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Koralle Blau

Wie waren die bisherigen drei Monate im Lockdown? Kreativ oder depressiv?

Sebastian Tim: Weder noch. Sicherlich ist mir ein gutes Stück Kreativität und Elan abhanden gekommen, aber die Zuversicht nimmt mir keiner. Auch aus dem größten Stück Scheiße kann etwas Gutes entstehen.

Wie wird dich der Lockdown als Konzertveranstalter prägen? Gibt es Erkenntnisse oder Konsequenzen, die sich aus einem viertel Jahr Stubenhocken für euer Business ableiten lassen? Oder hofft man einfach, dass sich die Lage in den kommenden Monaten wieder normalisiert, und es so weitergehen kann wie in den Jahren zuvor?

Es hängt auf jeden Fall ein Rattenschwanz dran. Man muss ja nur bedenken, dass ein Großteil der Festivalslots 2021 nun bereits mit Acts belegt ist, die eigentlich in diesem Jahr aufgetreten wären. Keine sonderlich schönen Aussichten für Bands, die nächstes Jahr z.B. ein neues Album herausbringen und dieses vor einem großen Publikum vorstellen möchten. Was Liveshows in diesem Jahr angeht, habe ich aufgehört, Prognosen abzugeben. Wir werden schon noch Konzerte in 2020 erleben, nur werden die eben andere Rahmenbedingungen haben - auch wirtschaftlich.

Im Juni kann es unter Auflagen wieder erste Konzerte geben. Seid ihr schon kräftig am Konzerte organisieren?

Richtig aktives Booking findet ja nicht wirklich statt. Es gibt Autokinos, Biergarten-Konzerte und ja, jetzt kommen auch die ersten Anfragen für pandemiegerechte Clubshows rein. Das ist ein gutes Zeichen, aber eben auch Stückwerk. The Düsseldorf Düsterboys haben vergangenes Wochenende zwei Konzerte auf dem Freisitz-Gelände des Conne Island gespielt. Als ich die erste Show bestätigt hatte, waren wir richtig aufgedreht, das hat allen Beteiligten einen irren Euphorieschub gegeben. Beide Konzerte waren in kürzester Zeit ausverkauft, ein tolles Zeichen, wie sehr sich die Menschen nach Livemusik sehnen.

Wie rechnen sich überhaupt Konzerte, wenn in nächster Zeit nur noch ein Bruchteil der Leute kommen darf?

Eigentlich gar nicht. Man will die Eintrittspreise ja auch nicht vervierfachen. Aber ich denke, auch die meisten Künstler und Agenturen wissen, dass man in dieser Zeit solidarisch mit Clubs und Veranstaltern sein muss und vielleicht nicht bis zum Biegen und Brechen verhandelt. Momentan geht es nur darum, das Ding irgendwie am Laufen zu halten, und wenn es am Ende kostendeckend ist - gut.

Was kann man tun finanziell über Wasser zu halten? Rächt es sich gerade in der Coronakrise, dass Musik als Kulturgut regelrecht entwertet wurde? Fühlt man sich angesichts gewaltiger Kurzarbeitergeld-Volumina etc. vom Staat im Stich gelassen? Man hat ja das Gefühl, dass Freiberuflern bzw. der Kulturbranche erst zuletzt geholfen wird - oder kommt man auch in den Genuss eines finanziellen Schutzschirms und/oder anderer Hilfen?

Um ehrlich zu sein, hilft es mir wahnsinnig, viele Dinge auszublenden. Ich habe auch letzte Woche seit langem das erste Mal wieder aktiv Radio gehört. Es gibt so viele News und Entwicklungen, die einem schlechte Laune machen können, aber davon hatte ich einfach schon genug. Ist sicherlich einfältig, aber als Selbstschutz funktionierts. Was die Branche angeht, wird es ganz sicher Leute und Institutionen geben, die es nicht schaffen werden und einen neuen Weg einschlagen müssen. Auch in meinem direkten Umfeld merke ich das jetzt schon. Ich persönlich versuche mit Koralle Blau irgendwie die nächsten Monate zu überstehen und meine Zuversicht nicht zu verlieren.

Sebastian Tim ist Booker der Hamburger Konzertagentur Koralle Blau. Neben The Düsseldorf Düsterboys kümmert er sich um Auftritte von Niels Frevert, Swutscher und Erregung Öffentlicher Erregung.

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