Nein, so hatte sich Philip Boa den Abend nicht vorgestellt. Zusammengepfercht mit anderen Größen der Indie-Musik-Szene, darunter so illustre Gäste wie Gary Numan, Cassandra Complex, Project Pitchfork und die Einstürzenden Neubauten, musste sich der schlecht gelaunteste Mann unseres Planeten den ätzenden Witz von Nils Ruf und klapprige Stühle von IKEA gefallen lassen.
Hamburg (nik) - Selbst seine magersüchtige Bambi-Braut konnte ihn nicht über das sandfarbene Jackett und die bissigen Bemerkungen Rufs hinweg trösten. Nach einer Minute rauschte Boa aus dem Raum und hinterließ zwei leere Holzstühlchen.
Der ziegenbärtige Nils Ruf ("Ich will Emotionen erzeugen") wurde von Viva Zwei als Ersatz für die kranke Charlotte Roche gewählt, die eigentlich die ersten German Alternative Music Awards moderieren sollte. "Falls Charlotte sterben sollte, können wir sie ja hier das nächste Mal aufbahren. Würde ja auch zu diesem Event passen. Dann darf jeder noch mal piercen", witzelte Ruf. Gefälliges Gelächter.
Angefixt durch die sparsamen Lacher erlaubte sich Ruf dann, zweieinhalb Stunden lang Gehässigkeit und schale Witze mit Ironie zu verwechseln. "Die Alternative zu den MTV oder Viva Music Awards sind wohl diese Awards. Wie sitzt es sich denn so auf den Holzstühlen?" Schlecht. Wie lacht es sich mit Nils Ruf? Noch schlechter.
Nils Ruf war eine klare Fehlbesetzung, aber darüber hinaus mag man sich fragen, was denn der Sinn eines Alternative Awards sein kann. Die Preisträger freuten sich mäßig über ihre Auszeichnungen, eher schon über die weibliche Garnierung des Abends, das Freibier und darüber, dass sie mal wieder für lau eine schicke Indie-Party spendiert bekommen hatten. Einzig die Chaoten von S.P.O.C.K. verliehen dem verkrampften Abend ein paar Minuten echten Glamour und Herzlichkeit.
Stirnrunzeln über Sinn und Unsinn der Alternativen Awards gab es unter anderem bei den Preisen für "Bestes Label" (Motor), "Bester Nationaler Act" (Tanzwut) und dem "DAC Award" (VNV Nation) - dem Preis der Deutschen Alternativen Charts. Schön, dass auch in der Alternativen Szene Chartplatzierungen und Major-Firmen den Ton angeben. Und jetzt bitte alle in den ersten Reihen mit den Piercings klappern, danke.
Die lauwarme Moderation wurde nur durch krachige Liveauftritte unterbrochen, die ebenfalls fast nur Pannentheater waren. Die schicken Männer von Covenant mussten ihren "Leiermann" ohne Mikro zum Besten geben, da es technische Probleme gab. Mouse On Mars machten leider nur übersteuerten Krach, die Farmer Boys crossoverten unsexy herum und Keith Caputo selbst kam auf Krücken. Er gab zwei Lieder zum Besten, in denen er wenigstens bewies, dass auch in einem kleinen Mann eine große Stimme und viel Attitüde stecken kann.
Nils Ruf bedankte sich zum Schluss, ein wenig stiller geworden durch die heftige Kritik des Publikums und der Preisträger an seiner Moderation, noch artig fürs Zuschauen, liebe Kinder, und ging sein Jackett trocknen. Ein beherzter Mann hatte ihm nach einer Stunde ein volles Bierglas über das Gesicht gegossen mit den Worten: "Dich braucht keiner hier, du Arschloch!". Prost.
Die Gewinner im Einzelnen:
Best Single
Placebo - Taste in Men
Best Album
Einstürzende Neubauten - Silence Is Sexy
Artist National
Tanzwut
Artist international
Moby (USA)
Newcomer
Zeromancer (N)
Best Label
Motor
Best Liveshow
In Extremo
Honour Award
Phillip Boa
DAC Award
VNV Nation - Standing
Viva Zwei Video Award
Farmer Boys - Here comes the pain
Best DJ / Event:
Hörsturz - Grünspan (Hamburg)

von Nikki Tiedtke
Noch keine Kommentare