Konzertreview: corto.alto live in Berlin

Der Vordenker des europäischen Jazz gastiert im Gretchen. Und man versteht, weshalb Glasgow als Epizentrum der Szene gilt.

Berlin (fma) - Liam Shortall alias corto.alto zu Gast im Berliner Gretchen - und schon am Einlass zeigt sich gestern Abend, dass das für den Club vergleichsweise gesetztere Publikum keiner Electro-Brause entgegenfiebert, wie sie der schottische Musiker ansonsten gerne in seinen DJ-Sets kredenzt. Gemeinsam mit drei Mitstreitern führt Shortall vielmehr sein Debüt "Bad With Names" auf, ein modernes Jazz-Album.

Shootingstar der Jazz-Szene

Der für einen Jazz-Event am Montag ordentlich gefüllte Club ist kein Zufall: corto.alto wird als das neue europäische Jazz-Wunderkind gehandelt. Besagtes Debüt stammt aus dem vergangenen Jahr, aber schon zuvor machte Shortall die Szene mit EPs und dem Versprechen heiß, den Synkretismus à la Brainfeeder und anderen Beat-Vordenkern amerikanischer Bauart endlich ein europäisches Äquivalent entgegenzusetzen.

Das Publikum bekommt vom Schotten und seinen Mannen dann teils virtuosen Jazz serviert. Die klassische Ausbildung und Erfahrung des Bandleaders und seiner Mitstreiter hört man offenkundig: Blindes Verständnis prägt ihr Zusammenspiel. Die warme Atmosphäre des Albums - ein verbindendes Element zu anderen Genres - geht gleichwohl ein Stück weit verloren: Die sehr präsenten Drums stechen den Bass und vor allem die Tasten bzw. das elektronische Element regelmäßig aus. So kommt der Sound live zwar schärfer, allerdings sorgen Songs wie "Slope", die eher verhuscht Flächen für das Saxofon öffnen, für die stärksten Momente auf "Bad With Names".

Glasgow - Stadt der Jazz-Innovation

Das brillante Stück zählt auch live zu den Highlights und verleiht dem eher konventionell ausgeführten Jazz das gewisse Etwas. Überhaupt verleitet einen der Sound des Schotten zum Schwelgen, tanzbar ist der Lounge-angehauchte Jazz weniger. Auf jeden Fall macht dieser Abend Lust auf mehr, und man versteht, weshalb Glasgow derzeit als Epizentrum der Vordenker der Jazz-Szene Europas gilt. Ein völlig gerechtfertigter Ruf.