Ras Kass

Auf dem Höhepunkt der Golden Era of Hip Hop setzte 1994 ein junger Kalifornier dazu an, seine Vorstellung vom Genre umzusetzen. Zwei Jahre später erwies sich sein Debütalbum "Soul On Ice" zwar nicht als übermäßig kommerziell erfolgreich, doch begründete es den Ruf von Ras Kass als einer der versiertesten Texter der Westcoast.

Seit jeher spielt der Rassismus eine dominante Rolle im Werk dieses genauen Beobachters gesellschaftlicher Zustände. Zum 25. Jubiläum seiner musikalischen Laufbahn hat sich die politische Lage deutlich eingetrübt. Unter Donald Trump beherrscht die Erbsünde der Vereinigten Staaten die öffentlichen Debatten. Im Angesicht dieser Entwicklung sieht Ras Kass nun die Zeit gekommen, um mit "Soul On Ice 2" seine Stimme zu erheben.

Mitte August befindet sich der Rapper in seiner Heimatstadt Los Angeles, als ihn der Anruf aus dem knapp 9.000 km entfernten Hagen erreicht. Zur Mittagszeit im Golden State bringt Ras Kass genügend Ruhe für ein reflektiertes Gespräch mit. Neben "Soul On Ice 2" stehen die Verbindung von Religion und Rassismus, die Peinlichkeiten eines Kanye West, "Game of Thrones" und der Zustand der US-Politik unter Donald Trump auf dem Programm.

1996 nannte dich The Source die Antwort der Westküste auf Nas. In der aktuellen Pressemitteilung berufst du dich erneut auf diesen Titel. Wie gefiel dir damals der Vergleich? Und was denkst du heute darüber?

Ich vergleiche mich nicht wirklich mit anderen, aber verstehe, dass die Leute vergleichen müssen. Sie müssen etwas finden, das sie mögen oder nicht mögen, um es damit zu vergleichen. Es gibt MCs, mit denen ich wahrscheinlich lyrisch mehr gemeinsam habe. Das hat etwas mit meinen Einflüssen zu tun. Von einigen Leuten wie KRS One habe ich gewissermaßen meinen Stil. Aber selbst heute werde ich manchmal mit Nas verglichen. Er ist ein unglaublicher Texter und ein rundum großartiger MC. Ich werde demütig und bin dankbar für die Vergleiche.

Auf "Soul On Ice 2" hältst eine Rede auf den Grammy, den du niemals gewinnen wirst. Fühlst du dich noch immer unterschätzt?

Ich werde heute stärker unterschätzt als damals. Es ist wahrscheinlich noch schlimmer geworden. [lachen] Ich bin ein Independent-Künstler. Manchmal schenken sogar die sogenannten Underground-Fans Künstlern nicht dieselbe Aufmerksamkeit, wenn sie nicht bei einem Major-Label sind. Ich fühle mich jetzt also defintiv mehr unterschätzt.

Du versammelst auf deinem Album viele bekannte Gastrapper. Dein Label nennt es ein "Hall of Fame Lineup". Wie verlief die Arbeit mit Snoop Dogg, Cee-Lo Green, Styles P oder MOP?

Ich habe nicht das Budget eines Kanye West. Es ist also nicht so, als ich könnte ich Leute dazu bringen, mitzuwirken. Sie müssen es tun wollen, weil sie mich als MC respektieren. Deshalb bin ich den Menschen sehr dankbar, die ich erreichen konnte. Sie hörten die Songs und sagten, dass sie auftreten wollen, weil sie an das Album glauben. Ich bin wirklich für jeden dankbar, der sich die Zeit genommen und mir geholfen hat, die beste Platte zu machen, die wir machen können.

Du warst immer ein politischer Rapper und ein politischer Mensch. Würdest du dir von anderen Rappern wünschen, sich in der aktuellen Situation politisch stärker zu positionieren?

Es gibt ja Immortal Technique, Talib Kweli, Mos Def und Common. Ich denke, es ist jedem MC selbst überlassen. Also denke ich auch nicht, dass jeder politisch sein muss. Ich würde von Young Jeezy oder Biz Markie nicht erwarten, allzu politisch zu werden. Deswegen herrscht noch kein Disrespekt. Jeder sollte sich selbst treu bleiben.

