Platz 6: Lil' Beethoven (2002)

Das hat niemand kommen sehen: Zwei Jahre nach "Balls" erscheint dieses Album und die Sparks sind nicht wieder zu erkennen. Weg ist der eingängige Synthie-Pop, stattdessen krachen hier Geigen auf Klavier- und Keyboardspuren, eine Art Orchestermusik, die tanzbar, gleichzeitig aber völlig verrückt ist. Der Ansatz des minimalistischen Modernismus funktioniert: Im absoluten Album-Highlight "My Baby's Taking Me Home" singt Russell die Titelzeile mehr als hundert Mal, während Ron eine atemberaubende musikalische Dramaturgie um diese Philip Glass-Repetition baut. Wollte man jemandem mit nur einem Song das Phänomen Sparks vermitteln, müsste man der Person diesen Song vorspielen.
Zu Beginn des Albums spielt Russell mit der Zeile "Oh no! Where did the groove go?" auf die Verwandlung der Sparks an. Das vorrangige Ziel, ohne den Einsatz von Gitarren Druck zu erzeugen, nämlich mit dem Einsatz großflächiger Orchesterarrangements, ist der Weg aus der künstlerischen Sackgasse. Man muss sich auch vergegenwärtigen, dass hier zwei Typen in ihren Fünfzigern einen kompletten Neustart hinlegen, ohne Rücksicht auf Verluste und - endlich - ohne nervige Plattenfirma.
Der Großteil des Albums lässt einen beim Hören einfach nur staunend zurück, einzig die catchy Single "Suburban Homeboy" fällt etwas aus dem Rahmen, eine mitreißende, an Blasmusik geschulte Nummer (wie später "Onomato Pia"), in der Russell über weiße Männer aus der Mittelschicht singt, die sich schwarze Kultur aneignen. Nicht ohne Selbstironie natürlich, sammelt doch Ron Air-Jordans und liebt Hip-Hop. Die Line "How Do I Get To Carnegie Hall?" betont Russell so eindringlich, dass man sie nie mehr aus dem Kopf bekommt. Dabei zeichnet er ein trauriges, aber liebenswertes Bild eines klassischen Strebers ("I practiced! / I practiced!").
"What Are All These Bands So Angry About?" nimmt populäre Bands wie Limp Bizkit und Korn, nun ja, aufs Korn, die den Sparks vermeintlich den Platz an der Sonne streitig machen ("Someone's bounced us from center stage"). "Lil Beethoven" ist dennoch nicht die 9. Sinfonie der Kalifornier, sondern ein vollumfänglich gleißender Karriere-Neustart. In den Worten von Ron: "If you don't like it, we don't care. I think that's the essence of what pop music should be."
Anspieltipp:
"My Baby's Taking Me Home", "How Do I Get To Carnegie Hall?", "I Married Myself", "Suburban Homeboy"
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