Willie Nelson - "Red Headed Stranger"

Für Willie Nelson gab es eine Zeit vor und eine nach diesem Album. Vorher war er zunächst der emsige Songwriter, mit dessen Nummern andere Erfolge feierten, dann das kleine Sänger-Licht, das in der Szene halt auch irgendwie mitmischte. Nach diesem Album war Willie Nelson der verdammte Country-Outlaw-Superstar, mit einer Single und einem Longplayer an der Spitze der Country-Charts, und das, obwohl sein Label Columbia "Red Headed Stranger" gar nicht hatte herausbringen wollen. Jedenfalls nicht so.
"Wieso reichst du Demo-Versionen ein?", sollen ihn die Plattenbosse entgeistert gefragt haben, als er ihnen die sparsam instrumentierten Akustik-Versionen vorgelegt hatte. Man hört darauf lediglich Nelsons Gesang, seine legendäre Gitarre Trigger, seine Schwester, Sister Bobbie, am Piano, dazu Drums, hier eine Mundharmonika, da eine Mandoline. Das wars. "Hat er das in seinem Wohnzimmer aufgenommen?", echauffierte sich Nashville-Produzent Billy Sherrill, an den Columbia mit der Frage herangetreten war, ob er das polieren könne. "Das ist ein einziges Stück Scheiße. Es klingt, als hätte er das für zwei Dollar mitgeschnitten. Es ist überhaupt nicht produziert!"
Er hätte sich gar nicht so aufregen müssen: Nelson wollte von einer Überarbeitung ohnehin nichts wissen. Er wollte seine Songs genau so, wie sie waren, und weil er sich (vorausschauend, er kannte ja das Geschäft) in seinem Vertrag die volle künstlerische Kontrolle über seine Arbeit hatte zusichern lassen, konnte Columbia rein gar nichts dagegen unternehmen, dass "Red Headed Stranger" erschien, wie es erschienen ist: spartanisch, schnörkellos, gegen jede Regel.
Genau genommen hatte Willie Nelson einen dampfenden Haufen auf jede Konvention gesetzt. Seine damalige Frau Connie hatte ihn auf den Gedanken gebracht, ein Western-Konzept-Album aufzunehmen, inspiriert von Arthur 'Guitar Boogie' Smiths Song "The Tale Of The Red Headed Stranger", den er den Kindern hin und wieder als Schlaflied vorgesungen hatte. Eine leise merkwürdige Wahl zwar, handelt es sich doch um eine Ballade über einen Mann auf der Flucht, nachdem er seine untreue Ehefrau und deren Liebnhaber abgeschlachtet hat, aber ... na, gut. Grimms Märchen sind auch nicht gerade unblutig.
Willie Nelson strickte um die Moritat um den mörderisch eifersüchtigen Priester noch weitere Songs, in denen er die Vorgeschichte des Dramas erzählte, und ritt mit "Red Headed Stranger" zu Multiplatin-Ruhm. Columbia-Chef Rick Blackburn kommentierte rückblickend: "Sie folgte der Formel nicht, sie pfiff auf den damals angesagten Mix. Es gab tausend Gründe, warum diese Platte kein Hit hätte werden dürfen. Aber das 'Red Headed Stranger'-Projekt hat Willies Persönlichkeit eingefangen. Es gab genau einen Grund, warum diese Platte ein Hit wurde: Weil sie Willie Nelson war. Sie war Willies Statement." Manchmal ist das mehr als genug.
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