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Rockstah

Wie waren die bisherigen drei Monate im Lockdown? Kreativ oder depressiv?

Rockstah: Da Musik in meinem Leben schon lange keine hauptberufliche Rolle mehr spielt, und dieser Part meines Lebens von Podcasts, meinem Klamottenlabel Nerdy Terdy Gang und Twitch-Streams eingenommen wurde, war die Corona-Zeit eher anstrengend und vollgepackt mit Arbeit. Ich musste mir letzte Woche erstmal ein paar Tage Auszeit nehmen, weil Arbeit, Privatleben, Internetkultur und Co. mich quasi 24/7 wach gehalten haben. Das soll aber alles nicht nach einer Beschwerde klingen. Ich war saufroh, dass ich was zu tun hatte und arbeiten konnte. Einzig schade war es um die zweite Rutsche der Comedy-Tour, die jetzt gerade zu diesem Zeitpunkt stattfinden würde. Diese sowie die im Herbst eigentlich stattfindende Rockstah-Tour wurden beide auf 2021 gelegt. Aber auch damit lässt sich umgehen. Wir hatten eine schöne Aufzeichnung von der Comedy-Tour 2019 aus Hamburg, mit der ich gut digital arbeiten konnte.

Wie wird dich der Lockdown prägen? Gibt es Erkenntnisse oder Konsequenzen, die sich aus einem viertel Jahr Stubenhocken für dein Business ableiten lassen? Oder hofft man einfach, dass sich die Lage in den kommenden Monaten wieder normalisiert, und es so weitergehen kann wie in den Jahren zuvor?

Ich bin beruflich leider generell ein Stubenhocker, da ich das Meiste meiner Arbeit von zuhause aus erledigen kann. Ich glaube, auf mich hat das weniger Auswirkungen gehabt, auch was neue Erkenntnisse angeht. Aber generell war oder ist es immer noch spannend zu sehen, wie schnell kreativ alle Bereiche wurden. Autokino-Konzerte, Streams, Home Office, Lesungen in Zoom etc. - ich denke, für die Arbeitswelt hat das einige neue Erkenntnisse gebracht, mit denen sich auch in Zukunft gut arbeiten lässt.

Im Juni kann es unter Auflagen wieder erste Konzerte geben. Bist du schon kräftig am Konzerte organisieren?

Nein, wir haben alles auf 2021 gelegt. Ich bin da aktuell noch nicht sonderlich scharf drauf. Die Zeit sollte man sich schon noch nehmen. Ich verstehe aber auch die Not auf Seiten von Vollzeitmusikern, Veranstaltern und Co. - ich denke, man muss sich da jetzt rantasten und einen guten Mittelweg finden. Alles bis Januar 2021 auszusetzen, halte ich für eine sehr beschissene Idee.

Auftreten ist für Bands das A und O. Aber rechnen sich überhaupt Konzerte, wenn in nächster Zeit nur noch ein Bruchteil der Leute kommen darf?

Das Problem haben ja gerade alle. Restaurants, Konzerte, Vergnügungsparks, Kino etc. Die Auflagen sind höher, bedeutet: Mehr Unkosten durch ständige Reinigung und mehr Personal. Gleichzeitig dürfen aber weniger Leute kommen aufgrund von Sicherheitsabständen. Das muss schon gut kalkuliert sein. Ich bin da relativ radikal: Wenn man das als Konsument wirklich möchte, dann sollten auch die Eintrittspreise in dieser Zeit einfach höher sein. Klar kostet es mehr, aber das Erlebnis ist gerade auch einfach mehr unique und kleiner. Das Ganze ist eine Milchmädchenrechnung. Die Leute wollen Entertainment in einer Ausnahmesituation, dann müssen sie auch den nötigen Support leisten, wenn sie wollen, dass die Dinge, die sie lieben, am Leben bleiben können. Für viele Leute kann das sogar ein Anreiz sein, weil sie sich auf überfüllten Konzerten eher unwohl fühlen. Ich glaube, man muss hier einfach außerhalb der sich eingespielten Blase denken, was Preise, Orga und Kommunikation angeht.

Was kann man tun, um sich als Musiker*In finanziell über Wasser zu halten? Rächt es sich gerade in der Coronakrise, dass Musik als Kulturgut regelrecht entwertet wurde?

Ich glaube, diese Findungsphase ist immer noch nicht abgeschlossen. Als jemand, der mit Musik nie viel Geld verdient hat, obwohl das lange Zeit meine Vorstellung war, kann ich nur sagen: Ich hab mir sehr früh weitere Standbeine aufgebaut. Ich mache seit 2014 Podcasts, streame seit einem Jahr professionell. Ich nehme Influencerdeals an (sofern sie zu mir passen und glaubwürdig rüberkommen), habe jahrelang für Xbox moderiert und schaue, wie ich von mir ein Bild verkörpern kann, was für meine Hörer erweiterbar ist, aber dennoch in einen Rahmen passt. Mit Musik Geld verdienen ist doch schon seit Jahren schwer, wenn du nicht gerade in der A-Liga spielst. Also gibt es nur die Option das alles an einen normalen Job zu koppeln oder eben das Repertoire als "Entertainer" zu erweitern. Künstler müssen sich 2020 nicht mehr nur in einer Schublade bewegen, sofern das, was dabei rauskommt, glaubwürdig und passend ist. Diese Dogmen habe ich schon lange abgelegt.

Wie ist die Situation konkret für dich: Fühlt man sich angesichts gewaltiger Kurzarbeitergeld-Volumina etc. vom Staat im Stich gelassen? Man hat ja das Gefühl, dass Freiberuflern bzw. der Kulturbranche erst zuletzt geholfen wird - oder kommt man auch in den Genuss eines finanziellen Schutzschirms und/oder anderer Hilfen?

Ich bin hier leider nicht repräsentativ, da ich meine Soforthilfe sogar abgelehnt habe. Ich habe im März, April und Mai normal weiterverdient, das wäre Staat und anderen Künstlern gegenüber nicht geil gewesen, sich da noch weitere Kohle in die Tasche zu stecken. Am Ende ist es auch - vollkommen zu Recht - strafbar. Da haben sich einige Leute bereichert, denen das noch um die Ohren fliegen wird. Diese Gelder waren für die, die ernsthafte Probleme hatten. Dann soll die Kohle auch dahin gehen, wo sie gebraucht wird. Die Situation ist über uns alle hereingebrochen. Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Freiberufliche und auch den Staat. Ich maße mir in einer so heiklen und hochsensiblen Phase nicht an, irgendjemand vorzuwerfen, er hätte die Leute 'im Stich gelassen'. Alle mussten sich in diesen Monaten erstmal finden und organisieren. Dass dabei nicht alles geil gelaufen ist, ist klar. Wie soll da auch alles auf Anhieb klappen. Ich habe mit befreundeten Künstlern geredet, die diese Hilfe nötig hatten, und die allesamt eher zufrieden waren, da ihnen schnell geholfen wurde. Das soll die Situation aber auch nicht verallgemeinern, weil es auch genug Negativbeispiele gab. Ich hoffe einfach nur, dass alle mit einem blauen Auge aus dieser Krise rauskommen und in einem Jahr wieder so etwas wie Normalität herrscht.

Rockstah, schon damals viel mehr Podcaster als Rapper, veröffentlichte 2018 sein Album "Cobblepot". Inzwischen hält er die Familientradition hoch und steht mit einem Comedyprogramm auf der Bühne.

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