Der Deutsche Musikrat fordert ein auf sechs Monate befristetes Grundeinkommen für Musiker*innen, um deren wirtschaftliches Überleben zu sichern.
Bonn/Berlin (ebi) - "Für diesen Monat belaufen sich meine Einnahmen auf Null", so die Überschrift eines aktuellen Spiegel-Interviews mit einer freischaffenden Musikerin aus der Klassikszene. Angesichts der bundes- und europaweiten Shutdown-Maßnahmen im Zeichen der Coronakrise berichtet Katharina Bäuml von abgesagten Konzerten bis in den September hinein: Nicht jeder kann im Homeoffice weitermachen oder Kurzarbeitergeld beantragen. Ausfallhonorare seien in ihrem Fall ebenfalls nicht in Sicht, so Bäuml.
"Niemand hat geregelt, was bei einer Epidemie passiert"
Zudem sei die Versicherungslage unklar: "Das eben ist das Problem der freien Szene. Niemand hat in den Verträgen geregelt, was bei einer Epidemie passiert". Man wisse derzeit nicht, ob das Coronavirus unter den Begriff der 'Höheren Gewalt' falle - und: "Selbst wenn ich einen Veranstalter zur Verantwortung ziehen könnte, würde ich das ungern tun. Wir leben von unserem Netzwerk. Wenn wir das zerstören, haben wir überall verloren".
1000 Euro im Monat
Da wundert es wenig, dass der Deutsche Musikrat, der Dachverband für musikalische Fachverbände und die 16 Musikräte der Bundesländer, gestern eine Forderung aufstellte, die unter normalen Umständen in Politik und Wirtschaft Empörung hervorgerufen hätte.
"Der DMR fordert ein auf sechs Monate befristetes Grundeinkommen in Höhe von € 1000 für alle freiberuflichen Kreativschaffenden. Die Einkommen der freiberuflichen Musikerinnen und Musiker, sei es im Veranstaltungsbereich wie in den musikpädagogischen Berufsfeldern, brechen mit dem bundesweiten Shutdown sofort weg, während die Kosten weiterlaufen. Bei einem laut Künstlersozialkasse durchschnittlichen Bruttojahreseinkommen freiberuflicher Musikerinnen und Musiker von € 13000 ist kein Spielraum für Rücklagen gegeben", schildert Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrats die Situation.
"Entscheidend ist, dass jetzt rasch und ohne bürokratischen Aufwand geholfen werden kann", so Höppner. Alle treffe die Krise, vom Instrumentenbau über die Kirchenmusik, den Clubbetrieb, den Musikjournalismus bis hin zu den Verlagen. Betroffene können sich hier noch bis zum 31. März an einer Umfrage des Musikrats beteiligen.
Die Angst geht um
Auch der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) forderte gestern erweitere Hilfsmaßnahmen für die Livebranche. Man begrüße zwar die allgemeinen Maßnahmen der Bundesregierung - auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte angekündigt die Kultur- und Kreativwirtschaft angesichts der Coronakrise massiv unterstützen zu wollen - gleichwohl seien erleichterte Kreditvergaben oder eine Flexibilisierung des Kurzarbeitergeldes nicht geeignet, die nun durch "mehrwöchigen Veranstaltungsausfall wegbrechenden Einnahmen sowie vor allem die bereits investierten Vorkosten von geplanten Konzerten und Tourneen" zu kompensieren. Es entstünden derzeit "Berge von Verbindlichkeiten, die über Kredite kaum mittelfristig erfolgreich abgebaut werden können", so die Präsidenten des Verbands, Jens Michow und Pascal Funke. Insbesondere kleineren und mittelgroßen Veranstaltungsunternehmen drohe die Insolvenz.
"Ich befürchte, dass in den nächsten Monaten Existenzen kaputt gehen", sorgt sich auch Katharina Bäuml. Auf die Frage, ob man Konzerte statt abzusagen streamen sollte, reagiert sie verhalten: "Geister-Konzerte mit leerem Saal, und das Publikum bekommt vor dem Computer das Konzert mit? Zum Teil wird das auch gemacht. Aber wäre dann auch unsere Finanzierung gesichert? Die festangestellten Kollegen können sich entspannen, weil sie ja in jedem Fall weiterbezahlt werden".
