Ein Jahr nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis veröffentlicht Bertrand Cantat mit seiner Band Noir Desir zwei neue Songs. In Frankreich kochen die Emotionen hoch.
Bordeaux (mis) - Der wegen Mordes an seiner damaligen Freundin Marie Trintignant im März 2004 zu acht Jahren Gefängnis verurteilte Sänger Bertrand Cantat kehrt auf die Musikbühne zurück. Bereits im Oktober 2007 war Cantat vorzeitig wegen guter Führung und finanzieller Entschädigung der Hinterbliebenen aus der Haft in Toulouse verlassen worden.
Nun hat die Gruppe aus Bordeaux, die die gesamten vier Jahre ausharrte und auf ihr stimmliches Aushängeschild wartete, mit "Gagnants perdants" und "Le temps des cerises" zwei neue Songs mit Cantat auf der offiziellen Seite noirdez.com als Gratis-Downloads veröffentlicht.
So kommt es, dass der Fall Cantat, der seinerzeit in Frankreich nicht nur in feministischen Kreisen zu neuen Diskussionen über Gewaltverbrechen in Partnerschaften geführt und nebenbei die Plattenverkäufe der Band erheblich angekurbelt hat, erneut die französischen Gemüter erregt.
"Dieser Mörder wagt es zu singen?"
Besonders im Internet wird Cantat schwer angegangen. In einem Yahoo-Forum mit dem Titel "Frauen schlagen ist hässlich, mit Cantat aber ein bisschen cooler" äußert sich die Userin Mounette: "Dieser Mörder wagt es, noch einmal sein Wort und sogar seine Stimme zu erheben? Arme Marie. Es ist eine Schande."
An anderer Stelle heißt es: "Ich respektiere das Schaffen der Band, beklage aber die Tatsache, dass manche Cantat weiterhin als Helden verehren." Der User gilbert L. flüchtet sich in Wortspiele: "Il avait de noirs désirs" ("Er hatte ein dunkles Verlangen").
Neues Album 2009
Noir Desir haben derweil schon mit den Arbeiten an einem neuen Album begonnen, das 2009 erscheinen wird, wie Gitarrist Serge Teyssot-Gay gegenüber verschiedenen Medien bestätigte.
Die französische Presse zollt der musikalischen Rückkehr einer der bekanntesten Rockbands des Landes Respekt. So schreibt etwa das Online-Portal des Fernsehsenders France 2 zu "Gagnants Perdants": "Die Gruppe hat nichts von ihrem aufrührerischen Esprit und ihrem Engagement verloren und Cantat nichts von seinem desillusionierten Vortrag."
"Le temps des cerises" ("Die Zeit der Kirschen"), aufgenommen mit Mitgliedern der Gruppe Eiffel, ist ein Klassiker des politischen Chansons aus dem 19. Jahrhundert, "Gagnants Perdants" (Untertitel: "Gute Nacht, ihr Kleinen") ein neues, typisch melancholisches Noir Desir-Stück, das auf die gegenwärtige Finanzkrise Bezug nimmt. Es sei unmöglich gewesen, den Song der Öffentlichkeit vorzuenthalten, bekräftigt die Band auf ihrer Homepage den aktuellen Bezug.
DVD-Beteiligung aus dem Knast
2004 soll Cantat seine Freundin Marie, Tochter des berühmten Schauspielers Jean-Louis Trintignant, in einem litauischen Hotel verprügelt haben, woraufhin sie ins Koma fiel und kurz danach starb. Der bis dahin als sanftmütig bekannte Sänger behauptete, sie lediglich viermal geohrfeigt zu haben.
Im September 2005 veröffentlichte die Band das Livealbum "Noir Désir en public" sowie die DVD "Noir Désir en images", auf der Videoclips und Liveausschnitte der Gruppe zu sehen sind. Spezielle Auflagen gestatteten es dem inhaftierten Sänger, sich an der Produktion zu beteiligen.
