Nicholas Rombes, Englischprofessor an der Universität von Detroit, hat ein Wörterbuch des Punk geschrieben - ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dafür aber mit viel Anreiz zum Schmökern.
Roxy Club (mmö) - Eigentlich sind 2009 die Feierlichkeiten zum 30-Jährigen von Punk längst vorbei. 1979 war Punkrock für Puristen eh schon mausetot. Dennoch erscheint in diesem Sommer mit "A Cultural Dictionary Of Punk" (Continuum Verlag, Taschenbuch, 320 Seiten, €18,99) ein weiteres durchaus relevantes und lesenwertes Buch zum Thema.
Das Werk von Nicholas Rombes zeichnet sich in der Hauptsache durch seine erfrischende Unkonventionalität aus. Rombes ist Professor für Englisch an der Universität von Detroit Mercy und pflegt einen durchaus anspruchsvollen, aber nicht dogmatischen oder gar elitären Blick auf die Periode der Popgeschichte, die wohl mit den wenigsten Akkorden auskam.
Unkonventionell ist das Kompendium vor allem deswegen, weil es keine standardisierten Einträge verzeichnet. Von einem kurzen, faktisch gehaltenen Artikel über (womöglich fiktive) Dialoge über die Ramones bis hin zu anscheinend autobiographischen Episodenerzählungen zum Beispiel zu Patti Smith ist im Dictionary alles möglich.
Blick über den Tellerrand
Auch die Auswahl der Themen mag überraschen: Neben Betrachtungen über einzelne Platten oder Songs finden sich auch Abschnitte mit Titeln wie "Most absurd year in the history of Rock'n'Roll, the" oder "Ramones, first lines of songs on first three albums". Doch nicht nur das Obskure hat im "Dictionary Of Punk" Platz, Rombes blickt weit über den Tellerand hinaus, wie Betrachtungen über Filme, Bücher oder Politik oder "Bad Taste in 1974" aufzeigen.
Von Prä- bis Post-Punk
Hier deutet sich ein weiterer interessanter Aspekt des Wörterbuches an: Rombes wählt für seine Ausführungen den Zeitraum von 1974-1982. Also Prä-Punk bis Post-Punk und wirft damit unausgesprochen wieder die alte Frage auf: Kann man Punk eingrenzen? Waren Television und MC5 nicht auch irgendwie Punk? Haben Suicide und die Stooges nicht den gleichen Spirit geatmet? Und warum soll mit dem Ende der 100 Tage des Roxy Club auch Punk untergegangen sein? Sind New und No Wave nicht logische Fortsetzungen von Punk in unterschiedlicher Definition?
"A Cultural Dictionary Of Punk" ist nicht zum Durchlesen gedacht. Das in DIY-Ästhetik aufgemachte Buch lädt mehr zum Schmökern, aber genau so auch zum innehalten und Philosophieren. Und natürlich zum Hervorkramen alter Platten.
5 Kommentare
Lasst den Punk doch endlich mal in Ruhe sterben. Diese zeitgenössische Erscheinung in westlichen Überflussgesellschaften ist doch nur noch für Historiker und Sozialanthropologen interessant.
Ziemlich teuer für Punk...
@HeißeBlonde1991 (« Lasst den Punk doch endlich mal in Ruhe sterben. Diese zeitgenössische Erscheinung in westlichen Überflussgesellschaften ist doch nur noch für Historiker und Sozialanthropologen interessant. »):
little do you know ...
@czily: Ja, kann ich nur empfehlen (s. Artikel). Nick ist vor allem auch ein echt Netter und ist (trotz Uniprofessur) wohl auch echter Altpunk.
@Czily (« solang sich jemand an dich erinnert, bist du nicht tot .... und an den Punk erinnert noch ziemlich vieles. zurecht.
aber ich seh dem punk nicht beim sterben zu - ich hör mir eher an wie er sich entwickelt. das gefällt mir zwar nicht alles, ... aber mir sogar besser als der punk der ersten tage. »):
Das ist doch der Punkt. Punk ist doch nur noch moderner Punkrock, bunte Haare und Gemeinschaft für kaputte, obdachlose Kinder an Bahnhöfen.
Und der "moderne Punkrock" hat in seinen beiden Extremformen (Asi-Deustchpunk und - schlagt mich - Billy Talent) nun wirklich nichts mehr mit der Castingband Sex Pistols zu tun.
Was ist denn von "No Future" geblieben? Der Klimawandel?
Ein Hoch auf die Kommerzialisierung jugendlicher und politischer Subkulturen.