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Nur eines noch

Ich habe aber auch noch eine generelle Anmerkung zu dem Artikel. Ich habe ja schon gefrotzelt, dass ich den Daten-Journalismus-Ansatz nicht so wahnsinnig geil finde. Diese Idee, dass Zahlen erheben die wahre kulturelle Arbeit wäre, gefällt mir nicht. Aber dieser Sexismus-Artikel zeigt fantastisch, warum die journalistische Leistung in der Interpretation statt in der Aufstellung liegt. Auch nicht in den hübschen Grafiken. Der Artikel im Kern hat es nämlich nicht geschafft, eine Geschichte in den Zahlen auszumachen. Obwohl bestimmt eine drinsteckt. Es gibt bestimmt etwas anhand dieser Zahlen zu erzählen, sei es der Umgang mit Sprache und Schock-Faktor, das sich verschiebende Frauenbild von Deutschrap-Äras oder einfach nur das Zwischenspiel von amerikanischem und deutschen Sprachbild.

Was der Artikel aber zur Erklärung ihres Graphens anbieten kann: Zum einen eine Allgemeinplatz-Erklärung der Deutschrap-Entwicklung aus den letzten zwanzig Jahren wie sie in ungefähr jeden Mzee-Artikel, der jemals erschien, einführt. Zum Anderen ein Experten-Gespräch mit (der großartigen) Salwa Houmsi, die dann aber mehr oder weniger erklärt, warum die Strategie der Erhebung nicht taugt. Zum Schluss gibt es die Erkenntnis: Rap ist in der Tat sexistisch. Gott sei Dank haben wir das jetzt schwarz auf weiß.

Natürlich ist es schön, Dinge mit Zahlen belegen und hinterlegen zu können. Es wäre großartig, wenn es die eine Studie über Gehalt und Schwere von Sexismus in unserem Genre gäbe, an der man arbeiten könnte. Aber Zahlen können Musik nicht komplett einfangen und es gibt keinen objektiven, empirischen Weg, Kunst zu berechnen. Selbst in der Szene heißgeliebte Stücke an Datenjournalismus, wie die Karte, die das Vokabular von Rappern zusammenstellt, sind im Grunde sehr oberflächlich. Morlockk Dilemma und Aesop Rock sind nicht die besten Lyriker, weil sie extrem viele Worte verwenden, genauso wenig wie Kollegah und Spongebozz die besten Rapper sind, weil ihre Reime im Schnitt 5,3 Silben haben. Hallo, Dennis Sand. Diese Zahlen zu erheben kann manchmal hilfreich sein, oft unterhaltsam und in bestimmten Fällen Vergleiche erleichtern. Aber diese Studie zeigt in meinen Augen gut, wie reduktiv die reine Arbeit an der Zahl sein kann, wenn darüber hinaus der Wille fehlt, das Material zu durchdringen.

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