Erst das kleine grüne Krokodil, dann ein brabbelnder Crazy Frog und jetzt ein Hase, der sich über zu wenig Sex beklagt: die skurrile australische Band TISM und ihr voll animierter Hauptprotagonist.
Melbourne (ebi) - Infantil, knuddelig, süß, lustig, mit einer einfachen Botschaft ausgestattet, und bestenfalls an den Mutterinstinkt appellierend: Animierte Helden scheinen für die Musikindustrie derzeit eine sichere Bank zu sein. Schließlich zicken Schnappi und Konsorten nicht rum wie echte Rockstars oder verursachen teure Hotel-Kosten - es gibt sie ja gar nicht. Und promoten lässt sich das Ganze gleich mehrfach: als Klingelton und Wallpaper für's Handy, als E-Card oder als Musikstück respektive Single. Spätestens seit ein Klingelton-Frosch aus Deutschland die britische Band Coldplay von der Pole-Position der Charts verdrängte, dürfte die Handy-Kompatibilität den Labels mindestens genauso wichtig sein wie der Track selbst - oder sogar noch wichtiger?
Den neuesten, textlich nicht ganz jugendfreien Vorstoß unternimmt eine australische Band, die seit Gründung nur maskiert auftritt und absurde Shows aufführt. This Is Serious Mum, kurz TISM, trafen sich schon 1982 und wahren seitdem ihre Anonymität. Anno 2005 beschäftigt sich das Quintett mit einer der elementarsten Fragen der Menschheit und kam zu folgendem Ergebnis: "Jeder andere hat mehr Sex gehabt als ich." Ein Gedanke, der ihrer Ansicht nach vielen nicht fremd ist. Der einzige Trost für die Misere lautet übrigens: Es gibt immer jemanden auf der Welt, der noch weniger Körperflüssigkeiten austauscht als man selbst.
Um "Everyone Else Has Had More Sex Than Me" einen passenden Clip zu verpassen, hielt die Band eine "TISM Short Film Competition ab", und schon war ein perfektes Symbol geboren: ein sexfreier Hase mit großem Mitleids-Potenzial, der sich im Vorfeld via Internet und Fernsehen verbreiten lässt, ohne dass sich Damian Cowell, Peter Minack, James Paull, John Holt und Eugene Cester ihrer Band-Tradition folgend offenbaren müssten.
In der klassischen Gitarrenrock-Tradition stehend, aber mit elektronischen Einsprengseln versehen, schraubt sich die Uptempo-Nummer in einen poppigen Mitsing-Refrain hinein, der nicht an kräftigen Drums und Refrain-Riffs spart. Trotz der Partystimmung behält die Melancholie des Tracks am Ende aber die Oberhand.
Wenn sich der kleine Hoppelhase am Schluss des Clips das Näschen putzt, vor lauter Einsamkeit tief seufzt, sich die Äuglein mit Tränchen füllen, die dick und salzig die Bäckchen hinunterkullern, spätestens dann werden die meisten den Zeichentrick-Hasen am liebsten ganz fest drücken und trösten wollen - vielleicht mit dem Kauf der Single oder einem Wallpaper-Download auf's Handy. Ob ein komplettes Album der in Down Under wegen ihrer beinharten Satire stets umstrittenen Rocker hierzulande in den Handel kommt, ist noch unklar.
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