laut.de-Biographie
Phat Kat
Die Liste der nachgesagten Nutznießer von Jay Dees postmortalem Fame ist lang. Dieser Meinung sind zumindest die Berufs-Hater, die sogar Dillas langjähriger Crew Slum Village einen Erfolg ohne ihren Produzenten absprechen wollen. Zwei weitere Detroiter Urgesteine sind außerdem immer wieder erklärtes Ziel der Nörgler, die Dillas Produzententalent zwar zu schätzen wissen, aber seine Vorliebe für kompromisslose Underground-Rapper nicht teilen können: Guilty Simpson und der 300-Pfund Koloss Phat Kat.
Mitte der Neunziger Jahre ist New York ohne jeden Zweifel der Ton angebende Ort der Hip Hop-Szene. Irgendwann in dieser Zeit steckt Phat Kat bei einem Detroit-Konzert des New Yorker Aushängeschildes Gang Starr ein Demotape DJ Premier zu. Ihm und seinem Partner Guru gefällt, was sie hören und Phat Kat landet bei dem aufstrebenden New Yorker Label Payday Records. Bei selbigen sind derzeit Künstler wie Jeru the Damaja, Group Home, sowie Showbiz und A.G. unter Vertrag.
Ihre Klassiker "Runaway Slave", "Goodfellas" (Showbiz & A.G.) und "Wrath Of The Math", "The Sun Rises In The East" (Jeru) sind bereits Meilensteine in der Hardcore Rap-Tradition des Big Apples. Doch Phat Kat unterschreibt dort keinen Solo-Deal, sondern verpflichtet sich mitsamt seinem produzierenden Kumpel James Yancey bei dem Label. Sie nennen sich 1st Down und veröffentlichen die 12'' "A Day Wit the Homiez/Front Street". Was zu dem Zeitpunkt noch keiner ahnt, ist, dass Phat Kats Partner unter dem Namen J Dilla einige Jahre später in den Olymp der besten Hip Hop-Produzenten aller Zeiten aufsteigen sollte. Mitte der Neunziger ist die Welt jedoch noch nicht bereit für diesen Sound und die Single kämpft sogar im Detroiter Radio um Airplay.
Es kommt noch schlimmer: Ein Majorlabel schluckt Payday Records und 1st Down verlieren ihren Vertrag aufgrund geringer Erfolgsaussichten. Der Traum, es vielleicht mit Hilfe von Payday in New York zu schaffen, platzt augenblicklich. Es geht also zurück in die vor sich hin darbende Ex-Industriemetropole Detroit. Die Musik bleibt Phat Kats Hauptbeschäftigung, jedoch orientiert sich Partner Jay Dee anderweitig. Von einem Bruch oder gar dem Ende der Freundschaft kann keine Rede sein, aber Dilla hat in den Rappern Baatin und T3 zwei neue Partner gefunden, mit denen er als Slum Village den Weg nach Oben antritt. Slum Village kommen in Kontakt mit A Tribe Called Quest-Mastermind Q-Tip und The Roots-Drummer ?uestlove, die beide bereits in der Industrie Fuß gefasst haben.
Dilla avanciert zum musikalischen Kopf der Soulquarians und des dazugehörigen Produzentenkollektivs The Ummah und etabliert sich als Größe in der weltweiten Hip Hop-Szene. Seinen alten Kumpel Phat Kat vergisst er dabei nicht. Durch seine Kontakte landen Kats Tracks auf den Schreibtischen von Szene-Größen wie Pete Rock, Q-Tip und ?uestlove, die sein Talent erkennen und ihn gerne ausgiebig mit auf Tour nehmen. Ein Plattenvertrag bringt das leider nicht und Phat Kat schlägt sich als von der Szene ignoriertes Liebhaberprodukt der tatsächlichen Szene-Stars durchs Leben.
Die Höhen und Tiefen der Nicht-Karriere werden natürlich emsig in Tracks verpackt, die zwar das Zeug dazu hätten, aber kaum auf Platte gepresst werden. 2004 ist es einmal mehr eine alte Bekanntschaft aus Detroit, die Phat Kat schließlich den lange gehegten Traum erfüllt, die etlichen Songs, die im Laufe der Jahre entstanden sind, zu veröffentlichen. RJ Rice, langjähriger Beobachter der Detroiter Rap-Szene, verpflichtet Phat Kat für sein neu gegründetes Label Barak Records. Der Rapper zeigt sich dankbar und beauftragt Rices Sohn RJ Junior und dessen Produzentenkollegen Black Milk für den Großteil der Produktion seines Debüts "The Undeniable". Über zehn Jahre im Musikgeschäft hat es gedauert, bis Phat Kat sein Erstlingswerk veröffentlichen darf.
Doch seinen künstlerischen Hafen hat der Detroiter auch hier nicht gefunden. Barak Records misslingt eine dem Produkt entsprechende Promo und Phat Kat trennt sich von der ohnehin recht erfolglosen Plattenfirma. Zeit zu neuen Ufern aufzubrechen, im wahrsten Sinne des Wortes: Das in San Francisco ansässige Label Look Records von DJ Design nimmt den umtriebigen Rapper unter Vertrag und kündigt an, bald das wirkliche Debüt Phat Kats zu veröffentlichen. Von etwas Großem ist die Rede, doch an die großkotzige Art, die der gemeine Detroiter Rapper an sich hat, gewohnt, will man diesem Gerede nicht wirklich glauben schenken.
Doch es kommt anders und dabei spielt ein äußerst tragischer Zufall eine große Rolle. Im Februar 2006 stirbt Phat Kats langjähriger Begleiter Jay Dee und hinterlässt eine paralysierte Szene, die sich erst jetzt der Ausnahmestellung Dillas bewusst wird und fortan jeder neuen Veröffentlichung, bei der der Produzent vor seinem Tod die Finger im Spiel hatte, mit Hochspannung entgegenblickt. Auf diese Weise bekommt auch Phat Kats Album "Carte Blanche" eine für ihn unbekannte öffentliche Aufmerksamkeit geschenkt - fünf exklusiven Dilla-Beats sei Dank.
Doch auch der Rest des imposanten Albums stellt sich den Erwartungen - Black Milk, Young RJ und Nick Speed liefern tadellose Produktionen, Elzhi, T3, Guilty Simpson und Fat Ray treten als übliche Kollaborateure aus der Heimat auf und Phat Kat macht das, was er am besten kann: Er rappt sich dem Frust vom wohlgeformten Leib, erzählt vom harten Leben in Detroits Eastside und macht auch sonst ordentlich auf dicke Hose. Qualitativ gesehen soll DJ Design mit seiner Ankündigung des ersten richtigen Albums Recht behalten.
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