Nachruf: Andre Williams
Der Tod des Surf-Königs Dick Dale mag musikhistorisch wichtiger sein, aber lassen wir das mal mit den Gewichtungen. Meistens zählt ja die persönliche Verbindung und Dale habe ich zwar in "Pulp Fiction" gehört, aber nie live gesehen, Andre Williams dagegen drei Mal. Zu dem gestern verstorbenen US-Musiker könnte ich viel erzählen. Fakt ist: Kaum jemand kennt ihn, weshalb er auch Stammgast in meiner Kolumnenrubrik "Kennt keine Sau, aber du" war. Womöglich durften ihn auch einige wenige Glückliche von euch live im Clubambiente erleben, wo er nach seiner Revitalisierung durch Jon Spencer 1998 alle paar Jahre anzutreffen war. Zufall oder Vorhersehung waren jedenfalls im Spiel, als ich als klammer Student 1998 im Konstanzer Kulturladen Eintritt für einen ominösen Kultsänger aus Detroit hinlegte, der mir anschließend mit seiner damaligen Begleitband Demolition Doll Rods das Hirn wegfönte. Verdattert stand ich anschließend am Merchandise-Stand, holte mir sein Album "Silky", als Andre plötzlich im Pelzmantel auftauchte und den Merch-Kollegen fragte, wo denn sein verdammter Bus bleibe (dieser stand, durch die Glastüre gut sichtbar, genau vor dem Haupteingang).
Zu seiner großen Zeit in den 50er und 60er Jahren war Andre, genannt Dre, Miterfinder eines Stils, der als Dirty Soul bekannt wurde, und das selbstverständlich nicht ohne Grund. Sein Hit "Jail Bait" von 1957 etwa drehte sich um Sex mit Minderjährigen und dessen Folgen. Ganz egal, für welche Seite Williams hier Sympathien hegte - er war nun der Mann, vor dem Eltern ihre Töchter warnen. Seine mit Essensmetaphern gespickten Songs "Greasy Chicken" und "Bacon Fat" bejubelten dafür Leute wie Frank Zappa, Bootsy Collins, Keith Richards und Patti Smith. Anfang der 70er arbeitete er an einem Ike & Tina Turner-Album und erhöhte in diesem Zusammenhang seine Expertise in Sachen Kokainkonsum. Der Kater nach dem Rausch: lange Jahre auf der Straße (sehr empfehlenswert: Die Doku "Agile Mobile Hostile" zum obigen Trailer).
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