5 Kommentare mit 45 Antworten
Man sollte das auch auf arbeitslose, suchtkranke Blogbetreiber ausweiten!
Vielleicht ist Corona ja der Startschuss für das Bedingungslose Grundeinkommen. Man darf gespannt sein, welche Veränderungen am Ende bleiben werden...
Schön wär's natürlich. Glaube ich aber nicht einmal ansatzweise dran. Wird danach genau die gleiche Kacke gefahren werden wie vorher, höchstens kriegt der Staat noch ein bisschen mehr Macht, die Bürger auf die Finger zu klopfen. Wie immer half.
Und sind wir doch mal ehrlich: Als ob Peter Altmaier Geld für irgendwelche kulturschaffenden Schmarotzer hat! Daimler und VW schließen ihre Fertigungen für 3 Wochen, damit ist doch direkt klar, wo die Milliarden reingebuttert werden, die Strafzahlungen des Dieselskandals müssen ja auch irgendwie gegenfinanziert werden.
Hach ja das grundeinkommen. Jeder will es haben, keiner will es finanzieren. Warum sollte eine Krise die die Leute zwingt nicht zu arbeiten der Startschuss für etwas sein was die Leute dazu verlockt nicht zu arbeiten?
Weiß ich auch nicht. Ich bin leider total ungebildet. Finanziert werden könnte es, nach meiner intuition nur über einen gesunden geldkreislauf, wozu eine systemanpassung nötig ist. Aber wie gesagt, die von dir benannten Widersprüche waren mir leider nicht so klar...
"Warum sollte eine Krise die die Leute zwingt nicht zu arbeiten der Startschuss für etwas sein was die Leute dazu verlockt nicht zu arbeiten?"
Das Grundeinkommen verlockt nur die wenigsten dazu, nicht zu arbeiten. Die sind aber zum Großteil schon durch Arbeitslosengeld verlockt genug, nicht arbeiten zu gehen. Nur spart man sich die ganzen Pseudomaßnahmen vom Amt und die genaue Überprüfung. Es ist genug Kaufkraft vorhanden um jedem Bürger bedingungslos ein Einkommen auf ALG-II-Niveau zu zahlen. Das Geld fließt eh zurück in die Wirtschaft und an den Start.
Außerdem würde es einen Teil des Drucks auf die Arbeitnehmer rausnehmen, was vielleicht dazu gut sein könnte, dass wir im reichsten Land der Welt die prekären Beschäftigungsverhältnis ein bisschen runterregulieren können.
"Jeder will es haben, keiner will es finanzieren."
Bitte versuch Mal ein bisschen den Schwachsinn zu reduzieren.
Danke Caps, ich war diesmal zu faul. (:D)
Ich meinte natürlich:
"Als ob Peter Altmaier Geld für irgendwelche kulturschaffenden Schmarotzer hat!"
Oy vey.
Schwingi, schätze Obersturmbannführer Craze meinte damit die Sicht des Herrn Altmaier, nicht seine eigene Meinung.
Also hat Altmaier die Worte "kulturschaffende Schmarotzer" verwandt?
K.A., klingt eher so, als hätte der grundgute Craze ihm das in den Mund gelegt. Aber Schluß der Spekulation, er wird das sicher aufklären. Ansonsten haben wir noch Oberanalyst Speedi, der weiß ja eh was Craze wie meint.
Schwinger, manchmal bist du schon wirklich zu bemitleiden. Natürlich ging es mir - wie lauti gesagt hat - um die Sicht eines High-Performers von der CDU und in der haben nunmal Menschen die nicht mittel- oder unmittelbar am Bau von Kfz beteiligt sind keinen Platz und schon gar keine Ansprüche zu stellen. Oder bist du ernsthaft davon überzeugt, dass sich unsere Regierung zuallererst um Künstler, Betreiber von Kaffee- oder Theaterhäusern und den Pizzabäcker um die Ecke kümmert?
Wenn Peter Altmaier könnte bzw. dürfte, stünde der Pizzabäcker um die Ecke an erster Stelle.
