Sie waren Postpunk-Legenden und beeinflussten eine Generation von Musikern. Nun ist Gitarrist Gill gestorben.
Leeds (mis) - Der britische Musiker Andy Gill, bekannt als Gitarrist der einflussreichen Post-Punk-Band Gang Of Four, ist tot. Er starb im Alter von 64 Jahren an den Folgen einer Atemwegserkrankung, wie die Band gestern auf Facebook mitteilte. Das Posting beginnt mit den Worten: "Unser großartiger Freund und oberster Anführer ist heute gestorben." Der Musiker habe aufgrund seiner "kompromisslosen künstlerischen Vision" noch aus dem Krankenhausbett heraus Demos des kommenden Albums angehört und die kommende Tournee geplant, heißt es.
In der aktuellen Bandbesetzung war Gill seit 2011 das letzte Originalmitglied. Die Briten veröffentlichten 1979 das epochale Debütalbum "Entertainment". Der Sound, ein rhythmusbetonter Mix aus Punkrock und Funk ist hoch politisch und eine Reaktion auf Margaret Thatcher, das Ansteigen von Arbeitslosigkeit und Armut verbunden mit den damals populären Bewegungen des British Movement und der National Front. Der Bandname Gang Of Four nahm hämisch Bezug auf die Gruppe radikaler chinesischer Führer der maoistischen Kulturrevolution gleichen Namens. In den Texten stößt man auf Theorien von Marx, Baudrillard und Adorno sowie Ansätze der Situationistischen Internationale, die das Hauptthema der Band stützen: die Manipulation des Menschen.
Die Band hatte keinen Hit. Als "At Home He's A Tourist" in die englischen Top 40 einsteigt, lädt man sie von der TV-Sendung "Top Of The Pops" wieder aus, da Gang Of Four sich weigern, das Wort "rubbers" ("Gummis") während der Aufführung mit einem weniger anstößlichen zu ersetzen. Der Einfluss der Band auf kommende Musikergenerationen lässt sich indes nicht aufhalten.
Für die Red Hot Chili Peppers geht 1984 ein Traum in Erfüllung, als Gill ihr Debütalbum produziert. Da hatten sich Gang Of Four bereits getrennt. "Sie veränderten meine Sicht auf Rockmusik komplett. Als ich ihre rasiermesserscharfen Rhythmen das erste Mal hörte, geriet ich sofort in einen gewaltigen, spasmischen Tanz. Kurz: Den kleinen Flea hats total weggefönt", so der RHCP-Bassist in einem früheren Interview. Gills typisch gegenläufige Funk-Gitarre im Song "Not Great Men" darf denn auch als Blaupause für die ersten zwei bis drei Chili Peppers-Alben herhalten.
Mitte der Nullerjahre preisen junge Rockbands wie Franz Ferdinand, Bloc Party, The Rapture oder Futureheads die vergessene Postpunk-Band in so vielen Interviews, dass ein mediales Interesse an Gills Band entsteht. Dadurch kommt es zur umjubelten Live-Reunion der Originalmitglieder Gill, Jon King (Gesang), Dave Allen (Bass) und Hugo Burnham (Drums). Für "Return The Gift" spielt das Quartett alte Songs neu ein, ergänzt um Remixes von Fans wie Ladytron oder Yeah Yeah Yeahs.
Als das Studioalbum "Content" 2011 erscheint, sind Burnham und Allen bereits wieder draußen. Danach verlässt auch King das Schiff. Die Alben "What Happens Next" (2015) und "Happy Now" (2019) sind die letzten Alben, die Gill unter dem Namen Gang Of Four veröffentlichte. Wie Flea in seinem Kondolenzposting verrät, war ein Gang Of Four-Tribute-Album geplant, für das er mit John Frusciante bereits einen Song an Gill geschickt hatte.
Really bummed to hear of Andy Gill’s passing. He, and the rest of the Gang, changed how we attacked the live show, gave us a bar to try and rise to. And so much metallic volume...good bye to one of the best. R.I.P., Andy. #gangoffour
— Mike Mills (@m_millsey) February 1, 2020
Andy Gill..R.i.P-????????
Gang of Four - Ether https://t.co/sOW87H8qy0— graham coxon (@grahamcoxon) February 1, 2020
RIP Andy Gill, Gang Of Four " Damaged Goods " will always remind me of being 19 and free. Thank you for that.
— Lol Tolhurst (@LolTolhurst) February 1, 2020
So sad to hear about the passing of Andy Gill. Gang of Four were one of the best and working with Andy on our early singles and first album set us on our path. A true gent. Absolutely gutted.
— The Futureheads (@thefutureheads) February 1, 2020
1 Kommentar
"Entertainment!" hat den Indie-Rock-Sound der 2000er (Strokes etc.) quasi erfunden und Gills kreischende Gitarre diente so ziemlich jeder Alternative-Rockband als Schablone. Großer Verlust, auch wenn Gang of Four mehr oder weniger nur noch als Schatten einer wegweisenden Band existierte.
Der Meilenstein für "Entertainment!" ist absolut überfällig.