Johnny Marr "Set The Boy Free"
Worum geht's?
The Rise And Fall Of The Smiths. In den Worten der bodenständigeren Hälfte des Kompositions-Dream-Teams Morrissey/Marr. "Set The Boy Free" ist eine sehr kurzweilige und erhellende Lektüre geworden, bei der Marr dankenswerterweise auf uferlose Nebensatzkonstruktionen verzichtet. Lieber beschreibt er mit liebevollen Details und trockenem Northerner-Humor seine Kindheit in Manchesters Arbeiterklasse, die ihn über T.Rex und The Stooges zu den drei wichtigsten Entdeckungen seines Lebens führt: Die Gitarre, seine Freundin Angie und den komplett wesensfremden Songwriting-Partner Morrissey. In dieser Reihenfolge (zumindest chronologisch).
Welch absurde Geschwindigkeit sein Leben nun annimmt, verdeutlicht folgender Dreisatz: Als 17-Jähriger steht Johnny zum ersten Mal mit einer Band auf der Bühne, als 18-Jähriger lernt er Morrissey kennen, als 19-Jähriger spielt er "This Charming Man" bei "Top Of The Pops". Die hässliche Trennung 1987 beschreibt Marr ohne böse Kollegenschelte, ebenso wie ein spontanes Treffen mit Morrissey in einem Pub im Jahr 2008, wo tatsächlich das Reunion-Thema kurz zur Sprache kam. Die bis heute anhaltende Liebe für seine alte Band trieft in dieser Passage aus jeder von Marrs Zeilen.
Wer hat's geschrieben?
Johnny Marr, als Smiths-Gitarrist Miterfinder des klassischen Indie Pop-Sounds der 80er Jahre. Danach solo und vor allem als Gastgitarrist bei zahlreichen anderen Bands tätig. Zuletzt erschien 2014 sein Soloalbum "Playland".
Wer soll's lesen?
Fans von den Smiths und solche, die Morrisseys stumpf-provokante Interviews allmählich auf die Palme bringen. Familienmensch und Gitarrengott Marr ist dagegen erfrischend down-to-earth und hat viel zu erzählen über den Underground, die Rough Trade-Policy und die Chartserfolge in den 80ern, neue Lebensentwürfe und natürlich massenhaft coole Freunde, von Manchester-Legenden wie New Order oder Oasis bis zu Paul McCartney, The The, Beck, den Talking Heads und natürlich Modest Mouse und The Cribs.
Das beste Zitat:
"Ian hielt den Wagen an und meinte: Das ist Noel. Welcher Noel, fragte ich? Der Noel, dessen Demotape ich dir vor ein paar Wochen gegeben habe. Ich erinnerte mich dunkel an eine Kassette mit einem Union Jack vorne drauf, der aussah, als wäre er das Klo runtergespült worden. Ich hatte sie beiseite gelegt und vergessen. Noel stieg ins Auto ein, es lief eine Bob Marley-Live-CD auf voller Lautstärke und wir suchten einen Gitarrenladen. Das erste, was Noel mich fragte, war, wie ich seine Songs fände, die ich gar nicht gehört hatte. Um mich nicht zu verraten, antwortete ich: Also der erste Song hat mir am besten gefallen, mit Abstand."
Set The Boy Free*, Johnny Marr, Penguin, 480 Seiten, englisch, 8,99 Euro.
Wertung: 4/5. Text von Michael Schuh
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