Lieber Caps, meine Aussage ist genauso Schwachsinn wie deine Einschätzung. Denn ich denke jeder von uns hat genug Beispiele um seine Aussage zu belegen. Von daher wird es irgendwo in der Mitte stimmen. Aber dennoch danke, dass du dich für eine gesittete Argumentation entschieden hast.
Und man sieht ja, dass es nur dazu führt, dass du dich zu einem "Golden Mitte"-Fehlschluss legitimiert fühlst. Also lösch dich, Sancho.
Und beim nächsten Nick dann bitte gendergerecht faken, meine Verwirrung war immens, Danke.
Er ist entzaubert.
DieMaren = Aristoteles
Es gibt viele vernünftige für ein bge, dagegen nur sehr wenige vernünftige dagegen. Diese sind im Wesentlichen die Finanzierung und die Angst, dass es Leute dazu bringt, nicht mehr zu arbeiten. Letzteres können Leute heute schon, natürlich ist das mit etwas Aufwand verbunden, man muss hin und wieder zum Amt, hin und wieder bei der Jobsuche versagen, hin und wieder dem ein oder anderen Bescheid widersprechen. Aber ein Leben lang nicht arbeiten, das will im Grunde niemand, es geht gegen die menschliche Natur. Es ist in Untersuchungen nachgewiesen, dass gesunde Menschen danach streben, einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen.
Außerdem müssen wir aufgrund des technologischen Fortschritts lange nicht alle 40 Stunden die Woche arbeiten, viel weniger genügt, uns geht es ja jetzt mit Millionen Arbeitslosen und nochmals Millionen versteckter Arbeitsloser und einem Haufen Beschäftigter, die nicht an der Herstellung von Gütern oder an der Bereitstellung von Dienstleistungen für die Gemeinschaft beteiligt sind. Es gibt nicht genug sinvolle Arbeit, um alle Menschen im Land voll zu beschäftigen.
Der Punkt mit den Faullenzern steht also auf wackeligen Füßen. Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Es wäre sowieso angebracht, das Steuerrecht Mal zu "überarbeiten", übermäßig große Privat- und Firmenvermögen müssen zurück in den Wirtschaftskreislauf. Das Anhäufen von riesigen Vermögen darf sich nicht mehr lohnen.
Abgesehen davon gibt es gewaltige Einsparpotentiale. Ein Großteil der Verwaltung rund um Jobcenter, Wohngeld, BAföG, Sozialamt etc. kann abgebaut werden. Und letztlich fließt das BGE halt zu mehr als 95% wieder in den Wirtschaftskreislauf.
Falls du, wie immer du auch heißen magst, du Sancho, noch ARGUMENTE hast, dann kannst du die gerne schreiben, ansonsten kannst du gerne die Klappe halten.
Ja, das jetztige Geldsystem ist mit der Akkumulation von Vermögen natürlich nicht darauf ausgelegt. Dass ein Grundeinkommen wegen der Finanzierung nicht funktioniert, ist natürlich von Privilegierten gestreut, die ein Interesse daran haben, dass alles so bleibt wie es ist. Mit Anreizen kann man da im Zweifel gut gegensteuern.
Eine kleine Rüge hätte ich aber:
Ein Leben lang Arbeit und ein leben Lang sinnvolle Beschäftigung sollte man dann doch noch unterscheiden . Ohne Zwang kann letzteres erst entstehen. Auch wenn die Tätigkeit vorher die selbe war. Aber ich glaube, so meintest du das auch
Ich schwanke noch, ob ich in die Diskussion einsteigen möchte oder ob es mir reicht, mich darüber zu freuen, dass CAPS in seinen Posts mindestens zwei Rechtschreibfehler untergebracht hat.
"Aber ein Leben lang nicht arbeiten, das will im Grunde niemand, es geht gegen die menschliche Natur. Es ist in Untersuchungen nachgewiesen, dass gesunde Menschen danach streben, einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen."