Was dachtest du, als du Kanye West im Oval Office mit dem Make-America-Great-Again-Cap gesehen hast?

Ich wünschte, die Leute hätten mich so unterstützt, wie sie ihn unterstützt haben. Und sieh dir an, was er mit dem ganzen Support der Leute angefangen hat. Er hat uns alle in Verlegenheit gebracht. Das ist, was ich darüber denke. Und er schreibt nicht einmal seine Texte selbst. Von Amerika bis nach Deutschland hat ihn die Hip-Hop-Community unterstützt. Und dann geht er los, trägt das MAGA-Cap und sagt dem Mann, dass er sein Daddy sei. Ich wünchte mir, Deutschland hätte mich so nett behandelt wie Kanye West behandelt wurde. Ich würde aber den verdammten MAGA-Hut nicht tragen. [lacht]

Ist es ein gutes Zeichen für Hip Hop oder ein schlechtes Zeichen für die Politik, wenn Donald Trump eine Fehde mit dem schwedischen Premierminister über die Freilassung von A$AP Rocky beginnt?

Das ist nicht gut für Hip Hop. Du hast Kanye West gerade erwähnt. Trump weiß nicht, wer A$AP Rocky ist. Donald Trump kennt nur zwei Schwarze: Kanye West und den dummen, langsamen Doktor Ben Carson [früherer Neurochirurg und Minister für Wohnungsbau und Stadtentwicklung]. Früher kannte er noch Omarosa [frühere Trump-Beraterin und Reality-TV-Darstellerin]. Sie war so lächerlich, dass er sie feuern musste. Er kennt also nur noch zwei Schwarze. Die meint er, wenn er von der "Black Community" spricht. Er kennt diese beiden Leute und Kanye West ist der beliebteste Schwarze, den er kennt. Also unterhalten sie sich über A$AP Rocky, den ich respektiere. Er war immer ein cooler Typ. Ich bin auch mit seinem Manager befreundet. Aber es gibt viele Leute, die nicht diese Art von Unterstützung bekommen und viel unschuldiger als A$AP Rocky sind. Donald Trump erwähnte A$AP Rocky nur, weil Kanye ihn angerufen hatte. Allein die Tatsache, dass er dich überhaupt nur erwähnt, ist wahrscheinlich kein gutes Zeichen. Ich denke, dass er es wahrscheinlich noch schlimmer gemacht hat. Kanye West ist an diesem Punkt eine Peinlichkeit für die Schwarzen. [lacht] Er ist einfach rundum schlecht.

Donald Trump schien aber ein wenig mit der Hip-Hop-Community verbunden zu sein. Ein deutscher Rapper erzählte mir vor ein paar Wochen, dass er zum Beispiel einen Skit auf einem Mixtape von Lloyd Banks hatte. Rapper mochten es also, mit Trump gesehen zu werden.

Viele Leute haben vergessen, dass Trump seit den 70er Jahren auf eine Geschichte von rassistischen Machenschaften gegen Puerto-Ricaner und Schwarze zurückblicken konnte. Als er in den 90ern sein Geld verloren hat, bemühte er sich mit Mike Tyson und Leuten, die ihm Geld einbringen können, abzuhängen. Donald Trumps Rassimus wurde nur nicht so sehr beworben wie seine Casinos. Aus diesem Grund musst du über Informationen verfügen, damit du weißt, mit wem du es zu tun hast. Ich sage damit nichts gegen Lloyd Banks, aber wir müssen Nachforschungen anstellen, um die Leute zu kennen, mit denen wir es zu tun haben. Diese Leute wollen dich nur ausnutzen. Ganz im Ernst, er hat Lloyd Banks genauso benutzt wie Lloyd Banks ihn. Leider kam jetzt sein wahres Gesicht zum Vorschein. Falls Lloyd Banks etwas Nettes über Donald Trump sagt, bin ich mir sicher, dass Trump anschließend drei schwarze Personen kennt.

