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Luksan Wunder - "Eine mögliche Geschichte der deutschen Popmusik"

Worum gehts?

An dieser Stelle müsste eigentlich ein riesiges, blinkendes Warnschild stehen:

ACHTUNG, KANINCHENBAU!

Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob das überhaupt ein Buch ist. Vielleicht ist es auch eine Falltür in ein Paralleluniversum. "Eine mögliche Geschichte der Popmusik" haben Luksan Wunder da zusammengezimmert, und ... Alter, dieses Projekt ist von einer so allumfassenden Nerdiness, es haut dir nicht nur den Vogel raus, sondern derer gleich einen ganzen Schwarm. Ich habe, ehrlich, mehrfach angesetzt, eine Review dazu zu schreiben, und jedes einzelne Mal ist passiert, was Jan Böhmermann mit "Im Internet falsch abgebogen" genannt hat: Ich habe mich in den Texten, Hörbeispielen und Videos verlaufen, verloren, verzettelt, bis ich gar nicht mehr wusste: Ist das jetzt scheiße, großartig oder doch bloß großartiger Scheiß?

Ja, was, zum Teufel, IST es denn? "Es liegt in der Natur der Geschichtsschreibung, dass sie von vielen subjektiven Fokussierungen und streitbaren Klitterungen niemals frei sein kann. Somit ist jede Geschichte der Popmusik lediglich eine mögliche Geschichte der Popmusik, die man auch gänzlich hätte anders schreiben können". heißt es in der Vorrede. Genau das haben die Damen und Herren von Luksan Wunder getan: Sie haben unseren Zeitstrahl verlassen, sich eine andere Realität ersonnen, einen anderen Pop-Kosmos mit anderen Hits, anderen Stars. Zwanzig verschiedene Genres beleuchten sie da, von Austropop über Disco und NDW in die Hamburger Schule, und zurück über Punk und Gangstermusik zum (dann dringend notwendigen) Diagnostik-Pop. Das Buch erzählt in feinstem Erklärbär-Duktus jeweils das Wesen, Herkunft und Bedeutung des jeweiligen Genres, zeigt Plattencover und verweist auf prägende Interpret*innen, ihre Songs und die zugehörigen Videos. Klingt soweit ganz normal. Wenn nicht weite Teile dessen, das man da zu hören und zu sehen bekommt, komplett erfunden wären.

Das ganze Projekt sprengt einem grußlos das Hirn, weil man schon nach kürzester Zeit anfängt, einfach alles zu glauben, oder gar nichts mehr, und sobald man anfängt, auch nur ein bisschen über das Ausmaß des betriebenen Aufwands nachzudenken, explodieren die Trümmer, die von der geplatzten Rübe übrig sind, gleich ein zweites Mal. Das hier kann man nicht beschreiben. Das müsst ihr euch selbst angucken.

Riecht nach großflächigem Einsatz von künstlicher Intelligenz, könnte man meinen. Luksan Wunder schreiben aber: "In diesem Buch sowie in all den dazugehörigen Songs, Musikvideos, Grafiken und sämtlichen kreativen Erzeugnissen wurde keine KI eingesetzt." Irgendwie glaube ich das sogar. Was aber nicht mehr allzu viel zu bedeuten hat. Ich nehm' denen ja auch ab, dass ein Gangsterrapper namens Ghettobär existiert und es sich bei "Thomas Meurer, du stinkst nach Wurst" um ein Kleinod des Hassschlagers handelt.

Wer hats geschrieben?

Luksan Wunder bezeichnen sich selbst als Humor- und Satirekollektiv und attestieren sich Kompetenzen in den Bereichen Musik, Videos, Sketche, Kabarett und Stand-Up-Comedy. Ihr kennt (hoffentlich) ihre "Literal Videos". Oder ihre Serie "Korrekte Aussprache", da kann man jede Menge lernen.

Wer solls lesen?

Alle, die sich vorstellen können, dass alles leicht auch ganz anders hätte laufen können. Alle, die sich das genau nicht vorstellen können, auch, weil: Da seht ihr es. Einen Stock im Arsch sollte man nicht spazieren tragen, der könnte bei der Lektüre erhebliche Schmerzen verursachen. Auf jeden Fall ist das was für Menschen mit zu viel Zeit, und für diejenigen unter uns, die sich schon lange fragten, wer Run DMC eigenlich zu "My Adidas" inspiriert hat.

Das beste Zitat:

"Ficksack verkauften das 'Marquisenstiefel'-Album 50.000-mal, aber setzten zusätzlich noch 124.000 Stiefel innerhalb der Punkszene ab. Diese Verkaufsstrategie funktionierte so hervorragend, weil Pisse Markowsky seine Fans mit seiner authentischen Art ernsthaft von der Qualität des Schuhs überzeugen konnte. Der 'erste Influencer', wie Pisse heutzutage in Marketinglehrbüchern oft genannt wird, machte diese Methode zum Prinzip für Ficksack. Die neue Verkaufsstrategie wurde fortan im Kontext der Pop-Musik häufig genutzt."

Wertung: 1/5. Oder 5/5. Oder irgendwas dazwischen, ich weiß es doch auch nicht.

Text von Dani Fromm

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