Das kann ich dir aber nur deshalb so durchgehen lassen, weil Du hier anscheinend bemüht bist, erst mal Grundlagenwissen beim Gegenüber aufzubauen und weil der zweite Satz es implizit schon ein wenig gerader rückt, als der vorherige es annehmen lässt
Fakt ist, dass Menschen nach einer in ihren Augen sinnvollen Beschäftigung streben. Das kann, aber muss nicht Lohnarbeit sein.
Ob das Gefühl von "Nutzlosigkeit" und "nicht gebraucht werden", was bspw. depressive Episoden in der Gruppe Langzeitarbeitsloser begünstigt und begleitet, jetzt aber eine rein biologische Ursache hat, weil "das Arbeiten unserer Natur entspricht" oder welchen Anteil an diesem Gefühl vielleicht auch eine Sozialisation in einem entsprechenden Wirtschafts- und politischen System mitbedingt, ist mE noch nicht so eindeutig feststellbar. Bin aber als nicht in der Forschung tätiger Mensch gerne auch eines besseren zu belehren...
Ich würde ja sagen, freue dich über die Rechtschreibfehler. Aber dennoch sollte man immer bedenken, dass sich Form und Inhalt erheblich voneinander unterscheiden können. Nur weil etwas perfekt Verpackt ist, muss die Qualität darin nicht ebenso gut sein bzw. umgekehrt.
Das BGE kommt sowieso irgendwann. Man nennt es wahrscheinlich nicht so, aber Fragmente diesbezüglich gibt es ja bereits. Das dauert keine 50 Jahre mehr. Da können sich die "Leistungsverfechter" auf den Kopf stellen und mit den Beinen wackeln. Letztendlich war das ja auch das Ziel. Wozu soll ich Wohlstand generieren, wenn es immer so weiter gehen soll und es kein Endziel gibt? Wie Banane ist das denn.
Und auch wenn ich die Abschaffung einer Gängelung, wie sie bei Hartz IV stattfindet, sehr begrüßen würde, gibt es schon noch einiges mehr, das gegen ein BGE sprechen würde:
eine mögliche Inflation, eine stärkere Ghettoisierung derjenigen die dann überhaupt nicht mehr arbeiten würden, Arbeit als sozial-integrierender Faktor, die Frage, wie man eine Gesellschaft umerzieht, die von Kindesbeinen an ein wie auch immer geartetes Leistungsprinzip "gewöhnt" wird, die Frage, was das für Auswirkungen auf die Migrationspolitik hätte (siehe die skandinavischen Länder) und noch bestimmt ein paar weitere Punkte.
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@hrvorragend: Guter Beitrag.
Aber srsly, da werde ich später noch zu antworten, falls mir niemand zuvor kommt. Und sorry für die Fehlaz, ich bin ziemlich beschäftigt atm.
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Das mit der Inflation stimmt, daher ja auch: Systemanpassung. Mit den jetztigen Parametern funktioniert das natürlich nicht lange.
Umerziehung ist auch richtig, aber das ist ja nichts Neues . Das können BILD, Spiegel, SZ, ZEIT, etc. ja denke ich ganz gut oder anders gesagt: Ich traue ihnen das zu
https://www.welt.de/sport/article206608829…
scheint wirklich ernst zu sein.
Haha, wenn Brot und Spiele flöten gehen, dann wird es ernst. Da gebe ich dir Recht .
wurde der geplante schutzgraben um den reichstag eigentlich schon fertiggestellt?
Coronakrise, das Leben verändert sich, Hauptsache gendersternchen sind da!
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Ich würd ja schreiben "deine Probleme will ich haben", aber hätte ich deine Probleme, wäre ich wohl ein verbittertes Arschloch, deswegen schreib ichs nicht.
ich denke diemarem hat recht wir sollte auch in krisen zeite nich vergessen unsere wahre probleme
Kulturschaffende und sämtliche Menschen, die im weitesten Sinne in diesem Metier arbeiten, sind seit den letzten Jahrzehnten ohnehin mit im Bodensatz der arbeitenden Gesellschaft. Unser krankes Wirtschaftssystem hat dafür gesorgt, daß die Bevölkerung kein Geld mehr für die Künste hat. Und - wie jeder Historiker weiß - die Kunst kann nur erblühen, wenn es einen gewissen Wohlstand gibt.