Du hast einmal gesagt, dass Labels die Rapper aus der Golden Era verdrängten, weil sie ihnen zu politisch waren. In der Zwischenzeit scheint die Kulturindustrie sehr politisiert zu sein. Kann man mit politischer Musik nicht heute viel Geld verdienen?

Wer macht denn wirklich viel Geld mit politischer Musik? Common hat einen Grammy gewonnen. Selbst Jay-Zs Musik ist wahrscheinlich politischer als je zuvor. The Roots verdienen Respekt. Alle anderen machen immer noch ihr Ding. Ich glaube an die Philosophie der Siths aus Star Wars. Die Sith-Regel lautet, dass es immer zwei Siths gibt. Erst waren es Tupac und Biggie. Dann wurden sie getötet und von Jay-Z und Nas abgelöst. Sie wurden ein wenig älter. Dann kamen J. Cole und Kendrick. Es gibt immer gleichzeitig zwei lyrisch smarte Personen, die etwas Sozialpolitisches zu sagen haben. Abgesehen von diesen beiden haben alle anderen viel mehr Spaß daran, Drogen in ihren Raps zu nehmen, als sozialpolitische oder historische Dinge zu reden. Ich verstehe das auch. Die Leute wollen in den Club gehen und nicht nachdenken. Sie wollen Trap-Musik hören und Trapper sein, weil sie sich dann vorstellen könnne, so viel Geld wie Pablo Escobar zu haben und dieses auf all die Bitches zu werfen, weil sie eigentlich jede Woche in beschissenen Jobs arbeiten, die sie hassen. Sie haben ein durchschnittliches Leben und machen durchschnittliche Dinge. Und dann gehen sie Freitag oder Samstag aus und geben das ganze Geld aus. Aus diesem Grund hören sie diese Art von Musik.

"Ich wünschte, Hip Hop hätte die Charakterzeichnung und Dialogtiefe von 'Game of Thrones'."

Politische Prozesse wurden auch in "Game of Thrones" verhandelt. Du hast ein paar Recap-Rap-Videos über die Serie gepostet. Was hat dich dazu inspiriert?

Ich war ein Fan der Show und habe mich zufällig dazu entschieden. Zu der Zeit habe ich glaube ich mit Apollo Brown an "Blasphemy" gearbeitet, weil ich den ersten Teil um 2014 herum gemacht habe. Ich habe mich mit Leuten über die Serie unterhalten und wir versuchten zu erraten, was als Nächstes passiert und was die unbeantworteten Fragen sind. Es kam also wirklich daher, dass ich die Show genossen habe. Und die Leute mochten es. Mir war vorher nicht klar, wie viele Leute aus dem Hip-Hop ebenfalls "Game of Thrones" mochten. Es war cool, darüber mit den Leuten in Kontakt zu treten, und wurde zur Gewohnheit. Zur letzten Staffel habe ich kein Video gemacht. Ich denke, das liegt daran, dass ich damit nicht abschließen wollte. Und weil ich nicht sicher bin, was ich vom Ende halten soll. Aber vielleicht mache ich letztlich einen Song über die Beschwerden über "Game of Thrones". [lacht]

Kannst du das Missfallen vieler Fans verstehen?

