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Long Distance Calling

Wie waren die bisherigen drei Monate im Lockdown? Kreativ oder depressiv?

Jan Hoffmann: Ehrlich gesagt, war es bisher gar nicht so schlimm. Wir waren mit Long Distance Calling schwer mit den Aufnahmen zum neuen Album "How Do You Want To Live?" beschäftigt, das am 26. Juni erscheint, und jetzt grade ist die heiße Promophase, langweilig ist uns also nicht.

Wie wird dich der Lockdown prägen? Gibt es Erkenntnisse oder Konsequenzen, die sich aus einem viertel Jahr Stubenhocken für euer Business ableiten lassen? Oder hofft man einfach, dass sich die Lage in den kommenden Monaten wieder normalisiert, und es so weitergehen kann wie in den Jahren zuvor?

Das ist eine gute Frage, die sich schwer beantworten lässt, zu mindestens zum jetzigen Zeitpunkt. Ich denke, man wird erst mit einigem Abstand erkennen, ob sich etwas geändert hat oder eben nicht. Wir hoffen aber natürlich, dass wir schnellstmöglich wieder Konzerte spielen können, weil uns das wahnsinnig Spaß macht und sicher eine unserer Stärken ist. Außerdem sind die Konzerte natürlich auch ein wirtschaftlicher Faktor, den man nicht vernachlässigen kann.

Im Juni kann es unter Auflagen wieder erste Konzerte geben. Seid ihr schon kräftig am Konzerte organisieren?

Wir haben eine große Tour für September geplant, die auch schon lange angekündigt ist. Wir hoffen natürlich, dass die Tour in irgendeiner Form stattfinden kann, drückt uns also gerne die Daumen! Außerdem schauen wir uns aktuell natürlich nach Alternativen um, zum Beispiel Autokino-Konzerte etc.

Auftreten ist für Bands das A und O. Aber rechnen sich überhaupt Konzerte, wenn in nächster Zeit nur noch ein Bruchteil der Leute kommen darf?

Das ist aktuell die Frage der Fragen, ich denke, mit ganz kleinen Zuschauerzahlen wird es sich auf keinen Fall rechnen, da zahlen Band und Veranstalter leider drauf.

Was kann man tun, um sich als Musiker*In finanziell über Wasser zu halten? Rächt es sich gerade in der Coronakrise, dass Musik als Kulturgut regelrecht entwertet wurde?

Ja natürlich. Kultur ist in Deutschland ein riesiger Wirtschaftsfaktor, der aktuell sehr stiefmütterlich behandelt wird. Man muss sehr kreativ sein, um die Ausfälle irgendwie zu kompensieren.

Wie ist die Situation konkret für euch: Fühlt man sich angesichts gewaltiger Kurzarbeitergeld-Volumina etc. vom Staat im Stich gelassen? Man hat ja das Gefühl, dass Freiberuflern bzw. der Kulturbranche erst zuletzt geholfen wird - oder kommt man auch in den Genuss eines finanziellen Schutzschirms und/oder anderer Hilfen?

Naja, es gibt ja diese von dir angesprochen Hilfen, und natürlich kann man versuchen, diese auch in Anspruch zu nehmen. Inwieweit das aber funktioniert, muss man mit Abstand betrachten, wenn wieder Normalität eingekehrt ist. In der aktuellen Situation merkt man einfach, wie ungerecht die Absicherung einzelner Branchen ist. Ich hoffe sehr, dass da ein Umdenken einsetzt. Denn auch wenn Kultur nicht zwingend lebenserhaltend oder 'systemrelevant' ist, würde die Welt ohne kulturelle Güter doch sehr trist aussehen, und letztendlich ist fast jeder Mensch Konsument von Kultur, in welcher Form auch immer.

Die Westfalener Post-Rock-Institution Long Distance Calling veröffentlicht am 26. Juni ihr siebtes Werk "How Do We Want To Live?

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