Marina Buzunashvilli - "Die Bossin"
Worum gehts?
Eine der ... ach, was! Die profilierteste, umtriebigste, tougheste Promoterin und Managerin im Deutschrap-Zirkus (und schon lange nicht mehr nur da) beschreibt ihren "Weg zum Erfolg in 20 Rules". Klar, dass das Einblicke hinter die Kulissen des Musikgeschäfts gestattet. Darum geht es aber gar nicht, noch nicht einmal in zweiter Linie. Viel tiefer blickt man hier nämlich in das Leben, in den Kopf und die Seele einer Frau, die sich durchgebissen hat. Allen Widrigkeiten zum Trotz, und deren Zahl war Legion.
Marina Burzunashvillis Aufstieg "von der Hood an die Spitze des Musikbusiness" mag einzigartig gewesen sein. Die Prinzipien, nach denen sie ihn vollbracht hat, lassen sich (sehr im Gegensatz zum formelhaften Geschwafel manch anderen Möchtegern-Lifecoaches) aber tatsächlich auf viele Lebensbereiche übertragen. Diese Regeln funktionieren, und die Autorin weiß das. Sie hat die Lektionen, die sie (er)teilt, mühsam und unter Schmerzen selbst gelernt und ist bei einigen noch immer dabei, sie zu verinnerlichen. Ihr Lernprozess: noch längst nicht abgeschlossen.
Wer darauf hofft, irgendwelche brisanten Interna über Rapper X oder Crew Y aufzuschnappen, kann dieses Buch gleich wieder zur Seite legen. Burzunashvilli ist zum einen viel zu sehr Profi, zum anderen auch schlicht zu korrekt, um sich zu Indiskretionen hinreißen zu lassen. So sehr sie Klient*innen, Kolleg*innen, Geschäftspatner*innen schont, so gnadenlos reißt sie sich allerdings selbst alle Masken vom Gesicht. Familiäre, gesundheitliche, psychische Probleme: Sie lässt alles raus und untermauert damit die vielleicht wichtigste Erkenntnis, die "Die Bossin" zu bieten hat: Es liegt keine Schwäche darin, Schwäche zu zeigen. Im Gegenteil.
Wer hats geschrieben?
Die Frage kann nur aus einer Ecke kommen, die mit dem Deutschrap-Kosmos noch nicht einmal periphäre Berührungspunkte hat: Marina Burzunashvilli, wahrlich DIE MARINA, ist seit locker zwanzig Jahren in der Szene aktiv. Sie betreute, zunächst als Angestellte, später mit eigener Agentur, im Grunde alles, das in der Szene Rang und Namen hatte.
Angefangen bei bei Azad über Haftbefehl zu Sido und Savas war sie als Promoterin, PR-Strategin, später auch als Managerin tätig. Inzwischen beschränken sich ihre Aktivitäten schon lange nicht mehr auf den Rap-Bereich. Egal wo, jedoch: Obwohl von winziger Statur, zeigte diese Frau stets das Potenzial, beliebigen Gegenübern eine Heidenangst einzujagen. Insbesondere wenn sie einen ihrer Schützlinge ungerecht behandelt wähnte, schaltete sie gerne einmal in den Löwenmama-Modus, und dann, vertraut mir, wollte man ihr nicht in die Quere kommen.
2019 gab Burzunashvilli ihre Selbständigkeit auf und wechselte zum Major Sony Music, wo sie zunächst als Head Of, inzwischen als Director of PR arbeitet. Welche Kämpfe sie auszufechten hatte, um dahin zu gelangen, wo sie heute steht, davon vermittelt ihr Buch mehr als nur eine Ahnung.
Wer solls lesen?
Vertreter*innen marginalisierter Gruppen, die denken, man müsse eben hinnehmen, dass einem (respektive einer) manche Türen verschlossen bleiben: Nö, muss man nicht. Führungskräfte und solche, die es werden wollen, können den einen oder anderen hilfreichen Tipp mitnehmen, wie man mit Menschen umgeht. Oder wie man es eben nicht tut, und welche Folgen das dann nach sich ziehen kann, für die Leute im Umfeld, in erster Linie aber für eine*n selbst.
Alle anderen lernen die allzeit wertvolle Lektion, dass man nie, wirklich nie, vom äußeren Schein auf die Realität dahinter schließen kann. Was eine Person wirklich antreibt, versteht man oft erst, wenn man versucht hat, wenigstens gedanklich ein paar Meilen in ihren Schuhen zurückzulegen. Übrigens auch für besagte Person gut zu wissen: Niemand wird dich verstehen, wenn du nicht zeigst, wie es in dir aussieht. Im Grunde ist "Die Bossin" ein flammendes Plädoyer für bessere, ehrliche, aufrichtige Kommunikation. Mit anderen, aber auch mit sich selbst, und davon kann wirklich jede*r nur profitieren.
Das beste Zitat:
"Wenn mal neue Leute dazukamen, die frech zu mir wurden - was selten passierte -, haben die großen, starken Männer nicht gesagt: 'Ey, sei nicht frech zu ihr, sonst klatsch ich dir eine', sondern: 'Sei nicht frech zu ihr, denn die frisst dich auf!'"
Wertung: 5/5
Text von Dani Fromm
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