Nie zuvor verfügte eine WM über ein so prägnantes Soundbranding: Trööööööööööööööööööööööt.
Südafrika (rai) - Die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika ist gerade ein paar Tage alt, und schon haben deutsches Feuilleton und Fernsehvolk in ungeahnter Einigkeit einen akustischen Lieblingsfeind gefunden: Die Vuvuzela. Erregte Zuschauer beschweren sich bei ARD und ZDF über den permanenten Summton, teutonische Fanmeilen verbieten den Einsatz der Plastiktröte gleich ganz.
Afrikaner, bleib bei deinen Trommeln
Selbst das hiesige Feuilleton doziert kulturchauvinistisch, die Vuvuzela sei ja gar kein traditionelles afrikanisches Musikinstrument, sondern nur ein relativ neumodischer Marketinggag. Der Neger durchschaut das halt nur nicht und feiert mit dem billigem China-Import.
Deutsche Fangesänge werden plötzlich als ungeheuer vielfältig glorifiziert, obwohl in den meisten Bundesligastadien doch eine deprimierende Uniformität megaphongetriebener Liedchen vorherrscht und gerade Länderspiele kaum mehr als "Schland-" und "Sieg-" Gegröle hervorbringen.
Doch egal, die Uweseelers nerven. Viel lieber sähe (bzw. hörte) manch kulturbeflissener Bildungsbürger sein Hippie-Klischee vom trommelnden Afrikaner bestätigt. Aber die Vuvuzela ist nicht Hippie sondern Punkrock. Das demokratische, weil spottbillige Plastikinstrument erfordert keine Virtuosität, keine Musikschule. Selbst Berufstrompeter vermögen ihm kaum mehr als zwei Tonlagen zu entlocken. Nur: wer sich auf den WM-Tribünen umsieht, wird erkennen, dass man auch zu repetitivem Tröööt und Möööp tadellos tanzen kann. Wenn man tanzen kann.
Alles ist Lärm
So offenbart sich einmal mehr der hierzulande herrschende Spießbürger-Kanon: "Feiern ist ja ok, aber bitte nichsolaut." Wenn fremde Kulturen Party machen, wird das grundsätzlich als Lärm empfunden. Egal ob Hip Hop oder Metal oder Vuvuzela - alles Krach.
Und so sieht man sich in der misslichen Lage, ausgerechnet dem stets kritikwürdigen FIFA-Chef Sepp Blatter einmal dankbar sein zu müssen. Er hatte bereits im Vorfeld ein Verbot der Vuvuzelas kategorisch ausgeschlossen. Die Welt müsse eben mit den Gepflogenheiten der Gastgeber klar kommen: "Afrika ist laut". Wir von laut.de wissen das zu schätzen.
82 Kommentare
Jaja, wieder mal ein eifriger Gutmensch, der von Fußball und dessen Dramatik keine Ahnung hat. Hier nochmal ganz laaangsam zum Mitschreiben: es blasen nicht nur Einheimische, sondern auch Gästefans.Zudem ist es wurscht, ob ein Kamm, ein Fagott oder ein Didgeridoo geblasen wird. Es geht auch nicht um die Lautstärke, sondern um die andauernde Grundbetrötung. Belangloses Geplänkel im Mittelfeld-Tröööt.Spieler liegt verletzt am Boden-Tröööt.Torchance um Haaresbreite verfehlt-Tröööt.Wer Fußball versteht und toll findet, weiß, was ich meine.
Gruß: T.
Ich finde den Vergleich mit dem Punkrock echt gut!
Ich finde es schade, dass die "Uwe-Seelers" jegliche Fangesänge im Keim ersticken. Ansonsten kommt ja doch noch Stadionatmosphäre auf, Fußball ist auch durch andere Klänge nicht zwecksentfremdet. Außerdem steht Afrika ja für Ethno-Kitsch. Ich finde es übertrieben, dass sich jeder Kommentator beim Fußball derartig echauffieren muss, von vielen anderen ganz zu schweigen. Wie dem auch sei: In vier Wochen sind wir die Vuvuzellas im momentanen Umfang los und es wird sich in ein Paar Jahren kaum noch einer dran erinnern.
@Shlumpf!:
Mir fällt zum Beispiel auf, dass der Autor es in keiner Weise kenntlich macht, dass es sich dabei um ein Zitat handeln könnte. Und wenn der Autor es ironisch verstanden haben möchte, wär ich gleich mal doppelt vorsichtig.
@Jan van Dark:
Zitat Wikipedia: "Ursprünglich aus Blech hergestellt, wurde die Vuvuzela in Südafrika in den 1990er Jahren entwickelt." (http://de.wikipedia.org/wiki/Vuvuzela) - Wenn es eine Tradition sein soll, dann eine reichlich junge.
Habe grad erfahren, dass es auf den Färöer Inseln seit 300 Jahren Tradition ist, sich einmal im Jahr an der Küste zu treffen und Wale abzuschlachten. So jetzt sagt mir mal dass man das änden soll!
Es ist nur leider eben tatsächlich so, dass die Vuvuzela an sich nichts, aber auch rein gar nichts mit afrikanischer Kultur zu tun hat. Vielmehr handelt es sich bei dem Folterinstrument erwiesenermaßen um einen Marketing-Gag aus dem Jahre 2004. Das Teil wurde von windigen Werbern erdacht, damit sich Südafrika bei der Bewerbung um die WM von den anderen Bewerbern abheben konnte.
Das ewige Getröte als Kultur zu verkaufen ist nichts als romatisches pseudo Gutmenschentum.
Die Dinger zerstören bei der WM jedes letzte bisschen Fankultur in den Stadien und sind darüber hinaus höchst gesundheitsgefährdend.
Darüber hinaus, finde ich es kein bisschen spießbürgerlich, wenn man auf einen 90 Minuten andauernden, gleichbleibenden, 130 db lauten Ton genervt reagiert. Und im übrigen ließe sich auch auf den Lärm eines Presslufthammers tanzen, was diesen aber noch lange nicht punkig oder gar revolutionär macht.
Es bleibt zu hoffen, dass diese unsäglichen Teile nie Einzug in Stadien außerhalb Südafrikas halten.