laut.de-Kritik

Der Alfred J. Quack des deutschen Pops.

Review von

Wie, Pietro Lombardi macht noch Musik? Am liebsten hängt der Karlsruher zwar in den Überschriften des Boulevards herum, mit "Kapitel" unterstreicht er jetzt aber noch einmal, dass er mit seinen Schlagzeilen sogar noch erträglicher herüberkommt als mit diesen 13 klanggewordenen Wandtattoos. Lombardis zahnloser Säuselpop dramatisiert gerne, badet in Selbstmitleid und kriselt so mit leierndem Autotune durch das Album. Dieser Effekt auf seiner Stimme gestaltet sich durchgehend so enervierend, dass man schon eine schlechte Bitrate des Streams im Verdacht hat. Von wegen, das soll wohl wirklich so klingen.

Mit "Alles Was Ich Hab" eröffnet der 32-Jährige sein Schmonz-Sammelsurium zu Chipmunk-Tunes und Plastikbeat. Diese flammende Liebeserklärung an seine Laura liefert die wohlige Versicherung, dass der Haussegen des Paares doch nicht schief hängt. Im vergangenen Jahr gab es noch viel Wirbel darum, dass Lombardi nach einem Streit handgreiflich geworden sein könnte. Nichts passiert, klärten die beiden später auf. Es sei nur ein Konflikt um dreckige Wäsche eskaliert. Ebenso banal floskelt sich Lombardi durch die ersten Minuten von "Kapitel".

Aber keine Sorge, wer Drama sucht, wird im Anschluss bei "Bye Bye" fündig, wo Lombardi die endlosen Streitereien in seinem Leben in einen Song gießt: "Ja das war so gemein / Aber nicht so gemeint". Autsch, dieser Cringe-Schauer muss erst mal den Rücken herunterlaufen, aber Zeit zur Erholung bleibt nicht, bis Lombardi nachsetzt: "Red' mir ein, ich hab das alles hier im Griff / Doch am Ende ist es so wie am Anfang, yeah". Der arme Mann steckt in einer Möbiusschleife aus Beziehungstress fest und erregt da fast schon Mitleid. Meine Güte, muss das anstrengend sein.

Dass "Kapitel" inhaltlich zu diesem Zeitpunkt schon abgearbeitet ist, verwundert kaum. Aneinandergereiht ergeben die Tracks ein ständiges Auf und Ab zwischen großspurigen Liebesgeständnissen und unaufhörlichem Gejammer über Zwist mit der Partnerin. Dieses akustische Reality TV könnte vielleicht sogar kurzweilig unterhalten, wenn es nicht so nervenabreibend produziert wäre. Was für Emotionen verhallte Quietschstimmen zu Pianoklängen auf "Ich Liebe Dich" auslösen sollen, bleibt so ein Mysterium.

"Ich Versteh Die Welt Nicht Mehr" stellt Lombardi folgerichtig fest und er reflektiert: "Manchmal lach' und manchmal wein' ich". Pietro Lombardi, der Alfred J. Quack des deutschen Pops. Fröhlich gibt er sich im Titeltrack, auf dem er auf Latin-Beats aus der Dose zu Frühlingsdüften tanzt. Die Trauer setzt dann direkt mit der sülzigen Pianoballade "Lass Los" ein, die abgeschmackte Durchhalteparolen durchkaut: "Also lass los, wenn es nicht weitergeht / Du hast alles gegeben, nur das zählt". Lombardi verteilt hier akustische Mitmachurkunden und wer bis hierhin durchhält, hat auch wirklich eine verdient.

Gewagte Soundexperimente finden auf "Nummer 1" statt, wo die Synthie-Akzente so klingen, als hätte man hier eines dieser quietschenden Gummihühner aufgenommen und tiefer gestellt. Zusammen mit stumpfen Reggaeton-Beats und der spanischen Gitarre ergibt sich ein scheußlicher Strandurlaub mit garantiertem Sonnenbrand. Die größte Frechheit steht aber erst mit "Regen" an. Den Refrain entleiht sich Lombardi aus dem Gassenhauer "Sag Mal Weinst Du" von Echt und zerhackt diesen mit penetrant verzerrten Vocals. Der seelenlose Beat und Lombardis uninspirierte Texte tragen da nicht viel zur Rettung dieses Unfalls bei.

Mit 80er-Gedächtnissound geht es in "Schlussstrich" auf die Zielgerade. Mit dem treibenden Düsterbeat entsteht sogar mal sowas wie Atmosphäre, wenn nur der lyrische Stumpfsinn nicht wäre: "Wir beide tanzen über den Schlussstrich / Noch diese Nacht und dann ist genug". "Kapitel" taugt immerhin als Sammelstelle für kitschige Facebook-Memes. Am Ende dieser Gefühlsachterbahn ohne Höhepunkte wünscht man Lombardi, dass mal ein wenig Ruhe in sein Leben einkehrt. Dass diese ein echter Segen sein kann, verdeutlicht die Stille nach dem Albumdurchlauf.

