laut.de-Biographie
Phantom Band
Ein All-Star-Projekt, das hervorragende Musik veröffentlicht und dennoch weitgehend unbekannt bleibt; kann es das geben? Oh ja! Ein solches Phänomen sind zweifellos die Alben der Kölner Phantom Band um den Can-Schlagzeuger Jaki Liebezeit.
Letzterer fühlt sich 1980 bei der eigenen Stammband nicht total ausgelastet und verspürt den Wunsch nach ganz eigenen Solopfaden. Gesagt getan. Zusammen mit ein paar experimentierfreudigen Kumpeln trommelt der Drummer eine ganz bunt schillernde Truppe zusammen.
Zur festen Besetzung der Phantom Band gehören der - dank der Harald Schmidt-Show einem großen Publikum bekannte - Keyboarder und Komponist Helmut Zerlett, der Perkussionist Olek Gelba sowie der Gitarrist Dominik von Senger, allesamt Teile eines großen Musikerpools, aus dem sich in den vergangenen 30 Jahren unzählige musikalische Projekte ergeben haben, darunter Dunkelziffer, der Can-Ableger Damo Suzuki Band oder auch Trance Groove.
Mit Rosko Gee, dem früheren Traffic-Bassisten, findet man den idealen Sänger für das groovige Debütalbum. "Phantom Band" bedeutet musikalisch eine Weiterentwicklung der späten Can-Musik. Die Lieder strotzen geradezu vor karibischen und afrikanischen Einflüssen und glänzen mit einer mitreißend positiv groovigen Grundstimmung.
Das wenig später ohne Gee erscheinende Zweitwerk "Freedom Of Speech" schlägt hingegen in eine vollkommen andere Richtung aus. Die LP schockt als düstere Avantgarde-Rock-Collage. Trotz aller Düsternis und Schroffheit hier und verspielter Anmut dort werden beide Scheiben vom selben Treibstoff angetrieben. Das ist das unverwechselbare monoton - gleichwohl polyrhythmische - Schlagzeugspiel von Jaki Liebezeit und die Vorliebe der Phantom Band für saftige Jamaika Grooves im Dub- oder Reggae-Stil.
Diesen scheinbar simplen Nebeneffekt kann man musikhistorisch gar nicht hoch genug bewerten. Während die Punkszene in London sich noch verwundert die Augen reibt und auch die legendären Clash den Rasta-Beat noch nicht (oder nur amateurhaft) für sich entdeckt haben, adaptieren die Phantome ganz lässig diese Musikrichtung für ihren sehr krautigen Popzirkus und die finster zerklüfteten Soundscapes. Außer den ähnlich Dub-orientierten P.I.L. und dem Bassisten Jah Wobble gibt es europaweit in dieser Periode nichts vergleichbares.
Beide Alben sind qualitativ ihrer Zeit weit voraus und stoßen in der debil simplen Neuen Deutschen Welle auf eher begrenzte Resonanz bei Publikum und Feuilleton. Dieser Umstand erweist sich als wenig hilfreich für den Zusammenhalt der Phantom Band. Mangelnde Verkaufszahlen und die Eingebundenheit in anderen Gruppen fordern ihren Tribut. Die Band liegt auf Eis.
Erst 1994 gibt es ein erneutes Lebenszeichen. Die CD "Nowhere" erscheint und kann weder musikalisch noch konzeptionell den beiden ersten Geniestreichen das Wasser reichen. Was das Quintett künstlerisch zu sagen hat, ist bereits lange vorher verkündet worden.
Die Phantom Band ist seitdem nicht wieder in Erscheinung getreten. Aufgelöst hat sie sich jedoch auch nie. Erst 2010 erscheinen die mittlerweile in der Fachwelt rehabilitierten und als Raritäten gesuchten ersten Alben erstmalig auf CD.
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