laut.de-Biographie
Polarkreis 18
Semperoper, Zwinger und Frauenkirche, na klar. Dresdens Aushängeschilder zählen nicht erst seit der Jahrhundertflut zu den bekanntesten Bauwerken Deutschlands. Zeit, der Elbstadt ein weiteres Monument hinzuzufügen: Eine der wichtigsten deutschen Indieband stammt aus der Sachsenmetrolpole. Und dass das Volksbegehren unter dem Banner "Mehr Polarlichter für Dresden!" eines Tages aus der Tagtraumutopie in die Realität geholt wird, erscheint gar nicht so unwahrscheinlich. Denn mit dem zweiten Album "The Colour Of Snow" erobern Polarkreis 18 die oberen Chartsränge, die Single "Allein, Allein" sogar Platz eins der deutschen Hitliste. Man darf wohl sagen: Jenes wäre ein gerechtes Begehren. Die Musik der Dresdner steht vielen architektonischen Meisterleitungen der Stadt schließlich in nichts nach.
Man ist gleichermaßen barock wie auch die schärfste Antithese zum schlichten Musik-Handwerk. Was es dazu braucht? Auch im 21. Jahrhundert nicht mehr als sechs Anfangzwanziger, Schiffsladungen voll Pioniergeist und jede Menge Zeit zum Erwachsen. Im Alter von 13 als Punk/Metal-Band Jack Of All Trades gegründet, leitet Blurs "13" einen totalen Stilwechsel ein. Felix Räuber, Philipp Makolis, Christian Grochau, Uwe Pasora, Bernhard Wenzel und Ludwig Bauer und Hans-Christoph Kotzsch (ausgestiegen) nennen sich fortan Polarkreis 18.
Naheliegende Assoziationen mit Eis und Kälte umschreiben den eigenen Popansatz allerdings nur insoweit, als dass er einer dick gefederten Winterkollektion gleicht. Ungefähr so: Nackt und frierend durch den Schnee waten, Polarkreis 18 auflegen und den Kappen beim Schmelzen zusehen. Songgewordene Wärmespenden in Gefühlsleeren with a touch of a different class. In der Weltkulturerbestätte liebt man das Experiment und fürchtet kein Pathos. Da wird auch gerne einmal auf die Unterstützung des Babelsberger Filmorchesters zurückgegriffen.
Ein Klavier aus Porzellan, quecksilberhafte Streicher und pompöse Bläser, entschieden zustoßende Gitarren, zerschmelzende Synthesizer, elektronische Beats wie Styroporhämmer auf Iglu-Dächer. Dazu Räubers atemberaubendes, fast überirdisches Falsett. KunstKunstKunst, und dabei doch auch immer PopPopPop. Nachvollziehbar sind sie, die Pfade des untypisch deutschen Sextetts, verschlungene Gefühlswindungen mit Sinn und Sinnlichkeit.
Die Band verortet sich selbst in "emotional soundscapes" - passt perfekt. Indietronics, Postrock und Prog machen Schwindeln vor Finesse und müßige Vergleiche mit deutschen Schulen oder internationalen Klangcharakteristika redundant. Den konzeptionellen Überbau gibt es gratis dazu: Sei es die visuelle Live-Komponente, bei der die in einheitliches Weiß gekleideten Musiker mit einem Klangfilm Aufsehen erregen, sei es ein Sinfonie-Konzert im Dresdner Staatsschauspielhaus.
Polarkreis 18 sind nicht aus der Nachbarsgarage, sondern künstlich durch und durch. Ihre Geschichten sind im engeren Sinne keine. Eher transzendente Traumwanderungen, die weit über den Alltags-Plot hinausgehen, auf kristallene Eisseen und bis hinauf zu den Sternen. Augen zu, willkommen in Utopia.
2012 beschließt die Band, sich vorerst aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und sich verschiedenen Projekten zu widmen. Felix Räuber und Maximilian Hecker touren zusammen, während der Schauspieler Christian Friedel mit Philipp Makolies, Christian Grochau, Uwe Pasora und Ludwig Bauer die Band Woods of Birnam gründet, die sowohl auf Konzertbühnen als auch am Theater aktiv ist. 2016 ruft Felix Räuber zusammen mit Eva Croissant unter dem Label Universal das Projekt Zwei von Millionen ins Leben.
Seit 2018 verfolgt Räuber auch eine Solokarriere. Auf die Debüt-EP "Wall" folgt 2019 ein weiteres Kurzformat namens "Me". 2023 veröffentlicht er zusammen mit dem Berliner Pianisten Martin Herzberg das Album "The Art Of Dreaming", auf dem man Cellistin Anne Müller als Gast hört und das zum Nachdenken und Träumen einlädt.
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