laut.de-Biographie
NoFX
Als Anfang der 90er Punk sein großes Revival erlebt, starrt die ganze Welt auf Green Day und The Offspring, die jeweils mehr als 10 Millionen Exemplare ihrer Alben "Dookie" und "Smash" verkaufen. Doch da gibt es eine Band, die sich vollkommen allen Vermarktungstechniken widersetzt, die keine Videos dreht, sich gegen Airplay im Radio zur Wehr setzt und kaum Interviews gibt: NoFX.
Begonnen haben die Mannen um Fat Mike schon viel früher. 1983 beschließen drei Punks an der Fairfax High School in Los Angeles, Kalifornien, eine eigene Band zu gründen: Erik Sandin (Drums), Eric Melvin (Guitar) und "Fat" Mike Burkett (Bass). Der Sänger und ein zweiter Gitarrist wechseln in den Anfangstagen häufig. Der Name entsteht in Anlehnung an die Bostoner Hardcore-Band Negative FX. NoFX kann einerseits für "No Effects", andererseits aber auch für "No Fucking Straight Edge" stehen.
Noch im Gründungsjahr nehmen sie ihr erstes Demotape auf, im Jahr darauf touren sie und spielen für $50 in Garagen. 1985 nehmen sie bei Mystic Records ihre ersten Singles und EPs auf. Unstimmigkeiten mit dem Label führen zur Gründung von Fat Wreck Chords durch Fat Mike. Außerdem wechselt die Band von Mystic Records zum Bad Religion eigenen Label Epitaph. Ab 1986 mutiert Fat Mike zum Fulltime-Sänger, 1989 kommt schließlich noch Aaron Abeyta, genannt El Hefe, an der zweiten Gitarre hinzu, außerdem spielt er Trompete. In dieser Besetzung machen sie bis heute weiter.
Ihr 1990er-Album "Ribbed" macht sie über die Grenzen ihrer Heimat Kalifornien bekannt. Mit dem Einstieg von El Hefe verändert sich auch der Stil der Band, es fließt mehr Ska in die Musik ein, und, was das Wichtigste ist, durch ihn verbessert sich die Band technisch ganz erheblich. Als 1992 "White Trash, Two Heebs And A Bean" veröffentlicht wird, gelingt NoFX der Durchbruch und zwei Jahre später sind sie mit "Punk In Drublic" ganz oben. MTV fragt nach Videos, die Majorlabels bieten Verträge an, doch NoFX bleiben sich treu und schlagen alle Angebote aus.
Im Laufe der Neunziger entwickelt sich NoFX zum Big Player im amerikanischen Punkrock, nicht nur wegen der Institution Fat Wreck im Rücken, die zu einer der wichtigsten Plattformen für viel versprechenden Punknachwuchs wächst. Mit fulminanten Auftritten auf Open-Air-Veranstaltungen in ganz Europa gewinnt die Band auch die Herzen der Fans der Alten Welt. Hier kriegt der ungeliebte George "Dabbeljuh" Bush sein Fett weg, ein Festival-Klassiker ist ihre Interpretation von Joe Dassins "Les Champs-Élysées".
Inspiriert von Amerikas Big Brother-Mentalität und Bushs in den Augen von NoFX naiver Weltanschauung kommt im Mai 2003 das Album "The War On Errorism", das mit allen Freunden texanischer Lebensweisen abrechnet. Dieses Album ist das erste reguläre Album von NoFX, das auf Fat Mikes Label Fat Wreck erscheint. Fat Mike ist nicht nur Labelboss, er steht mit seiner Organisation Punkvoter und der Rock Against Bush-Tour an der Speerspitze der Bewegung gegen die Regierung; nebenher spielt er Gitarre bei der Allstarpunkband Me First And The Gimme Gimmes.
