laut.de-Biographie
Quadeca
Die Story ist wohl ein bisschen zu verlockend, um nicht darüber auszuflippen: Ein alberner weißer YouTuber wird zu Amerikas künstlerisch wertvollstem Indie-Rapper?
Wer nichts von Quadeca mitbekommen hat, dürfte sich vermutlich an manchen Stellen wundern, wenn er Pfade mit dem Quadeca-Kult kreuzt. Wer ist dieser Typ, dessen Album für ein paar Wochen auf AlbumOfTheYear fast gleichgut wie Kendricks "To Pimp A Butterfly" bewertet wurde? Warum steigen seine RateYourMusic-Scores über die Jahre wie Gamestop-Aktien? Doch wer den jungen Mann aus Los Angeles von Anfang an beobachtet, dem stellen diese Fragen sich überhaupt nicht.
Der 2000 geborene Benjamin Lasky ist Kind von einem Videospiel-Exekutiven und interessiert sich dementsprechend schon früh fürs Gaming. 2012 eröffnet er einen YouTube-Kanal, auf dem er vor allem FIFA-Content präsentiert. Dort baut er dank Connections und Charisma schnell eine ordentliche Präsenz auf, die ihm den Weg in seine musikalische Passion ebnet. Denn auch wenn er nach eigener Aussage "awkward und weiß ist und lispelt", merkt man, dass der Junge viel J. Cole und Logic gehört hat und Bock hat, ernstlich zu rappen.
Seine erste große Bühne bekommt er 2018, als sein Plattform-Kollege KSI sich als Rapper etabliert und alle seine musikalisch interessierten Kollegen mit Disstracks attackiert. Seine Rückhand "Insecure" wird ein kleiner viraler Erfolg, denn er ist clever, weiß und rappt seine Punchlines ziemlich schnell runter. KSI akzeptiert in einem Reaction-Video die Niederlage und gibt Quadeca Respekt, den er prompt darauf nutzt, um wirklich in die Musik zu übersetzen. Er veröffentlicht 2019 mit "Voice Memos" sein erstes Album, das aber noch eher durchwachsene Kritiken erhält.
Das ist der Punkt, auf den die meisten Leute heute zurückschauen, wenn sie sich darüber beömmeln, dass der Junge vor ein paar Jahren noch Disstracks mit KSI ausgetauscht habe. Denn man merkt direkt darauf, dass dieses Album und diese Phase nicht seine ganze künstlerische Ambition abgedeckt hat. Mit dem Lockdown findet er eine Menge neuer Kollaborateure und neue Inspiration und kehrt mit der Single "Sisyphos" zurück, die den Leuten ordentlich vor den Latz knallt. YouTube-Kritiker Anthony Fantano ist vom Track absolut umgehauen, und sein Album "From Me To You" wird ein absoluter Gamechanger für Quadecas Außenwahrnehmung. Es zeichnet sich dieser Gedanke ab, dass alle ihn komplett unterschätzt haben könnten.
Als im Jahr darauf 2023 "I Didn't Mean To Haunt You" erscheint, ist die Transformation perfekt. Das Album hat plötzlich Einflüsse aus tausend Genres, Quadeca singt mehr, anstatt zu rappen, und holt Fans auf den Plan, die Theorien zur Lore und Perspektive schmieden. Wer jetzt auf dem Quadeca-Film ist, hält es nicht mehr nur ganz gut für einen YouTuber, sondern für die beste Sache seit geschnitten Brot.
Nach einer Serie an "Scrapyard"-Tapes setzt er 2025 zu seinem bisher größten Streich an: Das phänomenal betitelte "Vanisher, Horizon Scraper" kommt mit einem extrem schön gedrehten Film daher und bringt Indie-Darlings Danny Brown und Maruja für einen aquamarinen Post Rock-Vibe mit. Und das ist, wo wir heute stehen: Wenn Quadeca droppt, dann kann er damit in den Musiknerd-Spaces kurz die Zeit anhalten und unsäglich anstrengenden Diskurs forcieren. Die Leute hängen ihm absolut an den Lippen, die Musik steht inzwischen auch abseits der YouTuber-Vergangenheit für sich. Und trotzdem werden die Leute wohl nie müde werden, auf die extreme Transformation hinzuweisen.
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