laut.de-Kritik
Fan-Release der coolsten Liveband der Welt.
Review von Eberhard DoblerSechs Jahre nach der Trennung rauften sich die Mannen aus den Anfangszeiten des Crossover-Booms wieder zusammen und veröffentlichten 2002 ihr zweites Album. Seitdem sind Mother Tongue "on the road" und voller Tatendrang. Die wieder gefundene kreative Kraft versetzte Fans wie Kritiker in Begeisterung und reicht sogar dafür aus, Alben im Jahrestakt zu veröffentlichen. So spielen Frontmann Davo und Co. just in diesen Wochen ihren vierten Longplayer ein. Zuvor veröffentlicht Noisolution eine liebevolle Fan-Edition des lange nicht erhältlichen Sony-Debüts von 1994.
Nach dem unerwartet erfolgreichen Comeback zeigte der Großkonzern, der MT Mitte der Neunziger wegen Erfolglosigkeit droppte, plötzlich wieder Interesse und verkloppte die Neuauflage des Debüts kurzerhand im Nice Price-Format: Musik als Ware. Und das trotz parallel laufender Lizenzverhandlungen mit dem Indie-Label, das einen aufwendigen Re-Release unter finanzieller Beteiligung Sonys plante. Kommunikationsdefizite lautet die beiderseitige Erklärung heute. Noisolution bringt die Platte in Zusammenarbeit mit der Band Monate später trotzdem erneut auf den Weg: als fanintensive Version mit vielseitigem Booklet, reich an persönlichen Texten und Bildern sowie Extra-Live-Tracks.
Energetischer Rock, dreckiger Blues, süßer Soul und heißer Funk waren anno 1994 und sind heute der Treibstoff der leidgeprüften Combo aus Los Angeles. Songs wie der antreibende Funkrock-Opener "Broken", die mächtigen Gitarren-Balladen "Vesper" und "Venus Beach" oder "Mad World" kennen Fans, die MT erst mit "Streetlight" oder "Ghost Note" (2003) entdeckten, bereits von den viel gepriesenen Live-Performances der Band, bei denen Musiker und Fans regelmäßig gemeinsam abheben.
Mother Tongues Musik lebt auch auf Platte von Dynamik, Sentimentalität und dem Jam-Spirit der Siebziger. Gleichwohl bleibt das Debüt ein wenig schwerer zugänglich als die letzte Veröffentlichung "Ghost Note", da bei aller Intensität weniger auf den vielbemühten Punkt gespielt wird. Als Argument mag hier das Spiel des damaligen Drummers Geoff Haba angeführt werden. Bei aller Rhythmik fühlt er die Songs beim Trommeln mehr, als dass er ihnen ein tightes Fundament verpasst. Der songwriterischen Schönheit und Klasse des Albums tut dies natürlich keinen Abbruch. Rock'n'Roll will never die? Solange Mother Tongue auf der Bühne stehen sicher nicht.
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