1. April 2020

"Die meisten Rapper langweilen schon vor dem ersten Album"

Interview geführt von

Aus der Nische in die Top Ten: Prezident hat gezeigt, dass er das auch ohne Rückenwind seitens der Rap-Medien kann. Über Ausbruch aus und Rückkehr in die Komfortzone, Booking in Krisenzeiten, Interviewformate und künstlerische Unabhängigkeit.

Wenn dieser Tage eins zu einer Art Normalität geworden ist, dann, dass nichts so läuft, wie es ursprünglich geplant war. Mit seinem Album "Alles Ist Voll Von Göttern" und der anstehenden Tour hatte Prezident eigentlich Argumente genug dafür geliefert, ihm in Wuppertal einen weiteren Besuch abzustatten. Die globale Pandemie-Lage jedoch sagt: Nö, bleibt mal alle schön zu Hause. ... na gut. Ein Hoch dann eben auf die technischen Möglichkeiten:

Du hattest schon vor den jetzt herrschenden besonderen Umständen vorgeschlagen, das Interview per Messenger zu führen. Fällt es dir leichter, dich schriftlich auszudrücken?

Prezident: Absolut. Darüber hinaus finde ich den Medienwechsel vom Mündlichen ins Schriftliche immer schwierig. Was man mündlich daherraunt, kommt dann als Text abgefasst und grammatikalisch ins Lesbare korrigiert meist rüber wie direkt von göttlichen Steintafeln abgelesen.

Denkst du bei Interviews also gleich mit, wie es sich gelesen anhören könnte?

Tu ich nicht, das ist ja das Problem. Oder mit eines.

Dann wären ja eigentlich Audio/Videointerviews dein Ding. Da wird gar nichts verfälscht, und die Betonung und bei Video außerdem noch Gestik und Mimik gehen auch nicht verloren.

Richtig, wobei ich mich dann immer noch einfach besser ausdrücke im Schriftlichen. Aber man hat nicht diesen Struggle mit dem Medienwechsel und mit sinnentstellenden oder zumindest duktusverändernden Umformulierungen und Kürzungen.

In einem Interview mit The Message sagtest du allerdings: "Radioinerviews mach' ich nie mehr." Weißt du noch, was dafür den Anlass gab?

Ich kann mir vorstellen, dass es mir da dann eher um bestimmte Formate ging. Die Radioshow, deren Publikum quasi Laufkundschaft darstellt und die daher immer recht oberflächlich und irgendwie verzwergend daherkommt. Das ist das gleiche wie Interviews mit Stadtzeitungen und lokalen Eventzeitschriften, wo man dann obligatorisch mit bürgerlichen Namen vorgestellt wird zwischen der Spalte zur Restauranteröffnung und dem Schmuckgeschäft, das sich – Hurra, hurra! - seit zwei Jahren hält: "Und in unserem Kulturteil heute der lokale Rapper Viktor Bertermann, der im Nebenberuf Bla Bla Bla". Gruselig.

Ich hatte das eher als generelle Abneigung gegen das Audioformat gelesen. Was ich bei jemandem, dessen Medien Musik und Sprache sind, schon ein bisschen merkwürdig gefunden hätte.

Nein, gegen das Audioformat an sich habe ich keine Abneigung. Das bisschen tiefergehende Geplauder der Podcastformate geht eigentlich schon in die Richtung, wie ich mir angenehme Interviews vorstelle. Gespräche halt, und keine Abiturprüfungen.

Okay. Wir haben hier aber eben ein Textformat. Insofern ist das unter den gegebenen Bedingungen wahrscheinlich wirklich die beste Lösung - auch wenn ich natürlich gerne nochmal vorbeigeschaut hätte. Vielleicht hätte ich zu Beginn zunächst die höfliche Frage der Stunde stellen müssen: Alles im grünen Bereich bei dir? Sind alle gesund, soweit?