Cantat unterschrieb noch vor der Freilassung einen neuen Plattenvertrag. Er darf sich zur Tragödie in Zukunft weder auf der Bühne noch in sonst irgendeiner Form äußern. Das letzte Noir Desir-Studioalbum mit Cantat stammt von 2001.
37 Kommentare
Zitat (« Userin Mounette: "Dieser Mörder wagt es, noch einmal sein Wort und sogar seine Stimme zu erheben? Arme Marie. Es ist eine Schande." »):
Ich kann diese Art von Argumentation nicht vertragen...ein Mörder ist in erster Line Eins und zwar ein Mensch. Von daher darf niemand ihm das Recht absprechen z.B., wie in diesem Fall, Musik zu machen und zu veröffentlichen.
Ich habe keinesfalls vor irgendwelche Verbrechen zu rechtfertigen...nur damit das nicht missverstanden wird.
@js («
Zitat (« Userin Mounette: "Dieser Mörder wagt es, noch einmal sein Wort und sogar seine Stimme zu erheben? Arme Marie. Es ist eine Schande." »):
Ich kann diese Art von Argumentation nicht vertragen...ein Mörder ist in erster Line Eins und zwar ein Mensch. Von daher darf niemand ihm das Recht absprechen z.B., wie in diesem Fall, Musik zu machen und zu veröffentlichen.
Ich habe keinesfalls vor irgendwelche Verbrechen zu rechtfertigen...nur damit das nicht missverstanden wird. »):
Word. Find ich auch ziemlich erbärmlich. Die Strafe ist abgesessen, jetzt darf er seine durchaus brilliante Stimme wieder so oft und laut erheben, wie er will.
@just keven («
mörder sind menschen die man nicht bewundern sollte, selbst wenn sie nur einen geliebten menschen und dafür große weltverbesserer sind. ich könnte ihre kunst die sozusagen nichs mit einem mord zutun hat meiner meinung nach nicht mehr mit gleichem auge sehen. »):
Das verlangt ja auch keiner...natürlich verändert sowas die Sicht die man auf jemanden oder seine Kunst hat.
Was mir gegen den Strich geht ist dieses "Er sollte sich schämen, wie kann er sich sowas anmaßen"-Gelaber.
Aber das bleibt natürlich nur ein Theoretisches Problem,
Den Gerechtigkeit sieht ja so aus das nur der Getötete seinen Mörder töten darf. Nur der zufällig überfahren wurde, seinen Überfahrer überfahren darf ,...
Aus diesem Dilemma heraus hat man sich Götter, Götzen, die Wiedergeburt, das Karma,... ausgedacht/begründet...
Hitler zu töten wäre vernünftig, Heins-Dieter zu töten verständlich gewesen, und beides wäre universell moralisch richtig. Der ders tut liegt moralisch trotzdem falsch. Deswegen werden Hitler und Heinz Dieter ja auch vom Karma bestraft.
ich versteh dich ja echt nicht so recht.
"abgrundtiefer hass"? woher dieses reinsteigern einerseits und die mangelnde bereitschaft ungleiches auch als ungleich anzuerkennen.
auf der einen seite:
ein typ, der eiskalt seinen trieb über die gesundheit anderer stellt und dies auch schon öffentlich gerechtfertigt hat. der die absolute steuerungsfähigkeit besitzt und nur "keinen bock" hat, sein ego zurückzustellen.
auf der anderen seite:
zwei liebende, die in einen leidenschaftlichen handfesten streit geraten sind, cantat, der vollkommen unfähig zur steuerung wegen drogen und alkohol war, dem ein reales einschätzen der situation nicht möglich war.
in der zugedröhnten art haben sich liz taylor und richard burton 1000mal gekloppt. die hatten nur mehr glück, das nix daraus passierte. oder jim morrison und seine pamela
das muß doch einen unterschied bei dir machen, ob man vorsätzlich menschenverachtend handelt oder fahrlässig. die kriminelle verwerflichkeit und energie ist doch fundamental anders.