwehs eines Auswanderers, der seine Liebe für eine bessere Zukunft verlässt. Wunderbar, wie Sweeney den Herzschmerz mit einer dröhnenden Gitarre untermalt.
So gut "Superwolf" war - "Superwolves" ist besser, das Zeugnis einer außerordentlichen musikalischen Partnerschaft. "Unsere Chemie stammt aus Leben, die getrennt voneinander gelebt werden, in denen Musik aber die entscheidende Nahrung ist. Wir hören mit Dankbarkeit und Ehrfurcht zu, weil wir wissen, dass wir da hinein gehören. Beide erschaffen wir erträumte Wesen mit dem Glauben, dass diese Wesen eine Chance im Leben haben werden. Wir wissen, wozu wir fähig sind und brauchen nur die Unterstützung des anderen, um die erträumten Sprachen zum Leben zu erwecken, erklärt Oldham.
Das Ergebnis ist ein Album zum Zurücklehnen und genießen, wenn auch nicht gerade zum Wohlfühlen. Genauso wie bei den besseren Stücken Leonard Cohens, dessen "Who By Fire" in "Watch What Happens" Spuren hinterlassen hat.
1 Kommentar
Auf jeden Fall was weniger langweilig als das andere Material von Bonnie Prince Billie, das ich bisher gehört hab.