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Jakob J. Baier - "Illuminati, Rothschilds, Zionisten: Antisemitismus im deutschen Gangsta-Rap"

Worum gehts?

Der Titel sagt es eigentlich bereits: Wenig überraschenderweise geht es um Antisemitismus im deutschen Gangsterrap. Dabei clashen zwei Forschungsgebiete aufeinander: Die Darstellung von Antisemitismus in der Kultur (relativ gut untersucht) und im Rap (quasi gar nicht untersucht). Worauf genau der Autor sein Augenmerk richtete, erzählt er am besten selbst, so geschehen im Interview mit der Jungle World:

"In meinem Buch arbeite ich die unterschiedlichen Dimensionen des Antisemitismus im Rap heraus. Im Mittelpunkt steht die Frage, warum antisemitische Inhalte ausgerechnet im deutschen Gangsta-Rap so deutlich zutage treten. Dafür schaue ich mir die Erzählfiguren und den narrativen Rahmen des Gangsta-Rap an und beleuchte die Geschichte des Rap - schließlich handelt es sich beim Antisemitismus im Rap um einen Traditionsstrang, der bis in die Anfänge des US-amerikanischen Hip Hop zurückreicht." Ensprechend beleuchtet das Buch eben nicht, wie sein Titel suggeriert, ausschließlich die hiesige Hip Hop-Szene, sondern auch die in seinem Mutterland USA.

Außerdem geht es um autoritäre Gesellschaftsstrukturen, hypermaskuline Männlichkeitsbilder, überzogene Machtfantasien und verschwurbelte Verschwörungstheorien: also durchaus spannender Stoff. In Lyrics, Interview-Zitaten, Äußerungen in Sozialen Medien und bildlichen Darstellungen in Musikvideos oder Artworks identifiziert Baier antisemitische Narrative und Motive und versucht zu ergründen, mit welcher Intention die untersuchten Rapper sich derer bedienen. Rapper, in der Tat: Gendern erscheint an dieser Stelle kaum nötig, die einzige Frau, der man in den seitenlangen Aufzählungen der untersuchten Tracks und Veröffenltlichungen begegnet, darf sich ausnahmsweise mitgemeint fühlen.

Wer hats geschrieben?

Jakob J. Baier ist Sozialwissenschaftler, bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um seine Dissertation. Sie verbindet seine Forschungsthemen Antisemitismus in der Kulturproduktion und Verschwörungsideologien in modernen Medien. Baier forscht an der Universität Bielefeld.

Wer solls lesen?

Es handelt sich um eine wissenschaftliche Arbeit zu einem nicht gerade erhebenden Thema, genau so ist sie auch strukturiert und geschrieben. Machen wir uns also nix vor: Lesegenuss ist das keiner. Wer sich damit über fünfhundert Seiten hinweg herumschlagen will, sollte also schon wirklich, wirklich an der Materie interessiert sein. Der Text fordert Zeit, Konzentration und Mühe. Im Gegenzug liefert er den nach soliden Standards ermittelten aktuellen Stand der Forschung. Valide Daten, Baby! In einer Zeit, in denen vielen ihr vages Bauchgefühl mehr bedeutet als die gesicherte Faktenlage: eigentlich unbezahlbar.

Das beste Zitat:

"Zudem glorifiziert der deutschsprachige Gangsta-Rap eine körperbetonte, omnipotente und letztlich hypermaskuline Geschlechtsidentität, die männliche Schwäche, Weiblichkeit und Homosexualität gleichermaßen ablehnt und verachtet. Hierin verbinden sich Battle-Rap-Attitüden mit Dispositiven des Autoritarismus, denen zugleich Denkfiguren des populistischen Konspirationismus eingeschrieben sind: Die soziale Umgebung wird stets in Freund-Feind-Dichotomien risiert und bewertet. Dies wiederum äußert sich auch in einer Gangsta-Rap-spezifischen Repressionskritik, die gesellschaftliche Widersprüche durch manichäische Freund-Feind-Schemata zu erklären und aufzulösen versucht und dabei häufig in verschwörungsideologische Welterschließungsmuster mündet. Globale Krisen und soziale Missstände werden durch Personalisierung und Projektion scheinerklärt und dabei immer wieder mit antisemitischen Motiven verknüpft. Und dieses Muster findet sich keineswegs nur in vereinzelten Textzeilen der hier untersuchten Rapper: Seit den 2010er Jahren wird vielmehr erkennbar, dass sich deren antisemitisches Weltbild in einer Vielzahl von Äußerungen nicht nur in Liedtexten, sondern auch in den dazugehörigen Musikvideos und nicht zuletzt in ihren Social-Media-Beiträgen und anderen öffentlichen Stellungnahmen niederschlägt. Zwar gibt es nur wenige Lieder und Musikvideos, die in Gänze als antisemitisch zu klassifizieren sind, jedoch werden antisemitische Bilder, Codes und Narrative in Battle-Formate, Männlichkeitsinszenierungen, sozialkritische Äußerungen und allen voran in antiisraelische Positionierungen eingebettet und auf diese Weise normalisiert."

Wertung: 3/5

Text von Dani Fromm

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Jakob J. Baier - "Illuminati, Rothschilds, Zionisten"*

... wobei die Arbeit hier auch öffentlich zugänglich bereit steht.

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