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Platz 7: Rosalía - "Lux"

Ich kann nicht einmal fünf Wörter Spanisch und fühle dieses Album komplett. Wir leben in einer Zeit, in der auch Musiker*innen spalten und es immer weniger um die Musik als große Kunst und Heilung an sich geht. "Lux" von Rosalía ist wieder eines dieser Alben, das so ein positives Grundbeben in der Musikwelt erzeugt und von dem man sofort weiß, dass es noch in Jahren zeitlos klingt.

"Lux" baut aus alltäglichen Themen wie Trennung meterhohe Kathedralen wie "La Perla" und lässt sie im Fado-Pop-Gewand wie das große Drama des 21. Jahrhunderts wirken. Genau deswegen geht oder ging man mal ins Kino oder kaufte Alben: weil sie uns mit großen Ambitionen ebenso große Unterhaltung boten. "Berghain" hat bestimmt sämtliche Manager bei Rosalías Label in Verzweiflung gestürzt, so weit ist der prätentiöse Opern-Pop von den frühen Flamenco-Alben der spanischen Künstlerin entfernt. "This is not for the charts, this is for the art, this is for the music", schrieb jemand bei YouTube in die Kommentare und hat so Recht. Der Vorgänger "Motomami" war schon der Ausbruch aus den Latin-Pop-Konventionen und halbierte die Verkaufszahlen im Gegensatz zu dem 2018-Erfolgsalbum "El Mal Querer" einfach um die Hälfte.

Rosalía geht hier den mutigen Weg, dabei wäre der hin zu einer nächsten Shakira bestimmt einfacher gewesen. Allein "Berghain" nimmt einen Künstler wie Yves Tumor in einen Song auf, den außerhalb der Pop-Mainstream-Welt keine*r kennt und der auch noch mit der deutschsprachigen Zeile "Seine Angst ist meine Angst, seine Wut ist meine Wut, seine Liebe ist meine Liebe, sein Blut ist mein Blut" beginnt. Er kam praktisch aus dem Nichts und war ein Ereignis, kein ewig angekündigter PR-Move oder die plumpe Fortsetzung einer Sad-Girl-Erzählung. Dabei ist "Berghain" nicht einmal der einzige Höhepunkt. Allein "Reliquia" ist ein neo-klassisches Wunder. Mittlerweile ist alles so mid geworden, dass auch wir Journalisten mitunter nur okayes Werk etwas zu euphorisch feiern, aber wie "Reliqua" gleichermaßen behutsam aufgebaut wird und dann am Ende in seine Fragmente zerfällt, ist schon großartig.

"Lux" ist aber nicht nur laut, sondern treibt wie in "Memoria" wie ein klassischer Soundtrack dahin. Der Song klingt, als gehöre er seit Jahrzehnten zum spanischen Lieder-Kanon. "Lux" klingt insgesamt nicht so, als fange dieses Album erst vor ein paar Jahren an, sondern als verlaufe hier der rote Faden aus mehreren Jahrhunderten weiter.

von Rinko Heidrich

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