laut.de-Kritik
Kuscheliger Punk-Fight mit zwei Gewinnern.
Review von Christian KollaschEs sollte der große Punk-Schlagabtausch des Jahres werden: Skatepunk gegen Folk-Punk, Szene-Ikonen gegen Pop-Querdenker, England gegen die USA, NOFX gegen Frank Turner. Beide Kämpfer besitzen eine ähnlich große Leidenschaft für den Punk, leben sie künstlerisch aber höchst unterschiedlich aus. Ein Clash der Generationen, den die Teilnehmer in den sozialen Medien im Vorfeld mit kleinen und großen Sticheleien befeuerten.
Im realen Boxgeschäft dürfte das Main Event "West Coast Vs. Wessex" dann wohl als Wettbetrug gelten. Denn anstatt sich ordentlich auf die Glocke zu hauen, liegen sich NOFX und Turner über zehn Runden lang in den Armen. Flaschen fliegen an diesem Abend trotzdem nicht aus dem Publikumsbereich in den Ring, denn das Split-Album der guten Freunde stellt sich als überaus originelle Neuinterpretation der jeweiligen Werke heraus.
NOFX läuten auf "West Coast Vs. Wessex" die Kollaboration ein und stellen gleich mit dem Opener "Substitute" unter Beweis, wie viel Punk-DNS doch in Turners Songwriting steckt. Die Kalifornier verwandeln den ursprünglichen Countryfolk-Trennungssong von Turners Album "Love Ire & Song" in einen energetischen Melodycore-Prügel und verwenden die Lagerfeuer-Akkorde des Originals dabei als typische Ska-Einlage.
Für Turner muss es surreal gewesen sein, das eigene Material von einer seiner Lieblingsbands vorgespielt zu bekommen. Die Vorbilder aus seiner Jugend avancieren auf "West Coast Vs. Wessex" zu gleichgestellten Fans seiner Musik, die sie mühelos in ihren Sound aufnehmen. Während des Entstehungsprozesses der Split gab es zwischen den beiden Seiten keinerlei Absprachen. NOFX und Turner arbeiteten abgeschottet an den Neuinterpretationen und überraschten sich am Ende gegenseitig.
Auf Seiten von NOFX fällt diese Überraschung nicht allzu groß aus. Die Band schreibt Turners Songs, die größtenteils aus seinen früheren Alben stammen, in ihrer zackigen Handschrift zwischen brachialem Punk und zurückgelehnten Ska neu. So transformieren sie etwa Turners klassischen Protestsong "Thatcher F****d The Kids" in eine tanzbare Ska-Party. Die Abrechnung mit der eisernen Lady bekommt durch die funkige Orgel und das aufgekratzten Saxophon einen schmerzhaft ironischen Beigeschmack.
Für die Umwandlung der atheistischen Heartland-Rock-Ballade "Glory Hallelujah" aus Turners "England Keep My Bones" entledigen sich NOFX der Springsteen-Ästhetik und verkünden Gottes Tod mit einem Mix aus Barmusik und Gospel, den am Ende der altbewährte Hochgeschwindigkeitspunk wegspült. NOFX bleiben mit Turners Stücken in ihrem Element und legen den Punk-Kern seiner Musik frei.
Auf Turners Seite spielt sich Gegenteiliges ab. Die wohl größte Entfremdung findet auf seinem Cover zu "Bob" statt, wo der Brite keinen Stein auf dem anderen lässt. Aus dem brachialen Ska-Punk-Klassiker macht er eine luftige Country-Ballade, die dem Song überraschend gut zu Gesicht steht. Der Storyteller-Ansatz passt eben wunderbar zu Turners Stil und rückt spätestens mit einem Mundharmonika-Solo ganz dicht an Bob Dylan heran.
Mit seiner Version von "Eat The Meek" liefert Turner ein Highlight der Split ab, das dem schlurfenden Reggae-Original von 1997 eine Alternative-Rock-Seite aufzeigt. Zu einem grummelnden Basslauf hetzen hektische Drums den Song einem Ende voller Pathos entgegen, ohne dabei in Kitsch abzudriften. Turner beweist hier seine musikalische Weitsicht und verdichtet das Stück mit großer Geste.
Auf "Falling In Love" nimmt sich Turner wiederum zurück und dreht dem Power-Punk-Original den Saft ab. Hier erschafft er ein düsteres Gitarrenstück, das zu geisterhaften Tönen im Hintergrund ein Akkordeon heraufbeschwört. So dreht Turner den Song komplett auf links und bringt den Text über Liebe und Tod noch eindringlicher rüber.
NOFX-Frontmann Fat Mike hat Turner auf einem Festival so zwischen Tür und Angel seine Idee zu dieser Split unterbreitet. Dass aus dem Spaßprojekt so tiefgreifende Song-Analysen entstehen, hat da vielleicht noch keiner der beiden erahnt. Am Ende des Kampfes gibt es zwei Gewinner: Turner als langjähriger Fan, dessen Musik einen würdigen Punk-Anstrich erhält, und die Veteranen NOFX, die ihre Songs aus einem völlig anderen Blickwinkel betrachten können.
1 Kommentar
ich finde es sehr gelungen nicht so gut wie die cuntry platte der M.D.Cs aber dennooch