Gibt es Krisenzeiten, und sei es noch so eine harmlose Krise wie Covid-19, wird auf diesen Bodensatz gerne verzichtet. Kaum ein Medium spricht darüber, daß Veranstalter und Künstler schon froh sein können, wenn sie einen Monat an Rücklagen haben. Jeder Ausfall ist existenzbedrohend.
Aber wie hier schon erwähnt: Die Regierung wird sich für Lebendigkeit und Schönheit nicht interessieren, weil sie den gesellschaftlichen Wert von Kultur nicht begreift. Die Hilfen gehen für nutzlose bis veraltete Industrien drauf und nicht für diejenigen, die sie am dringendsten benötigen.
@Ragism:
Warum sollte die Politik etwas begreifen, was den Konsumenten doch schon längst egal ist? Flatrate-Streamen statt Kauf ist doch alles, aber ganz bestimmt nicht der Ausdruck irgendeiner Anerkennung eines "gesellschaftlichen Werts" und die hochgerissenen Smartphones während eines Konzerts ist auch eher ein Zeichen dafür, daß da jemand ein Konzert lieber dokumentieren als erleben will, insofern kann man auch die Frage stellen, inwiefern die Konsumenten sich eines "künstlerischen Werts" bewußt sind. Sofern vorhanden, schon klar.
Gruß
Skywise
Ob Streamen oder Plattekaufen macht zwar einen, aber für die Künstler keinen entscheidenden Unterschied. Bei beidem werden sie über den Tisch gezogen, da hilft ein wenig Gleitmittel auch nicht.
Und daß bei Mainstreamkonzerten lauter Handys in der Luft sind, ist logisch und unwichtig. Der Punkt ist, daß es seit langer Zeit kaum noch Alternativen zu diesen Veranstaltungen gibt. Der Kultur einer Stadt hilft es ja nun nicht gerade, daß Robbie Williams dort einmal im Jahr auftritt.
Ich will nicht die gesamte Bevölkerung von ihrer Verantwortung entbinden. Aber Fakt ist nun mal, das sie kaum noch Geld für nicht-lebensnotwendige Dinge hat (siehe auch: Albenverkäufe). Die Argumentation "Was kann denn die Wirtschaft/der Staat dafür? Die Leute wollen es ja so!" ist fast immer ziemlicher Nonsens.
@Ragism:
Ich hab' hier letzten Samstag ein Album reinbekommen von einem jungen Duo. Würde ich es komplett streamen, würde beim Duo irgendwas im weiter entfernten Nachkommastellen-Bereich ankommen. Ich habe mir das Album gekauft, dafür 16 Euro zzgl. Versand gelöhnt, das Album erschien im Eigenverlag, ich gehe also mal davon aus, daß ein gar nicht mal so unwesentlicher Teil dieser 16 Euro bei den Künstlern hängenbleibt, auch wenn sich wahrscheinlich nur einer der beiden 'ne Pizza davon leisten kann, aber - ich glaube, so oft kann ich mir das Album gar nicht durchstreamen, daß es jemals bei den beiden für eine Pizza reichen würde ... macht es also einen Unterschied? Klar. Vielleicht nicht mehr für die Großen im Spiel, aber für die Kleinen, die sich ohnehin schon nicht mehr auf Plattenfirmen & Co. verlassen müssen - durchaus.
Nein, der Kultur hilft es nicht, wenn Robbie Williams dort einmal im Jahr auftritt, aber wenn das die einzige Kultur der Stadt ist, ist da vorher schon gewaltig was schief gelaufen.
Fakt ist aber auch, daß ich bemerkenswert viele Leute sehe, die sich offenkundig genügend Statussymbole leisten können, auch bei jüngeren Leuten, und wenn's nur dieses sündteure Make-Up ist, das sich irgendeine Youtube-Influenza in einem angesagten Video ins Gesicht schmiert. Daß die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, brauchen wir nicht zu diskutieren, aber mir ist auch von der "ich kann mir was leisten"-Seite kein echtes Signal in Sachen Kultur bekannt, aus dem hervorgeht, daß Musik mehr ist als nur Hintergrundgeräusch und der Musiker mehr als nur irgendein Kasper, der von Luft, Liebe und meinetwegen einem abgenötigten Applaus leben soll.