Ich habe einige Beschwerden über den Plot, aber ich habe die Show geliebt und vom ersten Tag an verfolgt. Viele waren unglücklich darüber wie es geendet ist. Dass Bran König und Daenerys sehr schnell superböse wurde. Es gibt ja tatsächlich viele Menschen überall auf der Welt, die ihre Tochter Daenerys genannt haben und jetzt verärgert sind, weil sie sich in eine böse Person verwandelt hat. Jetzt wollen viele den Namen ihrer Drei- oder Vierjährigen ändern, weil sie dachten, sie werde eine Prinzessin. Aber es musste zu Ende gehen und man kann nicht jeden glücklich machen. Bei "Soul On Ice 2" wird es auch Leute geben, die den ersten Teil lieber mögen. Dasselbe wird bei Star Wars passieren. Der nächste Film wird der letzte Teil der Skywalker-Geschichte sein. Einige werden damit zufrieden sein und einige Leute nicht. Ich mag als Fan meine Beschwerden darüber haben, wie "Game of Thrones" hätte enden sollen. Aber am Ende des Tages habe ich die Geschichte sehr geschätzt. Sie haben versucht, etwas Ansprechendes zu erschaffen, das mehrschichtige Charaktere bot und kompliziert, visuell atemberaubend und unglaublich geschauspielert war. Für mich ist es noch immer dope. So will ich meinen Hip-Hop haben. Ich wünschte, Hip Hop hätte die Charakterzeichnung und Dialogtiefe von "Game of Thrones". Setze deine Musik doch einfach wie einen Film um. So sehe ich es sowieso, als Filme unseres Lebens. Wenn jemand über sein ganzes Album nur die Korken knallen lässt, ist das nicht der Film, den ich sehen möchte. Das kann doch nicht dein ganzes Leben sein. Es sei denn, du wurdest superreich geboren. Aber für die meisten von uns gilt das nicht. Was machst du sonst in deinem Leben? Ich möchte, dass Leute Songs über das Leben schreiben.

Das wahre Drama des Alltags.

Es muss nicht einmal unbedingt Drama sein. A Tribe Called Quest haben nie politische Lieder geschrieben, sie haben nur über normale Sachen geredet. Und das ist in Ordnung. Es war unterhaltsam. Was mich von anderen unterscheidet, ist, dass ich es genieße, wenn Menschen ehrlich sind. Ich halte es einfach für nicht besonders ehrlich, als Killer aufzutreten und auf dem ganzen Album jeden zu töten. Das ist nicht realitsisch und stößt mich ab. Aber anscheinend bin ich damit in der Minderheit. Die Leute mögen es, der Welt zu entfliehen und jemandem zuzuhören, der sie belügt.

Kommen wir zu "Soul On Ice 2" zurück. Laut der Pressemitteilung sei das Album "entschlossen, unangenehme Wahrheiten preiszugeben". Welche Wahrheiten meinst du damit?

Der erste Song des Albums "Silver Anniversary" ist eine Art Rückblick. Die Wahl von Donald Trump hat gezeigt, dass wir uns in Amerika mit White Supremacy auseinandersetzen müssen. Über eine lange Zeit hat Amerika darüber gelogen und behauptet, wie frei es sei und dass jeder eine Chance erhält. Das sind die Dinge, über die ich vor 25 Jahren gesprochen habe. Damals galt es als Tabu, aber jetzt sind diese Themen wortwörtlich Teil der Mainstream-Nachrichten. Das finde ich faszinierend. Die wahre Gründung Amerikas war 1619, als die ersten Sklaven hierher kamen. Mit ihnen haben sie genug Geld verdient, um all ihre Gebäude, ihre Armeen und die Ressourcen zu finanzieren, um gegen die Kolonialmacht in den Krieg zu ziehen. Das sind einfach Dinge, über die niemals gesprochen wurde. Jetzt werden wir dazu gezwungen. Schon jetzt diskutieren Präsidentschaftskandidaten über Reparationen. Unser Bildungssystem lügt über die Geschichte Amerikas. Als ich "Nature of the Threat" schrieb, taten die Leute so, als ob ich alles erfunden hätte. Das sind unangenehme Wahrheiten, über die wir noch diskutieren müssen.

Du hast gerade "Silver Anniversary" erwähnt. In diesem Lied weist du darauf hin, dass insbesondere Christen die MAGA-Caps tragen. Woher kommt die Verbindung zwischen Religion und Rassismus?