Och, soweit sind alle gesund. Vor Corona war ja so eine allgemeine Krankheitswelle, zumindest in meinem Umfeld, wo gefühlt alle mal flachlagen. Jetzt ist alles gut, ich mach' viel Sport, ich gehe spazieren und stelle fest, dass Wuppertal noch sehr viel schöner ist, als ich eh schon wusste. Komplett abartig, was hier alles an Villen und halben Schlössern rumsteht, im Nordwesten der Stadt, und wie das alles in diese Berge gebaut ist. Bei dir auch alles gut, abseits des Konzentrationsverlustes im Home Office?

Ja, danke. Alle gesund auch, bisher. So lange man die Sorgen um seine angeknacksten Lieben und diverse Existenzen ausgeblendet bekommt, ist es eigentlich ganz angenehm. Ich finds sogar ein bisschen spannend. Für dich ergeben sich allerdings ja gerade ganz handfeste Konsequenzen. Du hattest eine Tour mit Hinz & Kunz geplant, die - wie so vieles andere, momentan - wohl ins Wasser fällt. Wie ist der Stand der Dinge, diesbezüglich?

Stand heute, also Ende März, ist, dass nur die ersten Termine wirklich abgesagt sind. Aber wir schauen schon mal nach Ersatzterminen für den Herbst und sind da auch schon recht weit.

Klingt erstmal gut. Allerdings stell' ich mir extrem schwer vor, für Herbst zu planen. Du spielst ja nicht in den allergrößten Läden, da werden viele jetzt auch hart zu kämpfen haben. Fürchte, manch ein Club wird es nicht überstehen, ein, zwei, drei Monate dicht zu machen, und wie lange das alles dauern wird, lässt sich ja noch gar nicht absehen. Kann man gerade überhaupt Bookings für Herbst an Land ziehen?

Ersatztermine kann man natürlich finden. Da sind wir auch schon recht weit, wie gesagt. Neue Bookings - oder Termine, die eh für einen möglichen zweiten Tourblock im Herbst im Raum standen, aber noch nicht konkretisiert worden sind - habe ich noch nicht probiert. Mit den Schließungen sachste natürlich was: Wenn die Clubs noch länger dicht bleiben, ohne dass die Ausfälle kompensiert werden, stellt sich die Frage, wer von denen überhaupt noch übrig ist, ab September. Und zuletzt stellt sich natürlich die Frage, ob man im September überhaupt wieder regulär Konzerte auch nur meiner Größenordnung veranstalten darf.

Bei all den aktuellen Vorsichtsmaßnahmen ist ja nicht zu vergessen, dass die Situation nach dem Lockdown grundsätzlich nicht anders ist als vorher. Das Virus ist ja noch da, Impfstoffe und Behandlungsmethoden oder eine hinreichende Immunisierung nicht. Man soll sich noch länger auf Einschränkungen gefasst machen, und als Idee kursiert ja grade so eine Art On-/Off-System, also ein stetiges Beobachten der Infektionsraten und dann immer mal wieder Lockdown. Ich verteile auch deshalb - natürlich auch, weil Termine jetzt knapp sind - die Ersatztermine über das komplette vierte Quartal. Steht aber natürlich in den Sternen, ob das hilft.

Wer kann, schiebt momentan alle Termine auf den Herbst. Dass dann mit dem nächsten Winter sowieso die neue Infektionswelle ansteht (ob der Sommer überhaupt eine Abschwächung bringt, muss man eh erstmal abwarten), darüber will gerade keiner nachdenken, glaub' ich. Das liegt aber wahrscheinlich daran, dass alle mit dem Ist-Zustand überfordert sind. Wer hat da schon Kapazitäten für Zukunftsspekulationen?

Nun ja, womit soll man auch planen? Man kann erstmal weitermachen, und da ist das Verschieben in den Herbst ja nur logisch. Touren finden halt üblicherweise nicht im Sommer - da ist - wieder: üblicherweise - Festivalsaison - und nicht zur Weihnachtszeit statt. Die beiden Zeitfenster sind also Frühjahr und Herbst. Und wenn dann auch nichts stattfinden kann, dann kann man die Tourplanung eh vergessen, insofern ist das alles sehr rational gehandelt.

