Die Sängerin und Schauspielerin verstarb gestern in London im Alter von 78 Jahren im Kreis ihrer Familie.

London (alc) - Marianne Faithfull, die wilde Ikone der Londoner Swinging Sixties, die Drogensucht, Obdachlosigkeit, zwei Komas, Krebs und Covid-19 überlebte, ist gestern im Alter von 78 Jahren in London gestorben. "Mit tiefer Trauer geben wir den Tod der Sängerin, Songwriterin und Schauspielerin Marianne Faithfull bekannt. Marianne ist heute in London im Kreise ihrer liebevollen Familie friedlich verstorben. Sie wird uns sehr fehlen", gab ihr Sprecher in einer Erklärung bekannt.

Als Tochter eines britischen Geheimdienstoffiziers aus dem Zweiten Weltkrieg kam Marianne am 29. Dezember 1946 in London zur Welt, ihre Mutter war eng mit der österreichischen Aristokratie verwandt. Sie wuchs in einem Kloster auf und war in den Sechzigern ganz vorne dabei, als Drogen, Alkohol und sexuelle Exzesse die Rockmusikszene beherrschten.

Ihre eindringliche Stimme in ihrem ersten Hit "As Tears Go By" aus dem Jahr 1964 spiegelte die dunklere Seite des britischen Popsounds wider und stand etwas im Kontrast zu den Melodien der Beatles und der Rolling Stones, die mit der British Invasion die ganze Welt eroberten. Faithfull war zeitweise mit Mick Jagger liiert, wurde später heroinabhängig und litt nach dem Ende der Beziehung an Magersucht. Anfang der 1970er Jahre lebte sie zwei Jahre lang auf den Straßen des Londoner Stadtteils Soho.

Faithfulls prägende Jahre verbrachte sie im Swinging London Mitte der 1960er Jahre, als sie eine aufstrebende Folksängerin war. Mit 18 heiratete sie und bekam einen Sohn. In der englischen Metropole traf sie den Manager der Rolling Stones, Andrew Loog Oldham, der ihre Popmusikkarriere förderte und sie in den inneren Kreis der Band brachte. 1966 verließ sie ihren Ehemann, den Künstler John Dunbar, und begann eine Beziehung mit Jagger, die beiden galten als das Szene-Paar schlechthin. Faithfull steuerte den Hintergrundgesang zur Beatles-Single "Yellow Submarine" bei und war die Inspiration für "Sympathy For The Devil" der Stones.

Ihren Ruhm verdankt sie jedoch vor allem ihren drogen- und alkoholbedingten Eskapaden mit den bösen Jungs des Rock. Sie und Jagger wurden 1968 wegen Cannabisbesitzes verhaftet. Faithful beklagte die strenge Doppelmoral gegenüber Frauen, während die Verhaftungen dazu beitrugen, das Image von Jagger und Richards als Outlaws zu stärken. Faithfull nahm auch Anstoß an ihrer Darstellung als Muse Jaggers. Als die 1960er Jahre zu Ende gingen, verblasste Faithfulls glamouröses Leben schnell. Sie verbrachte zwei Jahre als Heroinabhängige auf den Straßen Londons, nachdem sie und Jagger sich 1970 getrennt hatten. Diese Erfahrungen waren die Grundlage für ihr düsteres Album "Broken English", das sie selbst als ihr Meisterwerk bezeichnete.

"Sie dachten, ich würde abkratzen!"

Aber egal, wie tief sie fiel, Faithfull kam immer wieder zurück. Sie veröffentlichte insgesamt 21 Soloalben, darunter das von Kritikern gefeierte "Broken English" im Jahr 1979, das ihr eine Grammy-Nominierung einbrachte. Sie schrieb drei Autobiografien und machte eine Karriere als Filmschauspielerin.

"Ich bin so traurig, vom Tod von Marianne Faithfull zu hören. Sie war so lange ein so großer Teil meines Lebens. Wir werden uns immer an sie erinnern", schrieb Jagger in einem Beitrag auf der Social-Media.

Ihr jüngstes Comeback gab sie 2021 mit dem Album "She Walks In Beauty", nachdem sie sich in den frühen Tagen der Pandemie mit Covid-19 infiziert hatte und während eines dreiwöchigen Aufenthalts in einem Londoner Krankenhaus ins Koma gefallen war. Dass sie sich dennoch von der Krankheit erholte, war zu der Zeit nicht abzusehen. Auf der Karteikarte am Fußende ihres Bettes stand der Hinweis "Nur Palliativpflege". "Sie dachten, ich würde abkratzen!", so Faithfull gegenüber der New York Times im April 2021.

Als es ihr wieder besser ging, stellte sie innerhalb eines Jahres das Album fertig. "She Walks In Beauty" ist eine eindrückliche Sammlung von Gedichten aus der Romantik. Später klagte sie über Symptome von Long Covid wie Müdigkeit, Atemprobleme und Gedächtnisverlust. Im März 2022 wurde Faithfull nach Denville Hall verlegt, ein Altersheim in London.

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