Trackliste

  1. 1. Alles Was Ich Hab
  2. 2. Bye Bye
  3. 3. Ich Liebe Dich
  4. 4. Ich Versteh Die Welt Nicht Mehr
  5. 5. Immer Wieder
  6. 6. Kapitel
  7. 7. Lass Los
  8. 8. Nummer 1
  9. 9. OMG
  10. 10. Regen
  11. 11. Romeo & Julietta
  12. 12. Schlussstrich
  13. 13. Wahnsinn

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7 Kommentare mit 30 Antworten

  • Vor einem Monat

    Das Material auf das die Musik gepresst wurde, ist kalkulierte Umweltverschmutzung.

  • Vor einem Monat

    Lombardi wird auch von der Generation 40+ gehört. Ich kenne in meinem Umfeld mehrere Frauen, die ihn sich sogar live anschauen. Wieso sollte man über sie richten, wenn sie davon emotional angesprochen werden? Das ist das Gleiche bei der Ballermann-Musik: Wer mal selbst saufen war, der hört dabei doch nicht Jazz oder Bob Dylan. Die passende Musik zum passenden Anlass eben.

    • Vor einem Monat

      Ich war schonmal Saufen und hab dabei Bob Dylan gehört. War das falsch?

    • Vor einem Monat

      was du darfst nicht vergessen er ist auch korekte dude und hat in corona sehr schlaue sachen gesagt

    • Vor einem Monat

      Mit der Argumentation könnte man sich die Bewertungen hier komplett sparen und alles mit 3/5 bewerten. Denn man muss bedenken, dass es für jede Musik einen passenden und auch einen unpassenden Anlass gibt.

      Ein Nutzer, der seit über 22 Jahren hier am Start ist, sollte da eigentlich irgendwann mal schon drauf gekommen sein. ;)

    • Vor einem Monat

      Er fährt die Masche mit Absicht, um Kritiker beschissener Popschlagermusik als intolerant darzustellen. :rolleyes:

    • Vor einem Monat

      Wer Pietro Lombardi hört, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

    • Vor einem Monat

      Ich finde es absolut faszinierend, dass es sowas wie Pietro Lombardi gibt und auch gehört wird. Hätte ich vor meiner Geburt die Wahl zwischen einem Universum, in dem es paranormale Phänomene gibt, und einem, in dem Pietro Lombardi häufig gehört wird, fände ich immer letzteres als so freaky, dass ich es nicht vermissen möchte und würde es dann auch auswählen. Mal abgesehen davon, dass Karl Lauterbach für den Spin Realität vs. Nicht-Realitätät zusätzlich noch sorgen würde, um ElMassivos Gedanken noch aufzunehmen. Ein Universum, in dem sowieso schon alles möglich ist. Wir brauchen kein Geld, wir haben alles. Ich bin schon auch dankbar, hier zu sein.

    • Vor einem Monat

      ... es ist wirklich erstaunlich. Wir leben in einer Fake-Welt, schaffen uns selbst Fake-Realitäten, sind selber praktisch nur Fake, weil wir uns immer weiter entfremden von der Natur, am Ende gibt es sowas wie Pietro Lombardi und mit jedem Tag der voranschreitet, wird noch mehr behauptet, dass wir in einer Realität leben. Das ist noch schlimmer als Tortellini alla panna.

    • Vor einem Monat

      Wir leben in der Realität.

    • Vor einem Monat

      in jeder generation gibts so schlimme sachen, auch bei plus40. schade.

    • Vor einem Monat

      ... Ob in Tucson, Arizona, Toronto, Canada ...

    • Vor einem Monat

      Ich hoffe sehr, die vom Wiesel ziemlich verschiedene Figur des "Lost7" wirkt sich nicht ZU sehr auf Dein Privatleben aus, Kerl. Erzähltest mal was derart, das scheine gelegentlich schon durch. Bevor Du Dich versiehst, wirste noch irgendeine salbadernde Funktion ausüben, wie halt was mit Kirche, Sozialarbeiterverband oder Bundespräsident :/

    • Vor einem Monat

      "Es ist besser, nicht zu singen, als falsch zu singen!" Hat Pietro Lindner doch mal gesagt, oder?

    • Vor einem Monat

      @Ragi
      What!?

    • Vor einem Monat

      Achso, jetzt geschnallt... haha, ja, ich pass schon auf. Kommentare diesbezüglich gibt es aber bereits, ehrlich gesagt :lol:

    • Vor einem Monat

      ... urpsrünglich war das im RL ja als Tool gedacht, um Konfrontationen einzuüben. Ich muss schauen, dass daraus nicht noch Sympathien entstehen ;) ...

    • Vor 29 Tagen

      lol, er kennt frauen, der lellek

    • Vor 29 Tagen

      Ich war schonmal Saufen und hab dabei Bob Dylan gehört. War das falsch?

      Du hast am Ballermann Bob Dylan gehört. Ich rede hier vom Saufen in Party-Locations oder auf Festen.

    • Vor 29 Tagen

      Ich war mit Bob Dylan in einer Party-Location am Ballermann saufen. Wir haben zur Musik von UB40+ Pietro Lombardi als Schriftzug in den Sand gedingst. War das (auch wieder) falsch?

  • Vor 30 Tagen

    Das darf seit 1. Januar bestimmt nicht mehr in den Restmüll, sondern muss im Altkleidercontainer entsorgt werden.