Die Geschichte lehrt uns das. Menschen haben schon immer Religion genutzt, um ihre kulturelle, stammesbezogene und damit rassistische Agenda umzusetzen: Die Geschichte der Hebräer in Ägypten. Was die Römer den Christen und Juden angetan haben. Was Christen mit den Kreuzzügen, in Norafrika und dem Heiligen Land angerichtet haben. Jeder benutzt Religion, um beschissene Dinge zu machen. Dann gibt es Vertreter kleinerer Religionen oder afrikanischer Stämme mit unterscheidlichen Glaubenssystemen, die ihrerseits abgefuckte Scheiße bauen. Ob nun Tutsi gegen Hutu in Afrika oder Indien gegen Sri Lanka, die Menschen versuchen sich immer einen Vorteil über andere zu verschaffen. Ich behandele das Theme in einem Song mit dem Titel "White Power" mit Immortal Technique. Amerika nannte es "Manifest Destiny". Nach dieser Vorstellung habe Gott die protestantischen Christen nach Amerika gebracht, um das Land in ihren Besitz zu nehmen und die Ureinwohner zu töten. Also benutzten sie das protestantische Christentum, um die Ureinwohner auszulöschen. Jesus sagte ihnen, dass dies war, was sie tun sollten.

Aber verstoßen sie nicht gegen ihr eigenes Wertesystem, wenn sie Flüchtlinge oder die Armen bekämpfen?

Man darf nicht vergessen, dass ihr Wertesystem auf Unwahrheiten basiert. Ihr gesamtes Fundament ist also unwahr. Niemand möchte nachts schlafen gehen und denken, dass er der Böse ist. Jeder möchte der Held sein. Diese sogenannten Christen haben bereits festgelegt, dass Gott die anderen nicht erschaffen hat. Gott kreiert nur weiße Menschen in Amerika. Gott macht keine Muslime, Schwarze oder Asiaten. Das haben sie längst entschieden. Die Muslime tun dasselbe. Ich bin ein Sunnit. Diese Schiiten halten sich nicht an Allahs Willen, also kann ich sie töten, ihnen den Kopf abschlagen und ihre Tochter ficken. Dann dreht sich der Schiit um und sagt: 'Weißt du was? Allah sagt, dass wir es richtig machen. Also hacke ich den Kopf des Sunniten ab und ficke seine Tochter. Und scheiß auch auf die Christen.' Wenn irgendjemand eine dieser heiligen Schriften befolgen würde, würden sich alle nur umarmen. [lachen] Die Protestanten befolgen nicht ihr Buch, die Katholiken befolgen es nicht, die Muslime befolgen es nicht und die Juden befolgen es nicht. Möglicherweise halten sich die Buddhisten als einzige daran. Wenn wir ihnen genügend Waffen geben, fangen sie aber vielleicht auch damit an, die Scheiße aus den Leuten zu ballern. [lachen]

Du hast die Verbindung von Religion und Rassimus bereits in deinem beeindruckenden Song "Amerikkkan Horror Story" behandelt, der am Tag vor Trumps Amtseinführung veröffentlicht wurde. In dem Song heißt es, die Wahl 2016 sei ein politischer Coup gewesen, der mit chirurgischer Präzision ausgeführt wurde. Wer war für diesen Coup verantwortlich?

Russland und die Republikanische Partei, die wusste, was vor sich ging. Wenn ich nach Las Vegas gehen würde und wüsste, dass mir jemand dabei helfen könnte, zu gewinnen, würde ich das verraten oder nicht? Ich weiß es nicht. Würdest du ehrlich genug sein, um mitzuteilen, dass es manipuliert ist? Ich weiß nicht, inwiefern es absichtlich verräterisch war, aber sie wussten, dass sie Hilfe bekamen.

"Mir war nicht klar, dass fast die Hälfte unseres Landes immer noch so viel Hass in ihrem Herzen trägt, so viel Rassenhass."

Aber warum hat die Republikanische Partei nicht versucht, Trump aufzuhalten? Ein anderer Kandidat wäre sicherlich einfacher zu handhaben gewesen.