Obwohl die "Bewegung" mit der Wiederwahl von Bush 2004 einen herben Rückschlag erhält, macht Fat Mike weiter. Und auch NoFX sind weiterhin lautstark gegen die US-Regierung unterwegs. Musikalisch entwickelt sich die Band nicht bemerkenswert weiter, spielt aber immer noch Ligen über anderen Bands und behauptet allein auf Grund ihrer Hintergründigkeit und Selbstironie ihre Daseinsberechtigung.
Drei Jahre nach "The War On Errorism" machen sie mit "Wolves In Wolves' Clothing" (2006) weiter und bleiben politik- und religionskritisch. Auch der Albumtitel bezieht sich auf die Politik der USA, wie Fat Mike im Ox-Fanzine erklärt: "Das ist eine Metapher für die derzeitige Situation der USA: Wir sind ein Land, das behauptet, für Demokratie und Frieden zu stehen und zumindest mal so getan hat, als seien wir die Netten und Guten. Jetzt aber haben wir den Schafspelz abgelegt und sind einfach nur die Wölfe, die wir sind. Wir ficken alle und tun, was wir wollen." Nicht nur mit Aussagen wie dieser, auch mit dem Cover zur EP "Never Trust A Hippy", auf dem Jesus mit einer Weinflasche abgebildet ist, polarisieren NoFX. Die EP erscheint knapp einen Monat vor "Wolves In Wolves' Clothing".
Bevor sie 2009 ihr elftes Studioalbum "Coaster" bzw. "Frisbee" (der Name der Vinyl-Version) veröffentlichen, schließen sie sich für ihr 25-jähriges Jubiläum mit den ex-Bandmitgliedern Dave Casillas und Steve Kidwiler für drei Shows zusammen. Casillas spielte als zweiter Gitarrist auf dem NoFX-Debüt, Kidwiler ersetzte ihn danach und nahm mit den Punks "S&M Airlines" und "Ribbed" auf.
Auf "Coaster" und "Self Entitled" (2012) ändert sich sowohl hinsichtlich des Sounds als auch der Themen nichts. Das sieht vier Jahre später auf "First Ditch Effort" schon anders aus. Die punkige Haltung weicht der Auseinandersetzung mit Drummer Sandins Drogenvergangenheit oder der Erinnerung an einen verstorbenen Freund, kommt aber beispielsweise wieder zum Vorschein, als Fat Mike über seinen Vater Paul singt, den er 2006 verliert.
2020 machen NoFX gemeinsame Sache mit Singer/Songwriter Frank Turner: Auf "West Coast Vs. Wessex" covern sie je fünf Songs des jeweils anderen. Die Kollaboration initiiert Fat Mike, der auf Turner zukommt. Dieser wiederum sagt sofort zu: "Verdammt, natürlich will ich! Das klingt unglaublich", erwidert er den Vorschlag. Beide bringen bei den Covern ihre eigene Note ein. "Ich habe eine Menge Akkorde geändert. Frank ist mir in Sachen Gesang überlegen. Ich kann also nicht besser singen als er, dafür kann ich aber vielleicht hier oder da eine Melodie oder einen Akkord einbauen, an den er nicht gedacht hat", erläutert Fat Mike seinen Ansatz.
Gänzlich frische Akkorde und Melodien gibt es im Jahr danach auf dem "Single Album", an das sich das "Double Album" 2022 von Namen und Klang her anschließt. Es ist außerdem die letzte LP der Gruppe. Vier Monate vor Release kündigt der Frontmann in einer Antwort auf einen Instagramkommentar an, dass sich die Band 2023, 40 Jahre nach Gründung, auflösen werde. Im Januar 2023 geben NoFX eine letzte Tour bekannt. "Wir werden mit ganzem Herzen spielen... mit all unserer Freude ... und dann sind wir fertig. Wir sind wirklich fertig", äußert sich Fat Mike in einem Pressestatement. Musikalisch bleibt er der Musikwelt dennoch erhalten. Mit "Gets Strung Out" übersetzt er viele seiner Songs in ein Klassik-Korsett.
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