Hast du eine Vorstellung davon, was das alles jetzt für Auswirkungen auf das kulturelle und gesellschaftliche Leben haben könnte? Glaubst du, eine Rückkehr zu business as usual ist überhaupt noch möglich?

Grundsätzlich würde ich sagen, dass das Leben eher früher als später im Großen und Ganzen so weitergehen wird wie bisher. Ich kann mir vorstellen, dass es grade in so einem Bereich wie Veranstaltungen weiterhin zu Einschränkungen kommt, aber sehr viel länger als einen Monat kann man das Leben und die Wirtschaft nun mal nicht stilllegen. Irgendwann überwiegen ja auch die negativen Effekte, sozial und wirtschaftlich.

Zynisch ausgedrückt: Wenn man die Coronatoten durch fleißiges Testen, bessere Behandlungsmethoden und viel Überwachung auf das auch für Verkehrs-, Krebs- und Grippetote akzeptable Level gebracht hat, dann wird - abseits der absehbaren wirtschaftlichen Probleme - ob und in welchem Umfang und wie Sportevents noch stattfinden können, wahrscheinlich die größte öffentlich kommunizierte Sorge sein. Wäre jetzt meine Prognose, aber was weiß ich schon.

"Ich bin nicht der Nischenkünstler, für den man mich zu halten scheint"

Da gerade niemand irgendwas Verlässliches weiß, bist du zumindest in zahlreicher Gesellschaft. Glückwunsch nachträglich noch zur Chartsplatzierung. Wie fühlt man sich als Top-Ten-Rapper?

Ebenso in zahlreicher Gesellschaft (lach). Ist ja schön, wenn ein Plan aufgeht.

Verschlagener Fuchs, du hast mit dem Erfolg gerechnet? Glaubst du, der Wirbel um das Vorgängeralbum hatte Auswirkungen?

Ja, in erster Linie die Auswirkung, dass ich charten wollte, auch um der mich ja seitdem weitestgehend ignorierenden Rapjournaille zu zeigen, dass erstens weiterhin mit mir zu rechnen ist, zweitens den ottonormalen Raphörer dieser Sturm im Wasserglas nie gejuckt hat und drittens ich deren Berichterstattung nicht brauche. Was den Erfolg angeht: Ich glaube, von "Limbus" haben wir damals mehr verkauft. Ich kann mich aber auch täuschen, weil ich da auch nicht so ganz durchblicke, wann was wie warum wieviel zählt. Aber dieses Release ist halt chartsoptimiert durch die Vinylbox und durch die Woche, die wir uns ausgesucht haben. Trotzdem und abseits vom bösen Album ist es ja schon 'ne gute Sache, nochmal klarzustellen, dass ich nicht so ganz der Nischenkünstler bin, für den man mich zu halten scheint, teilweise. Glück ist natürlich, wenn ihr so 'ne Ströer-Album-der-Woche-Aktion startet, das wiegt ja News bei rap.de und wie sie alle heißen zigfach auf.

Du bist in der Rap-Berichterstattung seit dem letzten Album quasi nicht mehr aufgetaucht?

16bars.de und hiphop.de bringen noch ganz sporadisch News, regelmäßig nur noch ihr. Wobei man auch festhalten kann, dass viel Berichterstattung, in der ich sonst einen Platz hatte, auch völlig unabhängig von mir eingegangen ist, in den letzten Jahren. Reviews zum Beispiel schreibt kaum noch eine Rapseite, Textinterviews sind out und das Videointerviewformat wird ja komplett von den Flers und Manuellsens dieser Welt beherrscht. Ansonsten sind das Ding wohl grade Podcasts, und natürlich selber irgendwas in die Handykamera labern und auf Insta posten, wovon zumindest Letzteres nicht mein Ding ist.