Die Republikanische Partei spielt seit den 60ern mit den Ängsten des weißen Amerikas gegenüber anderen Menschen. Trump hat sich daran bedient. Was sie benutzen, nennen wir "Dog Whistle". Nur bestimmte Menschen können die Frequenz der Hundepfeife hören und darauf reagieren. Es gab andere Law-and-Order-Präsidenten. Als Schwarze in den 60er Jahren demonstrierten und von Bürgerrechten sprachen, reagierten sie dementsprechend: 'Wir wollen Recht und Ordnung. Wir wollen, dass sie die Schnauze halten und sich in ihre verdammten Häuser zurückziehen. Und wenn sie versuchen, friedlich zu demonstrieren, werden wir sie verprügeln und Hunde auf sie hetzen. Wir werden kleinen Kindern und Frauen den Schädel einschlagen, weil sie Gleichberechtigung einfordern. Wir werden für Recht und Ordnung sorgen.' So haben in den 60er Jahren Gouverneure im Süden wortwörtlich gesprochen. Ihr Narrativ lautet: Außer weißen Menschen verdient in Amerika niemand etwas. Es spielt also keine Rolle, ob du gebildet bist. Amerika wurde nicht für Schwarze, Asiaten, Latinos oder Schwule gemacht. Wenn du aus dem Rahmen fällst, stehen dir keine Rechte zu. Technisch gesehen bilden auch Frauen eine Minderheit, also soll auch die weiße Frau ihre Klappe halten. Du nimmst gefälligst, was wir dir geben. Jesus ist ein weißer Mann, Gott ist ein weißer Mann, jeder Präsident war ein weißer Mann. Amerika wurde für weiße Männer gemacht. Das ist ihre Erzählung.

Vor drei Jahren meintest du in einem Interview, Trump präsentiere die hässliche amerikanische Wahrheit. Welche Wahrheiten hast du aus seinem Wahlsieg gelernt?

Ich dachte, es gäbe weniger Menschen in Amerika, die immer noch eine solche Einstellung haben. Mir war nicht klar, dass fast die Hälfte unseres Landes immer noch so viel Hass in ihrem Herzen trägt, so viel Rassenhass. 1776 war das Startdatum [Proklamation der amerikanischen Unabhängigkeit]. In den letzten 250 Jahren haben wir buchstäblich nichts erreicht. Es ist ernüchternd zu erkennen, dass wir all die so genannten Fortschritte nicht gemacht haben, von denen wir dachten, sie erreicht zu haben. Um die 40 % würden morgen wieder mit der Sklaverei beginnen, wenn sie könnten. Es ist in Ordnung Ureinwohner und Muslime zu töten oder kleine lateinamerikanische Baby von ihren Eltern zu trennen und in Käfige zu sperren. Wir geben vor, Amerika zu sein, das "land of the free, home of the brave". In der Zwischenzeit spricht Kanye West darüber, einen berühmten Rapper aus dem Gefängnis zu befreien. Kein Disrespekt dafür, aber warum befreist du kein verdammtes Kind aus seinem Käfig?

Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Wie Run The Jewels hoffst du auch, dass Bernie Sanders 2020 der nächste US-Präsident wird. Was gefällt dir an ihm?

Ich bin nicht unbedingt für Bernie Sanders. Ein Freund sagte mir, es sei egal, ob Hillary Clinton oder Trump gewänne. Ich dachte: Es ist nicht wirklich dasselbe. Und jetzt merken die Leute, dass es schlimmer geworden ist. Ich glaube, es war [US-Comedian] Dave Chappelle, der am Tag als Trump gewählt wurde, etwas sagte wie: Würdest du jemanden wollen, der die Straße runterfährt, 'fick dich' sagt und dich vielleicht mit seinem Auto anstößt? Oder möchtest du jemanden, der wirklich sehr schnell fährt, 'fick dich' sagt, dich überfährt, anhält, zurückfährt, dich erneut überfährt und 'fick dich' sagt? Bei einem wirst du verletzt, bei dem anderen bis du wahrscheinlich tot. Und das ist der Unterschied zwischen Donald Trump und jedem Demokraten. Donald Trump ist extrem und getrieben von seinem Ego und seinem Hass, was eine schreckliche Kombination ist. Es ist wie ein Cocktail aus der Hölle. Ich bin nicht begeistert von Bernie Sanders. Ich gehörte auch nicht zu denen, die von Obama sonderlich begeistert waren. Ich weiß nur, dass einer besser ist als der andere. Ich würde lieber Pisse trinken als verdammtes Rattengift. Beides will ich nicht. [lacht] Aber wenn ich buchstäblich nur eine Wahl habe, will ich nicht das Rattengift, weil ich sterben werde. Um absolut ehrlich zu sein, mag ich Elizabeth Warren. Aber es spielt keine Rolle, weil ich ohnehin für denjenigen stimmen werde, der nominiert wird, weil alles besser ist als dieser Typ.

