laut.de-Kritik
Elysische Melodien als Spitze des Eisbergs.
Review von Matthias MantheWie der Mythos, Eskimos besäßen hundert verschiedene Wörter für Schnee, unter Linguisten längst als Insider-Witz gilt, gehört auch die Annahme ins Sagenreich, Polarkreis 18 funktionierten am besten in der dunklen Jahreszeit. Obwohl das Kältemotiv in Bandname, Artwork und Tracklist so präsent ist, bildet doch vor allem eine Vorbehaltlosigkeit dem Melodram gegenüber die Genuss-Voraussetzung.
Auf "The Colour Of Snow" positionieren sich die fast noch jugendlichen Dresdener erneut als Antithese zum Redux der Hamburger Schule, zur Launigkeit des Liedermachers, zum provinziellen Deutschpunk. Idiome des gemeinhin 'typisch Deutschen' greifen vollkommen ins Leere. Das Quintett hat alle Hemmungen abgelegt, um seine Idee vom makrokosmischen Bombast umzusetzen.
Wo das letztjährige Debüt nahtlos Synthiepop, Postrock, Indietronics und Prog einte, geht der Nachfolger einen großen Schritt weiter. PK18 beweisen sich nunmehr als formvollendende Kompositeure. Entstanden unter tatkräftiger Mitwirkung des Babelsberger Filmorchesters und arrangiert vom Mitbegründer und Leiter der Dresdner Sinfoniker, erhalten die schon bekannten Streichersätze durch Blechbläser, Schlag- und Zupfinstrumente einen angemessen klassischen Horizont. Bestes Beispiel für den fast wilhelminischen Sound ist "Prisoner", das in Sachen Opulenz an Metallicas "S&M" heranreicht.
Wie einzelne Bildpixel steuern Orchester und Band hier noch den winzigsten Klangkristall an. Jeder Ton ist eindeutig im Raum beschrieben, nichts dem Zufall überlassen. Wenn Felix Räubers androgyne Kopfstimme schließlich durch die Euphonie bricht, verschlägt es fast den Atem. "River Loves The Ocean" funktioniert nach ähnlichem Prinzip, klingt aber noch eine Spur mehr nach Fantasy-Filmepos.
Diese saturierte Soundtrackhaftigkeit stünde anderswo sicherlich synonym für Kitsch und Klunker. Zu PK18 passt sie perfekt, eben weil ihr Songwriting zum einen nicht ausschließlich auf orchestraler Weite fußt. Es bleibt weiter viel Platz für Krautrock ("Heart Of A Man"), Stroboskop ("Colour Of Snow") und Rockistisches ("Rainhouse"). Zum anderen sind PK18 Meister der Paradoxie.
So wird die titelgebende Zeile in der Dance-Oper "Allein Allein" ausgerechnet von einem Chor intoniert. Wie heißt es dazu treffend im frühesten Handbuch des Existenzialismus, Jean-Paul Sartres "Ekel": "Auch sie müssen sich, damit sie existieren, zu mehreren zusammentun." Und was ließe die eigene Existenz besser spüren, als die Gänsehaut in Reaktion auf die elysischen Melodien dieser Ausnahmeformation?
62 Kommentare
Ich weiss nicht aber dieses "Allein Allein" ist nicht so wirklich innovativ.
Ist der Rest von dem Album auch so schlimm.?
Nebenbei; was für eine schmachtende Rezi.
der sound ist genial, an die stimme muss man sich wohl wie auch bei der guten musik von sigur ros gewöhnen
Ist das ganze Album so grausam wie Allein Allein oder ist der Song nur ein Ausrutscher?
Wäre schade das Debüt war so gut
ganz ehrlich: mir geht das überhaupt nicht auf den geist. auch die neue single ist durchaus hörbar.
aber, da muss ich ashi recht geben, nicht mehr so authentisch und nah wie das erste album.
klar, das ist jetzt große geste, nachmittagsradio und tv-total-auftritt..
@scumsurfer («
aber, da muss ich ashi recht geben, nicht mehr so authentisch und nah wie das erste album. »):
dafür gleicht es sich dem charme der band an.:D
5 sterne für diesen müll?
naja, was solls.