Du glaubst also, das zurückgegangene mediale Interesse an deiner Person liegt eher an einer Entwicklung der Medienlandschaft als daran, dass dich seit diesem letzten Album viele als verbotenes Terrain betrachten?

Nee, schon Letzteres, aber es passt halt auch grade und bereitet keinem große Mühe. Abseits dessen bin ich ja eh sehr lange ignoriert beziehungsweise verschlafen worden und jetzt in einer veränderten Medienlandschaft einfach wieder da angekommen, wo ich von 2008 bis 2012 gewesen bin: unterhalb des Radars der Industrie und je weiter davon weg, je industrienäher das Medium.

In unserem letzten Gespräch meintest du (sinngemäß), dass "Du Hast Mich Schon Verstanden" für dich auch eine Methode war, um aus eingefahrenen Wahrnehmungsmustern auszubrechen. Der Preis, jetzt nicht mehr jeden belesenen Rapfans Lieblingsrapper zu sein, war dir dafür nicht zu teuer?

Nein, absolut nicht. In der Gesamtheit meinen Schaffens macht das böse Album absolut Sinn als Ausbruch aus einer sich langsam entwickelnden Komfortzone. Heutzutage scheinen mir die meisten Rapper One Trick Ponys, die es kaum schaffen, nicht schon vor ihrem ersten Album zu langweilen. Über drei, vier, fünf vollwertige Releases Qualität zu bringen, schaffen schon wenige. Dabei dann noch frisch zu bleiben, dass ein neues Album nicht - wie mal ein Juice-Redakteur zu einem späteren Redman-Album schrieb - bloß der nette Besuch eines alten Bekannten ist, schafft kaum einer. Ich schon, würde ich sagen.

Q.e.d. Mit "Alles Ist Voll Von Göttern", eigentlich ja auch schon mit der "Zahnfleischbluter Prezi Blues"-EP, hast du dich jedenfalls wieder versöhnlicher gezeigt, deutlich weniger provokant. Empfindest du das jetzt nicht als Rückzug in genau diese Komfortzone?

Gute Frage und eine der Perspektive und Ausgangslage: "Versöhnlich" würde ich keines der neueren Releases nennen, aber vor allem das neue Album hat definitiv was von einem Fan-Pleaser. Viele - ich würde sagen, der Großteil meiner Hörer - mochten ja das böse Album nicht deshalb nicht, weil sie es böse fanden, sondern einfach, weil es sie thematisch nicht interessiert hat. "Alles Ist Voll Von Göttern" ist im Anschluss daran und im Kontrast dazu inhaltlich und musikalisch ein bunter Strauß von Zutaten, für die ich seit ewig schon gefeiert werde. "Endlich wieder Storytelling", halt. Andererseits scheint es mir aber recht natürlich, nach Fertigstellung eines Projektes sich erstmal an das Gegenteil oder zumindest was anderes zu machen. Nach einem inhaltlich schweren ein leichtes, nach einem besonders sperrigen ein etwas zugänglicheres, und so weiter und so fort. Das ist hier der Fall, zumal aus meiner Perspektive das böse Album nicht nur ein böses Album ist, also nicht nur Provokation. Es ist immens dicht, viele Tracks bauen aufeinander auf und verweisen aufeinander, es ist ein kurzes Album, das an einem Stück Sinn ergibt. "Alles Ist Voll Von Göttern" ist mehr eine Ansammlung von Tracks, die für sich funktionieren. Es ist musikalisch und vor allem raptechnisch abwechslungsreicher, vor allem, wenn man noch die Flankierung durch die vorangegangenen EPs in Betracht zieht.

Inhaltlich wiederum hätte zum Beispiel "Zitadelle, Peripherie" auch locker auf "Du Hast Mich Schon Verstanden" stattfinden können, wie überhaupt mein böses Album - und meine bösen Interviews - inhaltlich ja kaum aus dem Rahmen fallen, bei mir. Aber ja, es ist wie früher eben, alles ein bisschen abstrakter formuliert, der Fokus liegt nicht auf der Provokation, es fehlt die grelle Ebene, sozusagen. Andererseits: Wenn das Alleinstellungsmerkmal des bösen Albums in meiner Diskografie vor allem die provokant-plakative Ebene ist, wäre überhaupt die Frage, wie ich danach hätte weitermachen sollen, ohne dass ich entweder zwanghaft einen draufsetze - oder eben gefühlt wieder in die Komfortzone zurückkehre.

