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Platz 8: Faith (1981)

Schon der Auftakt mit Simon Gallups voluminösem Basslauf, der unwirsch und kalt auf Lol Tolhursts Skelettdrums voranschreitet, macht klar: Hier wird es nicht fröhlicher als zuletzt auf "Seventeen Seconds". Und schon gar nicht ändert man etwas am minimalistischen Konzept des Vorgängers. Schließlich setzt auch Robert Smiths Gitarre und seine gewohnt mit Geisterschloss-Hall-Ambiente wehende Stimme ein: "The Holy Hour" färbt die Stimmung sofort ein wie das Cover-Artwork: grau, grauer, The Cure. Die zwei Glockenschlänge am Ende des Openers hätte es nicht mehr gebraucht: Dies ist die Musik für gesellschaftliche Außenseiter, die auch gerne mal frische Luft auf einem Friedhof schnuppern.

Die Songs und die Produktion sind karg und unbehaglich, erst recht im direkten Vergleich zum Nachfolger "Pornography", das ändert sich auch auf der ausnahmsweise schnellen Single "Primary" nicht, auf der Gallup und Smith beide am Bass und keine Gitarre zu hören ist. Die Hoffnung der Fans auf eine Rückkehr zu ihren punkigen Roots machen die folgenden Songs schnell zunichte, auch wenn "Doubt" noch eine Ausnahme bildet. Keyboarder Matthieu Hartley hatte die Band verlassen und Smith nahm dies als Anlass, dessen Instrument noch sparsamer einzusetzen. "Faith" ist ein Trauermarsch aus wortlosen Klagen und Smiths in Echokammern verborgenen Schreien. Mit Songtiteln wie "All Cats Are Grey" und "The Funeral Party" - vom Albumtitel einmal abgesehen - verhilft er der Presse unfreiwillig zum später verhassten Gothic-Etikett für seine Band.

Die verarbeiteten Gedanken über Sterblichkeit hatten für Smith eine reale Komponente: Seine Großmutter war gestorben, während Tolhursts Mutter während der Aufnahmen im Sterben lag. Die von ihr häufig genutzte Phrase "All cats are grey in the dark" verwandelt Smith in einen Song. Was sind das auch für Aussichten: Erwachsen werden, alt werden, sterben. "Further we go and older we grow / the more we know the less we show" ("Primary"). Die fiebrige Vertonung von Desillusion und Finsternis erreicht auf "The Drowning Man" einen emotionalen Höhepunkt, doch mit "Faith" folgt ein für The Cure stilprägendes Monument im Stile von "A Forest". Der Einfluss des Joy Division-Albums "Closer" ist greifbar, es gibt keinen Refrain, keine Hook, nur Gallups stoisch-resignativen Basslauf und Tolhursts beinahe feierlich-neblige Akkordarbeit.

"Catch me if I fall / I'm losing hold / I can't just carry on this way": Smith ist damals 22 und auf der Suche, die Songs hinterfragen sowohl den Glauben von religiösen Kirchgängern, als auch das Prinzip der Ewigkeit und den Sinn des Alterns. Trotz der scheinbaren Ausweglosigkeit schimmert im gleißenden Mantra "Faith" am Ende die Hoffnung durch: "I went away alone / With nothing left but faith." Auf der "Prayer Tour" zum "Disintegration"-Album bildet "Faith" später den krönenden Abschluss. "Der Song besetzt einen Platz in meinem Herzen, der niemals verdrängt werden kann. Für das, was er mir damals bedeutete", so Robert Smith.

Anspieltipps:

"Faith", "Primary", "The Drowning Man"

Besser weiträumig umfahren:

"Doubt"

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