Du hast in "Amerikkkan Horror Story" aber auch auf die Unterdrückung der Stimmabgabe oder die Manipulation von Wahlkreisgrenzen verwiesen ("Remember they gerrymandered districts, practized voter suppression."). Einigen Experten zufolge, könnte Trump aber selbst bei einer Niederlage von 8 bis 9 Millionen Stimmen die Präsidentschaft erneut gewinnen. Was wird in diesem Fall in der amerikanischen Gesellschaft passieren?

Ich habe keine Ahnung. Ich werde dann wohl versuchen, nach Deutschland zu ziehen. [lachen] Wenn er gewinnt, versuche ich wirklich hier rauszukommen. Ich bin auf eine große Enttäuschung vorbereitet. Es ist verrückt, weil die Republikaner betrügen. Sie wollten nicht, dass Menschen wählen gehen, denn wenn sie wählen, verfügen sie tatsächlich über Macht. Wenn Sie also die Stimmabgabe verhindern, behalten sie die Macht. Also machten sie es in Staaten wie Montana oder Georgia extrem schwierig bis unmöglich, wählen zu gehen. Sie wollen nichts unternehmen, um das Wahlsystem vor Russland zu schützen, weil es zu ihren Gunsten funktioniert. Alles, was ich unternehmen kann, ist wählen zu gehen. Aber ich bin auch bereit, zu gehen. Ich hatte eine großartige Zeit in Amerika, aber es gibt eine wirklich große Welt da draußen. Und es gibt andere Orte, die Hip Hop lieben. Ich sage immer: Amerika ist nicht wie das Römische Reich oder das Alte Ägypten. Das sind Imperien, die Jahrtausende überdauerten. Amerika ist 250 Jahre alt. Es könnte noch lange existieren oder auseinander fallen. Es ist ein Experiment. Ich möchte nur nicht da sein, wenn es zu einem wirklich beschissenen Ort wird. Wenn ich Glück habe, werde ich noch 40 Jahre auf diesem Planeten verbleiben. Also möchte ich meine Zeit nicht völlig unglücklich an diesem Ort verbringen. Diese Welt ist unglaublich. Ich möchte in einem Land sein, in dem ich willkommen bin. Ich denke, jeder möchte einfach mit menschlichem Anstand behandelt werden. Es gibt andere Orte, wo das möglich ist. Und wenn ich das hier nicht bekomme, bin ich bereit zu gehen und ein Weltbürger zu sein.

Warum engagierst du dich nicht als Politiker?

Du musst dafür in einer bestimmten Position sein. Wenn du für den Stadtrat kandidierst, kostet das sehr viel Geld. Ich versuche nur, eine Platte rauszubringen. Eine Kandidatur kostet viel mehr Geld. Im Amerika dreht sich alles um Geld. Wenn du nicht genug Geld hast, nehmen dich die Menschen nicht wahr, unterstützen dich nicht und bieten dir keine Plattform, auf der du sprechen kannst. Ich kann nicht einmal Leute dazu bringen, mir für eine Strophe eine Plattform zu bieten. [lacht] Leider denken die Leute, dass Kanye West etwas Wichtiges zu sagen hat, weil sie Geld mit Intelligenz assoziieren. Donald Trump ist eines der besten Beispiele dafür, dass man dumme Leute bezahlt und sie reicher macht, weil man sie wegen ihres Geldes für überlegen hält. Und die Hälfte der Zeit taten sie nichts, um es sich zu verdienen.

Du wolltest das Album mit etwas Hoffnung beenden. Welche Hoffnungen hast du für die Zukunft?

Ich möchte, dass die Menschen erkennen, dass der Klimawandel real ist. Frauen sollten gleich bezahlt werden. Es ist wirklich einfach die goldene Regel: Behandle deinen Nachbarn so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Oder wie ich immer sage: Behandle Menschen so, wie du willst, dass sie deine Mutter behandeln. Ich versuche, dieses Karma ins Universum hinauszutragen.