War ja kein Vorwurf. "Fan-Pleaser" unterschreibe ich. Als "Ansammlung von Tracks" hab ich es allerdings gar nicht empfunden, für mich hat sich das viel zusammengehöriger angefühlt als ... jetzt zum Beispiel "Limbus". Ich hab' es vor allem als viel, viel trauriger wahrgenommen als vieles davor. Kannst du das nachvollziehen?

Hab' das auch nicht als Vorwurf verstanden. Das mit der Traurigkeit konnte ich nicht so nachvollziehen, kann mir aber vorstellen, dass gerade die größere Zugänglichkeit das Album emotionaler, melancholischer wirken lässt als frühere Sachen, die in ihrer Düsternis und Sperrigkeit dann vielleicht wie betäubt gewirkt haben, im Gegensatz dazu.

Letzlich erscheint mir das Album auch sehr aus einem Guss. Vom Verfahren her habe ich mich aber hier sehr viel stärker auf die Ebene einzelner Tracks konzentriert als bei "Limbus".

Dass es an der Zugänglichkeit liegt: kann sein. Ich bilde mir zumindest ein, da ein stärkeres Interesse an Zwischenmenschlichkeit und an einem Gegenüber zu spüren. In meiner Wahrnehmung ging es diesmal mehr um (zerbröselnde) Beziehungen als darum, irgendwo einsam unterm Tisch zu liegen.

Zumindest ist "Jamais-Vu" der erste dezidierte Beziehungssong seit "Alice" von 2008, wenn ich jetzt nichts übersehe.

Krasses Ding, das. War das eigentlich dieser Beziehungssong, von dem du schon in dem Interview mit Toxik gesprochen hattest? Den ich damals in "Reden Ist Silber" vermutet hatte?

Jap. Genau der.

"Profis mit Geld beschmeißen hilft"

Ich fands diesmal auch extra bildgewaltig. Gerade diese beiden "Zitadelle"-Tracks waren für mich wie 'ne Kreuzung aus Tribute-von-Panem und so 70er-Sci-Fi-Filmen. Denkst du, wenn du so etwas schreibst, gleich mit, wie man das visuell umsetzen könnte?

Ja, das ist dann wieder so ein Zurück im Vergleich zum Vorgänger: Der ist ja sehr konkret und aussagenlastig, hier und bei "Zitadelle, Zentrum" insbesondere ging es mir darum, vermehrt Bilder für sich sprechen und Texte wie "Ein Toast" oder "Ich Soll Dich Schön Grüßen" bewusst im Ungefähren zu lassen.

An eine Videoumsetzung denke ich nicht. Ein Comicclip für eine "Zitadelle"-Video-EP mit den beiden Tracks vom Album sowie den unveröffentlichten Parts wäre natürlich ein Traum gewesen, aber zu aufwendig und kostspielig. Im Übrigen: Wenn ein Text besonders bildhaft ist, eignet er sich aufgrund von den Redundanzeffekten ja eher nicht so gut für Videos, wie ich bei meinem ersten Video recht schnell feststellen musste.

Das erste? Welches war das?

Ich wollte den Titel extra nicht nennen, damit das keiner nachguckt, aber Dani ist natürlich wieder journalistisch auf der Höhe und fragt nach (lach) ... "Bleib Bloß Bei Bewusstsein" war das.

