Sebastian Ingenhoff - "Ghosting"
Worum gehts?
Wir begleiten R'n'B-Superstar Solana und ihre Entourage auf Tour. Unterwegs erfährt die Sängerin von Komplikationen, die bei der Krebs-OP ihres Vaters aufgetreten sind, und besteigt einen Flieger. Der gerät in Turbulenzen und stürzt ab. (Kleine Gedenkminute für Aaliyah an dieser Stelle? Danke.) "Ghosting" erzählt auf der einen Seite vom glitzernden Pop-Business und zugleich eine persönliche From-rags-to-riches-Story. Nebenbei geht es um die Geschichte einer Einwandererfamilie in den USA, um die Revolution in Nicaragua, um Nahtoderfahrungen, Zwischenwelten, Geister, Magie und um Freundschaft, das alles verpackt in einen wundervoll leicht konsumierbaren, viel zu kurzen Roman.
Wer hats geschrieben?
Sebastian Ingenhoff schrieb als Kulturjournalist bereits für die Intro, die Spex, die Groove und das Missy Magazin. Außerdem betreibt er in Köln ein Label, stellt eine Hälfte des Elektronik-Duos Camp Inc., verfügt also über Sachkunde in musikalischen Zusammenhängen. Obendrein ist er, wie dieses Buch beweist, ein ganz meisterhafter Erzähler. Huldigt ihm!
Wer solls lesen?
Wer kein Problem mit starken Frauenfiguren hat, und auch keins mit gelegentlichem Abdriften aus der realen in eine andere Welt, bekommt spitzenmäßige Unterhaltung geboten.
Das beste Zitat:
"Sie liebt die Art, wie Nina singt und die Wörter dabei langzieht, die Vokale dehnt, weil jedes Wort zählt. Wie sie Klavier spielt, die kleinen kunstvollen Pausen zwischen den Tönen. In einem Interview mit einem europäischen Magazin hatte Solana mal über Nina Simone gesprochen. Der Journalist fragte sie, warum sie denn nicht eine Coverversion von Nina Simone mache, da die doch ein modernes Update vertragen könne, und Solana widersprach und sagte, die Songs von Nina könne man mit einem modernen Update nur verhunzen, sie seien so perfekt komponiert und zeitlos, da gebe es nichts zu verbessern, und alle existierenden Coverversionen seien grottenschlecht. Man könne alles problemlos covern, aber nicht Nina Simone. Nicht mal mitsingen würde sie ihre Songs, sondern lediglich summen. Nicht, dass sich Solana für eine schlechte Sängerin hielte. Im Gegenteil, sie bekommt ja auch ständig erzählt, sie sei eine der besten Gesangskünstlerinnen, die es derzeit gibt auf der Welt. Aber sie ist keine Meisterin im dunklen Bereich. Der einzige Mensch, der Ninas Songs halbwegs adäquat singen kann, ist Solanas Mama, die eine ausgesprochen tiefe Stimme hat, die Ninas Songs immer gesungen hatte, ob beim Aufräumen, beim Solana-in-die-Schule- oder Solana-ins-Bett-bringen. So hatte Solana schon in frühester Kindheit Nina Simones Lieder lieben gelernt, wie sie später die Songs von Aaliyah, Lauryn Hill oder Björk lieben lernte. Ninas Songs seien Balsam für die geschundenen Seelen einer geschundenen Welt, hatte ihre Mama immer gesagt, und das war der zweitbeste Satz, den Solana über Nina Simone kannte. Der Beste kam von Lauryn Hill und ging: So while you are imitating Al Capone, I'll be Nina Simone, and defecating on your microphone."
Wertung: 4/5
Text von Dani Fromm
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