Gruß
Skywise
Wenn einer von beiden Peter Altmaier ist, dann reicht selbst die eine Pizza nicht mehr für einen von beiden.
Weil der so viel ißt, ne?
Skywise, daß Musiker heute bessere Möglichkeiten haben, selbst etwas herauszubringen, ist eine wunderbare Entwicklung! Und um bekannt zu werden, damit überhaupt jemand sich ihre selbst veröffentlichten Platten kaufen kann, der nicht ohnehin im Bekanntenkreis der Musiker ist, ist gerade das lächerlich ertraglose Streaming sehr hilfreich.
Darum geht es aber nicht. Wo soll eine kleine Band denn auftreten, wenn es sich für Veranstalter nicht mehr lohnt, keine bekannten Acts mehr zu buchen? Und da kommt eben das Geld ins Spiel, das bei den meisten nicht mehr lose genug in der Tasche ist, um mal auf gut Glück abends ein Konzert zu besuchen. Diese Entwicklung der letzten 20-25 Jahre wird Dir jeder Veranstalter bestätigen. Nicht nur, daß die Unkosten für sie gestiegen sind, auch die Ticketpreise können in der Situation höchstens so angesetzt werden, daß sie nur mit Glück einen minimalen Gewinn einfahren. Lauter Teufelskreise, die mit dieser Schere und somit mit Geld zu tun haben.
Daß Dir einige oder viele Leute aufgefallen sind, die sich Statussymbole leisten, kann ja durchaus auch damit zu tun haben, daß sie sich einen Scheiß um Kultur scheren. Ich habe aber trotz allem noch genug Restoptimismus, um nicht zu vermuten, daß "Kulturarbeiter" nur deswegen durch die Bank haarscharf am Existenzminimum leben, weil die Gesellschaft mittlerweile aus lauter Chads und Bros mit Goldkettchen und BMWs besteht
@Ragism:
Wozu ist das lächerlich ertraglose Streaming denn hilfreich? Streaming versorgt einen mit der Musik, die man hören will. Und dann noch mit einem Logarithmus, der einen auf das Material umschwenken läßt, das die meisten anderen, die dieses Lied gehört haben, ebenfalls gehört haben. Wenn ich nicht weiß, wonach ich suche, finde ich es auch nicht über Streaming-Dienste, so einfach. Streaming oder youtube oder sonstige Dienste sind praktisch erst mal nur dazu da, sich ständig im eigenen Saft zu bewegen oder im Saft derer, die den eigenen Saft kreuzen. Für unbeschrittene Pfade sind beide Methoden untauglich, dazu braucht es andere Medien, und dabei muß man immer das Risiko eingehen, daß jemand eben nicht auf Streamingdiensten zu finden ist, weil halt nicht in der GEMA. Weshalb ich übrigens von Radio immer mehr gehalten habe als von Streaming-Diensten. Also - ich meine Radio, nicht Dudel-Funk.
Ich weiß, welcher Teufelskreis mit dieser Schere verbunden ist. Aber das hat nur bedingt was mit den "bekannten Acts" zu tun. Mir soll gefälligst keiner erzählen, er hätte nicht das Kleingeld, um sich irgendwann mal für fünf Euro ein Konzertticket zu leisten. Zur Not hockt er sich halt für umme in ein kostenloses Konzert und läßt den Hut, der rumgeht, an sich vorbeimarschieren. Ja, solche Veranstaltungen gibt es. Es gibt einfach Leute, die sind zu bequem, um nochmal ihren Arsch aus dem Haus zu bewegen oder um sich ein paar unbekannte Interpreten anzuhören. Weil - es gibt wichtigere Dinge oder man vergnügt sich auf youtube oder mit seinem Netflix-Abo oder sonstwie. Das Geld ist nicht das einzige Problem. Und das wird Dir auch jeder Veranstalter bestätigen, der die letzten 20 bis 25 Jahre bewußt mitbekommen hat.