Hihi, ein einziges Mal an der richtigen Stelle nachgehakt. Gönn' mir das! Sonst merk' ich immer erst hinterher, was ich hätte fragen sollen. Apropos Bilder: Ich finde die Artworks von Album und der 12" beide sehr viel gelungener als das des letzten Albums. Ich war überrascht zu hören, dass du (im Interview mit Jean-Marc Heukemes) von "Panik" gesprochen hast, dass das Artwork nicht rechtzeitig fertig werden könnte. Ich hab' dich tatsächlich bisher für einen kontrollierten Typen gehalten. Wirst du unruhig, wenn du auf andere angewiesen bist?

Naja, "Panik" war in dem Fall kolloquial und nicht bierernst gemeint. Aber ich hab mir erst eine Woche nach Abgabe des Vinylmasters wirklich Gedanken darüber gemacht und dementsprechend war schon Druck da.

Was ansonsten das Verlassen auf andere angeht: Ja, das kann mich durchaus nervös machen, vor allem, wenn ich die Leute nicht kenne. Das "Jamais-Vu"-Artwork von Rubzow existiert ja in erster Linie, weil es Plan B für das Artwork des Albums gewesen ist, wenn das Zitadellencover von Derow aus welchen Gründen auch immer scheiße geworden wäre.

Allerdings habe ich bei dem Projekt gemerkt: Profis mit Geld beschmeißen hilft. Ich war noch nie so zufrieden mit dem Artwork wie bei diesem Album. Aber das kann natürlich neue Nervosität bringen, denn ich arbeite halt mit begrenzten Mitteln, vor allem was den Videobereich angeht.

Wäre deine Wunschvorstellung, irgendwann wirklich alles alleine machen zu können? Um niemanden mehr zu brauchen?

Je weniger man andere braucht, umso besser, auf jeden Fall. Mit Betonung auf "brauchen" allerdings. Dass abseits von Texte schreiben und rappen andere andere Aspekte meines Schaffens besser können, ist ja davon unberührt, auch, dass Zusammenarbeiten ja durchaus Spaß machen kann. Aber ich denke, dieses ganze Projekt "Prezident" würde so nicht funktionieren, könnte ich mich nicht selber aufnehmen und einigermaßen abmischen, grundsätzlich auch selber Beats bauen sowie einigermaßen mit Photoshop und Vegas umgehen. Plus Management und Booking und woraus sonst so meine Tage bestehen.

Sieht der Plan vor, deine Produzenten-Tätigkeit auszubauen? Diesmal stammten ja etliche Beats von dir.

Mal schauen. Sich da wieder in Kollaboration mit Baez - früher habe ich ja sehr viel mehr produziert - reinzufuchsen, wäre sicherlich 'ne Möglichkeit, wir arbeiten eh mehr und mehr zusammen als komplementär. Alleine wäre das für mich aber schwer zu stemmen ohne Qualitätsverlust. Ich bin nicht übermäßig talentiert und auch nicht besonders informiert in dem Bereich. Plus ich bin auch kein wirklicher Technikfreak, der Spaß daran hat, sich auf irgendwelche Plug-Ins oder Gerätschaften zu stürzen.

Brauchst du Feedback? Kritisiert dich überhaupt jemand bei so einem Schaffensprozess? Traut sich das wer - und wenn ja: Kannst du Kritik annehmen oder besteht Gefahr, dass du in bockige Jetzt-erst-recht-Reaktionen verfällst?

Naja, die meisten, mit denen ich zusammenarbeite, feiern meinen Kram ja grundsätzlich. Wenn das dann für einzelne Tracks oder Elemente weniger gilt, ist das auch okay, aber wüsste jetzt kein Beispiel, wo das Einfluss auf meinen Schaffensprozess gehabt hätte.

Die haben alle Angst vor dir.

Und immer ein Auge auf ihr Mischbier.

Könnte man als "Nein, ich kann Kritik nicht annehmen" lesen. Cool. Wie gesagt: Ich hätte das ja lieber live und direkt gemacht (gern auch mit Mischbier). Aber ich schätze, Gelegenheiten dafür werden noch kommen. Danke jedenfalls schon mal für deine Zeit.

Danke für deine.

Das Porträtfoto von Prezident stammt von Jeng Mercado. Vielen Dank dafür.

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