Marco Wanda - "Dass es uns überhaupt gegeben hat"

Worum gehts?
Vordergründig ist das eine Bandgeschichte: Der Frontmann einer der erfolgreichsten österreichischen Formationen der jüngeren Vergangenheit erinnert sich an die mühsamen Anfangstage, den Durchbruch und den kometenhaften Aufstieg, insbesondere aber daran, was passiert, wenn alles aus dem Ruder läuft. Tatsächlich erzählt "Dass es uns überhaupt gegeben hat" aber von viel größeren Dingen. Von Freundschaft nämlich, vom Sich-Finden und Einander-wieder-Verlieren, vom Abschiednehmen und von der Angst vor dem Ende, die so alt ist wie die Menschheit selbst.
Wer hats geschrieben?
Marco Michael Wanda studierte früher einmal an der Universität für angewandte Kunst, natürlich in Wien. Er arbeitete in glamourösen Jobs, als Möbelpacker und in einem Schnellimbiss, bis er seine Profession fand. Oder sie ihn? Heute ist er Gründer, Sänger, Songwriter und Gesicht der Rockband, von der er sich seinen Künstlernamen geborgt hat. Für die wiederum stand eine Wiener Rotlicht-Ikone Pate, die Zuhälterin Wanda Kuchwalek. Wanda, die Band, fanden 2012 zusammen. Mit "Bologna" von ihrem Debüt-Album "Amore" landeten sie zwei Jahre darauf einen Überhit. Inzest-Fantasien im Mainstreamradio, das hatte es vorher auch noch nicht so oft gegeben.
Wer solls lesen?
Wanda-Fans lesen das eh. Aber auch ohne mit der Band oder ihrer Musik viel anfangen zu können, lohnt sich die Lektüre. Mit Verlust und Tod sehen wir uns früher oder später ja ohne Ausnahme alle konfrontiert. Es schadet also überhaupt nichts, sich schon vorher ein paar Gedanken darüber zu machen. Marco Wanda ist Wiener, er kennt sich mit dem Sterben aus. Er kennt außerdem das Sterben auf Raten: den Suff, die Sucht und den Sumpf, in den sie führt. Eine treffendere Beschreibung von Alkoholismus als die seine muss man wahrhaftig lange suchen.
Das beste Zitat:
"Dem Alkohol verfallene Gespenster hören den Ruf. Am Anfang springt man von Bar zu Bar, wie ein Schmetterling von Blume zu Blume. Es sind fleischfressende Pflanzen, und langsam schließen sich die Blätter um einen herum. Man ist jung und hat Kraft, und man zieht weiter, bevor man verschlungen wird. Das geht so eine Zeit lang gut, bis man den Ruf hört. Einer der vielen Bars gelingt es, und man wird sesshaft. Man hat keine Kraft mehr, von Bar zu Bar zu springen oder den Ruf zu ignorieren. Man setzt sich und lässt sich verschlingen. Man ist jahrelang irgendwohin gefahren, um es zu tun. Das hat man getan, um sich zu schützen. Aber dann entdeckt man die Bar ums Eck. Die Bar in der Nachbarschaft. Und man hört den Ruf. Diese Bar verlässt man nicht mehr. Man kann um zwei oder drei in der Früh nach Hause gehen, aber eigentlich hat man die Bar nicht verlassen. Man sitzt immer am selben Platz, und das Leben hört auf, sich zu bewegen. Man fühlt sich aus vielen Gründen schuldig und ist dankbar, endlich bestraft zu werden. Man weiß nicht, wohin mit all der Zeit und all dem Geld, also wirft man alles in diese Bar und lässt sich verschlingen. Die Bar hält einen mit einer Hand fest umklammert, und mit der anderen mixt sie Whisky Sour. Man trinkt einen Whisky Sour nach dem anderen, und man trinkt die Bar. Sie ist jetzt in einem, und man nimmt sie überallhin mit. Man denkt, man ist glücklich, und man denkt, man ist angekommen, aber man weiß nicht mehr, wie man glücklich ist."
Wertung: 5/5
Text von Dani Fromm
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