Klar - kann sein, daß die sich nicht um die Kultur kümmern. Würde zwar automatisch bedeuten, daß für diese Leute Musik auf einer Stufe steht mit "Hintergrundgeräusch", aber - denkbar isses natürlich. Nur glaube ich andererseits auch nicht, daß sich nur die Leute für Kultur interessieren, die sich jeden Monat in der Oper schlafen legen oder die jeden Monat entscheiden müssen, ob sie von der rechten oder der linken Hand in den Mund leben wollen.
Gruß
Skywise
Bitte nicht Logarithmus und Algorithmus verwechseln, sonst muss ich weinen.
"Dienste sind praktisch erst mal nur dazu da, sich ständig im eigenen Saft zu bewegen oder im Saft derer, die den eigenen Saft kreuzen."
Bitte mehr von dieser erotischen Literatur auf Laut.de!!!
@CAPSLOCKFTW:
Hoppla, danke schön. Wird nicht wieder vorkommen.
Gruß
Skywise
Streaming hilft unbekannten Künstlern sehr gut dabei, bekannt zu werden, ähnlich wie File Sharing zuvor. Ich bin absolut kein Streamer, aber habe schon enorm viele exotische Künstler von Bekannten empfohlen bekommen, die ihnen zufällig in die Playlisten gerutscht sind, und von denen ich nie im Leben sonst etwas gehört hätte. Und auch an Dir dürfte nicht vorbeigegangen sein, daß viele Streamingsensationen es durch Mund-zu-Mund- und Client-zu-Client-Propaganda zu guten Majorverträgen gebracht haben.
Ansonsten habe ich bei Dir nur viel Misanthropie gelesen, in der Art von "Die Jugend von heute...". Ich finde es zu platt zu behaupten, Musiker, Veranstalter und ihre Arbeiter seien deshalb in einer langjährigen Krise, weil Milliarden von Menschen weltweit aus Gründen zu kulturlosen Honks geworden sein sollen. Ich gehe da lieber danach, was nicht nur die Statistiken, sondern auch sämtliche Veranstalter, Musiker, Barkeeper, Taxifahrer usw. mir erzählen.
@Ragism:
Also bekommst Du Deine Tips von Bekannten, nicht vom Streamingdienst oder vom Filesharer selbst, und selbst bei Deinen Bekannten oder im Notfall auch bei Dir ist das Entdecken auf "Zufälle" zurückzuführen. Ich fühle mich in meiner Annahme bestätigt. Danke für die Ausführungen. Reicht mir.
Wo meine ich denn "die Jugend von heute"? Wo schließe ich denn die älteren Kaliber aus, meine eigene Generation oder die knapp über mir? Auch die Mittfünfziger haben noch die physische Möglichkeit, ein Konzert mit einem erhobenen Handy durchzustehen, wie ich dieses Jahr schon gesehen habe. Ich behaupte nicht, daß Milliarden von Menschen zu kulturlosen Honks geworden sind, ich glaube nur, daß die Wertschätzung von solchen Sachen wie Informationen oder Kultur oder meinetwegen auch Unterhaltung im großen und ganzen in unserer Zivilisation an Wert verloren haben, weil sie dem Publikum de facto in einem Übermaß und jederzeit zur Verfügung steht. Trägt man ja alles in der Hosentasche abrufbereit mit sich spazieren.
Und nur für den Fall, daß Dir das nicht bewußt ist: Veranstalter zählen zu meinen Kollegen, Künstler zählen zu meinen Vertragspartnern und zu meinem Bekanntenkreis. Auch ich habe meine Quellen. Ich stelle nur wahrscheinlich andere Fragen als Du, weil ich mit den Bengels Verhandlungen führe bzw. wissen will, was sie für die Durchführung von Veranstaltungen benötigen. Und weil ich natürlich auch mitbekomme, wie auch die Kulturbereiche abseits der Musik das Problem haben, daß die Stühle oft genug leer bleiben, und das selbst bei größeren Namen und bei moderaten Preisen, und das ist kein ausschließliches Problem des Einkommens oder der Bevölkerungsentwicklung.
Gruß
Skywise
Eine Frage an die Rap Fraktion. Rappen Capital Bra und Konserven in Zukunft darüber, wie viel Nudeln und Klopapier sie im Keller haben?